Besucherschlangen vorm Deutschen Historischen Museum in Berlin

Titelbild
Foto: dhm
Von 20. Oktober 2010

Berlin – Die Kinder, Enkel und Urenkel dieses deutschen Volkes, das einmal Hitler mit großen Hoffnungen folgte, stehen seit Samstag Schlange am Pei-Bau hinter dem Zeughaus Unter den Linden. Dieses Mal ist es keine „Moma“ aus New York und sind es keine Impressionisten aus Paris. Dieses Mal besichtigt das Volk seine eigene Vergangenheit. Der Andrang kam völlig überraschend. Wenn es bei den täglich etwa 3.000 Besuchern bleibt, die am Wochenende zu verzeichnen waren, dann könnte bis zum Ende der Ausstellung am 6. Februar 2011 ein Besucherrekord erzielt werden. Ein Novum für das Historische Museum.

Keine äußeren Gründe hatten den Zeitpunkt bestimmt für die Einrichtung und Eröffnung einer Ausstellung in Berlin im Deutschen Historischen Museum über „Hitler und die Deutschen“. Ja, es ginge nicht einmal vordergründig um Hitler, so Hans Ottomeyer, Generaldirektor des Deutschen Historischen Museums, zur Eröffnung, sondern es ginge um die Deutschen und wie Hitler aus seiner Zeit erwachsen wäre.

Auch Hans-Ulrich Thamer, Historiker aus Münster, sprach eher über die Erlösungssehnsucht der Deutschen, als über die Führerpersönlichkeit Hitlers. Hinzu seien die Verunsicherung des Volkes nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg und die Verarmung in der Weltwirtschaftskrise gekommen. Der Erinnerung an die eigene Kraft wären zur Selbstversicherung die Propagierung der „Volksgemeinschaft“ und die Ausgrenzung der „Anderen“ dann gerade recht gewesen.

Das wollte damals auch fast niemand unterminieren, schon gar nicht öffentlich. So hätte es die „Gaffer“ gegeben, im Englischen die „Bystander“ genannt, die alles sehen konnten aber nicht handelten. „Aber man konnte wissen, wenn man wollte“, so Thamer zu den Auslöschungen der „Anderen“, insbesondere der Juden, die den öffentlichen Ausgrenzungen folgten. Sein Konzept folgt deshalb der Sichtbarmachung des Alltäglichen, ohne ins Triviale abzugleiten.

Die Präsentation von Sammlerstücken, Bildern und Filmsequenzen durch den damit beauftragten Architekten Klaus-Jürgen Sembach führt im Untergeschoss des Pei-Baus hinter dem Museum durch acht Räume. Beabsichtigt kurze Texte zu den Ausstellungsstücken, erzwingen den direkten Blick auf Bilder und Zusammenhänge aus der Welt unserer Eltern, Großeltern, Urgroßeltern. Wer sich den fühlbaren Ausstrahlungen öffnet, wird sich nicht so sehr wundern über die Mitläufer, als über diejenigen, die sich den Durchblick bewahrten oder ihn allmählich erlangten und die dadurch in riskanten Lebensläufen landeten.

Aber hier geht es um das Volk, das der Verheißung der solidarischen „Volksgemeinschaft“ glauben wollte, erhoffte man sich doch einfach eine durchaus bürgerliche Sicherheit und Führung und sozialen Aufstieg.

Der „Führerstaat“ wird gezeigt, der sich die Massensehnsucht zunutze machte, indem mit Masseninszenierungen, Parteifeiern und den Olympischen Spielen 1936 der schöne Schein einer Übereinstimmung von Führer und „Volksgemeinschaft“ inszeniert wurde. Dazu kamen alle Mittel der modernen Kommunikationstechnik im Rundfunk und in den Zeitungen, in Filmen und in den Wochenschauen zum Einsatz. Sie zeigen jubelnde, rennende, begeisterte Erwachsene und Kinder, denen „der Führer“ lächelnd die Hände schüttelte. Hinter der schönen Fassade jedoch gab es Gewalt, Ausgrenzung und Machtkämpfe.

Es wird gezeigt, wie die hoffende „Volksgemeinschaft“, deren Männer die Aufstiegschancen in der NSDAP, der SS und der Wehrmacht nutzten – bewundert von den Frauen – zu einer kämpfenden „Volksgemeinschaft“ wurde. Daneben gab es das Millionenheer der Kriegsgefangenen, die des Terrors beschuldigt wurden und der Juden, die für die Vernichtung bestimmt waren. Ausgegrenzt, diffamiert, deportiert, umgebracht.

Der Niedergang hinterließ eine „Gesellschaft in Trümmern“, die allein Hitler und seine Führungsclique verantwortlich machen wollte. Das kollektive Beschweigen der eigenen Mitwirkung in Ost und West belastete dennoch die deutsche Gesellschaft. Von dem Schweigen der europäischen Nachbarvölker ist hier nicht die Rede, die trotz Unterwerfung durchaus auch Sympathien für nationalsozialistisches Gedankengut pflegten und die teilweise bis heute davon nichts wissen wollen. – Eine lohnende Ausstellungsaufgabe, wenn Europa wirklich zusammenwachsen will. Dieser Gedanke drängt sich am Rande auf.

Die Ausstellungsstücke sind in Vitrinen oder hinter Gazewänden fast hautnah zu erleben, nur anfassen kann man sie natürlich nicht. Trotzdem glaubt man hinterher, durchaus in einer Welt des Erfahrbaren gewesen zu sein, die nicht grau, nicht düster, nicht bedrohlich präsentiert wird. Aber auch nicht so monumental, dass auch nur die Spur einer Verführung noch von ihr ausgehen könnte. Besucherecho von einem Touristen aus Köln: „Das Nachdenken über ‚Wir sind das Volk‘ kann gar nicht tief genug gehen und sollte sich nicht nur auf die NS-Zeit beschränken.“ Vielleicht die wichtigste Erkenntnis aus dem Blick in die Geschichte.

Deutsches Historisches Museum www.dhm.de

Öffnungszeiten

bis 6. Februar 2011

Täglich 10 bis 18 Uhr

Foto: dhm

 



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