„Britanniens Atlantis“ soll dem Meer entrissen werden

Die Geheimnisse von Dunwich
Titelbild
Unter diesen Wellen in Dunwich, England, liegt die versunkene ehemalige „Hauptstadt Ostenglands“. (Foto: AFP/LEON NEAL)

In stürmischen Nächten erzählen sich Ortsansässige, sie könnten noch die Glocken einer der Kirchen von Dunwich durch die Wellen läuten hören. Eine Meile vor der Küste von Suffolk in etwa 15 Metern Tiefe liegen die Ruinen einer mittelalterlichen Stadt, die in das Meer abrutschte, als 1286 ein starker Sturm tobte.

Jetzt kann man die ehemals blühende Handelsdrehscheibe, die auch als „britisches Atlantis“ bekannt ist, vielleicht zum ersten Mal wieder sehen, seit sie vor einigen hundert Jahren verschwand.

Seit mehr als 30 Jahren hat der Taucher Stuart Bacon die Gegend um die Ruinenstadt in über tausend Tauchgängen erforscht. Durch den hohen Schlammanteil im Wasser kann man dort jedoch nur einige Zentimeter weit sehen. Er hat das Gebiet durch Abtasten erforscht und verwendete eine Karte von 1587, die zu seiner Überraschung sehr genau war.

Er arbeitet mit Professor David Sear von der Universität von Southampton zusammen und wird im Juni mit Hilfe der neuesten Unterwasser-Sonarausrüstung ein 3D-Bild der Ruinen erstellen. Mr. Sear sagt, dass er als Kind in den Ferien auf den Ruinen der Kirche All Saints bei Dunwich herum kletterte, die an der Küste wie eine Gruppe gestrandeter Wale herausragt. „Es ist eine der Gelegenheiten, bei der sich Kindheitsinteressen mit meiner Forschung verbinden. Ich sammle Informationen und Landkarten und gebe sie ins GPS-System ein.“

Die Qualität des Wassers sei so schlecht, dass man die Gegend nur mit Hilfe von Sonartechnologie genau kartieren kann. „Wir wissen, dass es dort noch viel mehr gibt, aber wir haben dafür keine Karten. Es wird sehr spannend. Wir könnten vielleicht die Reste von Gebäuden finden, die vor 800 Jahren zerstört wurden, und sie zum ersten Mal wieder sehen.“ Sear fügt hinzu: „Dunwich ist ein Ort mit einer sehr starken Atmosphäre. Er hat eine Geschichte, die die Phantasie von Künstlern, Historikern und Dichtern seit Jahrhunderten beflügelt. Es ist eine bekannte Legende in dieser Gegend, dass man die Glocken in stürmischen Nächten läuten hören kann.“

Hauptstadt Ostenglands

Die Stadt, die als Hauptstadt Ostenglands bekannt war, geht auf das Datum 1086 zurück, als sie im Domesday-Buch erwähnt wurde – als Stadt der drei Gemeindekirchen mit – einschließlich 24 Franzosen, die mit Wilhelm dem Eroberer aus der Normandie gekommen waren – etwa 3.000 Bürgern und „einhundert armen Leuten“. Seine Inspektoren entschieden, sie könnte es sich leisten, dem König jährlich eine Schenkung von „fünfzig Pfund und dreihunderttausend Hering“ zu geben.

Eine Bestandsaufnahme im Jahre 1308 ergab, dass sie im Besitz der hohen Summe von 111 Pfund in drei großen Geldbörsen war. In den folgenden 50 Jahren gründeten drei der angesehensten religiösen Orden des Mittelalters – Benediktiner, Dominikaner und Franziskaner – hier Häuser.

Die Wirtschaft des Landes fußte auf dem Schiffsbau und dem Handel mit dem Ausland, der bis nach Island reichte. Der Handel brach jedoch zusammen, nachdem die stärker werdende Strömung Kies in den Hafen von Dunwich geschwemmt hatte und die Schiffe zwang, weiter von der Küste entfernt anzulegen.

Erosion durchschnittlich ein Meter pro Jahr

Danach kam die Küstenerosion. In Suffolk gab es schon immer ständige Erosion, die in den vergangenen 2.000 Jahren bei durchschnittlich einem Meter pro Jahr lag. Aber dieser Prozess läuft nicht gleichmäßig ab. Viele Jahre lang wurden die Menschen in Dunwich über die Bedrohung durch Erosion nicht informiert, als Felssektionen vom vorrückenden Wasser geschwächt wurden; doch die Küstenlinie blieb noch bestehen. Aber dann gab es zwei starke Stürme, die riesige Teile der Küste auf einmal ins Meer spülten.

Der erste Sturm im Jahre 1328 zerstörte die Benediktinerklause, die ein Ausläufer der Ely-Kathedrale war, und schwemmte das Priorat der „Greyfriars“ der Franziskaner sowie das der „Blackfriars“ der Dominikaner weg.

Der zweite Sturm im Jahre 1347 spülte 40 Häuser, zwei Kirchen und einige Windmühlen ins Meer. Im Jahr 1644 war die verbliebene Kirche einer weiteren Gefahr ausgesetzt, die von William „Smasher“ Dowsing ausging, der entschlossen war, der Stadt alle „Idole“ zu entreißen. Er warf 63 Engelstatuen von den Dächern und zerstörte 40 Buntglasfenster. Trotzdem – oder vielleicht gerade deshalb – kippte die Kirche 1688 über die Felsen und der vordere Turm 10 Jahre später.

Profiler unter dem Meer

Sear glaubt nicht, dass er auf dem Meeresgrund noch viele intakte Strukturen finden wird, und sagt, dass die Hälfte der Gebäude im Meeresboden liegt. Er hofft jedoch, dass ein „MeeresUntergrund-Profiler“ Objekte unter dem Meeresboden ausfindig macht und zusammen mit der Fächerlot-Sonartechnologie ein akustisches Bild dieser Stelle zeichnet. Ob er die Glocken der Kirche läuten hören wird? „Wir haben keine Ahnung, was wir finden werden…“

Text erschienen in Epoch Times Deutschland Nr. 6 (2. Feb. – 12. Feb. 2008)



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