„Hitlers Papst“ oder Retter hunderttausender Juden – Vatikan öffnet Archive über Papst Pius XII.

Die Öffnung der Vatikan-Archive über die Zeit des Zweiten Weltkrieges soll Historikern eine objektivere Bewertung der Rolle von Papst Pius XII. ermöglichen. Die populäre Einschätzung, dieser wäre „Hitlers Papst“ gewesen, geht auch auf sowjetische Desinformation zurück.
Titelbild
Das Bild, das am 27. Februar 2020 aufgenommen wurde, zeigt einen Blick auf das Vatikanische Apostolische Geheimarchiv im Vatikan, dem Zentralarchiv des Heiligen Stuhls, in dem alle Dokumente über die Regierung und die pastorale Tätigkeit des Papstes und die Büros des Heiligen Stuhls aufbewahrt werden. Die Entsiegelung des Archivs von Papst Pius XII., Papst zur Zeit des Zweiten Weltkriegs, dessen Papsttum von 1939 bis 1958 dauerte, wurde von Historikern seit Jahrzehnten erwartet.Foto: ALBERTO PIZZOLI/AFP über Getty Images
Von 2. März 2020

Am heutigen Montag (2.3.), dem Geburtstag des damaligen Oberhauptes der Katholischen Kirche, wird der Vatikan erstmals in vollständigem Umfang seine Archive aus der Zeit des Pontifikats von Papst Pius XII. (1939-1958) öffnen. Dies soll auch der Geschichtswissenschaft eine umfassende Auswertung der Originalquellen und in weiterer Folge eine qualifizierte Bewertung insbesondere der Politik des Vatikans in der Zeit des Zweiten Weltkrieges ermöglichen.

Bis dato war die Debatte um die Rolle des Heiligen Stuhls in dieser Zeit vor allem politisch geprägt und stark ideologisch aufgeladen. In Deutschland hatte unter anderem das Theaterstück „Der Stellvertreter“ von Rolf Hochhuth das Bild des damaligen Papstes in der Öffentlichkeit geprägt. Darin wurde Pius XII. Teilnahmslosigkeit gegenüber dem Schicksal der europäischen Juden in der Zeit des Holocausts vorgeworfen.

Führten bei Hochhuths Stück über Papst Pius XII. die Sowjets die Hand?

Pius XII. habe, so der Narrativ, Informationen über den Massenmord im Osten Europas nicht publik gemacht und stattdessen Hitler als vermeintlichen Hoffnungsträger im Kampf gegen den Kommunismus den Rücken gestärkt. In der Zeit der 68er Generationen wurde diese Erzählung bereitwillig reproduziert, immerhin half sie, die moralische Autorität der Kirche, deren Lehren die Studentenbewegung verwarf, zu untergraben. Aus dem gleichen Grund fand die These auch unter sogenannten progressiven Theologen Anklang, die sich, inspiriert von den Ergebnissen des II. Vatikanischen Konzils, für eine „Modernisierung“ des kirchlichen Lehre und Praxis einsetzten. 

Kritiker dieser Darstellung verweisen darauf, dass die These von „Hitlers Papst“, den Pius XII. angeblich dargestellt habe, hauptsächlich ein Produkt der Sowjetpropaganda des Kalten Krieges gewesen sei.

Im „America Magazine“ erklärte der US-amerikanische Historiker, Jurist und Buchautor Ronald J. Rychlak, Hochhuth sei zwar der Frontmann hinter dem „Stellvertreter“ gewesen. Das Stück sei jedoch Teil einer gezielten Desinformationskampagne der Sowjetführung gewesen, die nach dem Tod von Papst Pius XII. eingesetzt habe. Es sei „von sowjetischen Handlangern entworfen, gefertigt, publiziert, produziert und promotet“ worden. Schon 1969 hätten britische Geheimdienste Erkenntnisse darüber gehabt, dass Hochhuth in eine prosowjetische Kampagne involviert gewesen sei, deren Ziel in der Diskreditierung westlicher Führer und Heldenfiguren bestanden habe.

Rumänischer Überläufer: Gezielte Kampagne gegen den Vatikan

Der rumänische Überläufer Ion Mihai Pacepa hat 2007 im „National Review“ geschildert, dass es eine solche gezielte sowjetische Kampagne unter dem Code „Seat-12“ gegen den Vatikan gegeben habe und er selbst Teil davon gewesen sei. Die Theatergruppe, die den „Stellvertreter“ erstmals aufgeführt habe, sei, so Rychlak, in Westberlin gegründet worden, um ein Zielpublikum mit prokommunistischer Propaganda zu versorgen, dem es infolge der Berliner Mauer nicht mehr möglich war, ohne Weiteres nach Ostberlin zu reisen. Der Produzent des Stückes sei „sein Leben lang ein Kommunist gewesen, der offen das Theater genutzt habe, um die Agenda des Proletariats zu fördern“.

Bereits im Jahr 2008 hatte auch der damalige Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone anlässlich des 50. Todestages von Pius XII. erklärt, dass das negative Bild über dessen Politik im Zweiten Weltkrieg vor allem auf die Propaganda der Sowjetunion zurückzuführen sei. Die „Irish Times“ zitierte ihn damals mit den Worten:

„Die Darstellung von Pius XII. als jemandem, den das Schicksal der Nazismus-Opfer, der Polen und vor allem der Juden egal gewesen wäre, und seine Etikettierung als ‚Hitlers Papst‘ sind nicht nur beleidigend, sondern auch historisch unbegründet, ebenso wie die Version, Pius XII. wäre von den Amerikanern gesteuert und der ‚Kaplan des Westens‘ gewesen, wie sie ebenfalls von den Sowjets im Kalten Krieg propagiert worden war.“

Mehrere Archive statt zentraler Bestände

Wie die „Tagespost“ erwähnt, hat der Vatikan als Reaktion auf das Theaterstück Hochhuths in der Zeit von 1965 bis 1981 etwa 7000 zentrale Dokumente aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs freigegeben. Doch weil die meisten Texte auf Italienisch und nur wenige auf Deutsch, Französisch oder Latein verfasst worden sind, habe diese Aktenedition nur bei wenigen Historikern die nötige Beachtung erhalten.

Die gleiche Zeitung warnt jedoch auch vor überzogenen Erwartungen an die nunmehr zugänglichen Archivbestände. Immerhin gebe es nicht einen zentralen Aktenbestand gibt, auf den sich die Historiker konzentrieren könnten, sondern – wie es auch bei den päpstlichen Quellen vom 16. bis 20. Jahrhundert der Fall sei – mehrere Archive verschiedener Kongregationen und Dikasterien. Einige Archive davon würden immer noch bei den zuständigen Behörden bewahrt.

Zudem sei es bereits zweimal zu einem Verlust erheblicher Dokumentensammlungen gekommen. So ließ Pius XII., als die Deutsche Wehrmacht 1943 Rom besetzte, Unterlagen vernichten, von denen er davon ausging, dass sie, würden sie in deutsche Hände geraten, andere Menschen gefährden könnten. Zudem hatte Pasqualina Lehnert, die Haushälterin von Pius XII., unmittelbar nach seinem Tod am 9. Oktober 1958 Akten, die sich in seinem Arbeitszimmer befanden, eigenmächtig vernichtet.

Der Mitautor einer umfassenden Bibliografie zum Pontifikat Pius XII., William Doino, verwies bereits darin auf Einschätzungen zahlreicher jüdischer und protestantischer, aber auch agnostischer und atheistischer Autoren, die ein deutlich günstigeres Urteil über Pius XII. fällen als die öffentliche Meinung in Deutschland und weiten Teilen Europas. 

Verfahren zur Seligsprechung stockt

So habe der Soziologe Rodney Stark, ein Agnostiker, in seinem Buch „Bearing False Witness: Debunking Centuries of Anti-Catholic History“ den israelischen Diplomaten Pinchas Lapide zitiert, der erklärt hatte, Papst Pius XII. sei „daran beteiligt gewesen, mindestens 700 000, aber wahrscheinlich sogar an die 860 000 Juden vor dem sicheren Tod in den Händen der Nazis zu retten“.

Die „historische Schmierenkampagne“, die ursprünglich von der Sowjetunion ausging, sei „hauptsächlich von entfremdeten Katholiken verbreitet worden, während der stärkste Zuspruch für den Papst von Juden kam“.

Allerdings gibt es bis heute auch vonseiten einiger jüdischer Gemeinden reservierte Einschätzungen bezüglich des bereits 1965 von Papst Paul VI. eröffneten Seligsprechungsprozesses für Pius XII. – der derzeit stillsteht, weil es noch keine nachgewiesenen Wunder gibt, die der Papst bewirkt hätte und die vom Vatikan anerkannt worden wären.

Auch in den jüdischen Gemeinden scheiden sich die Geister zwischen jenen, die Pius XII. vorwerfen, er hätte es verabsäumt, öffentlich die Nazis zu verurteilen und die Juden in Rom rechtzeitig vor ihrer Deportation zu warnen, und jenen, die darauf verweisen, dass ein zu offener Widerstand die Fähigkeit der Kirche unterminiert hätte, konkrete Juden vor deutschem Zugriff zu retten.



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