BALANCE – das Geheimnis von zwei Waagschalen

Von 11. Juni 2012

Die Etymosophie-Kolumne von Roland R. Ropers erscheint wöchentlich exklusiv in der EPOCH TIMES Deutschland.

Viele Worte lateinischen Ursprungs mit dem Präfix „bi“ haben mit der Zahl zwei zu tun: bicyclus = das Zwei-Rad, das Fahrrad (engl. bicycle), bilinguis = bilingual, doppelzüngig, zweisprachig, biennium = Biennale, Zeit von zwei Jahren, bicolor = zweifarbig.

Und das täglich so oft gebrauchte Wort „BALANCE“ hat seinen Ursprung ebenfalls in der lateinischen Sprache: bi lanx = die Zwei-Waagschale (lat. lanx, lancis = Schüssel, Waagschale).

Immer geht es darum, einen Bereich aufzuspüren, der diese oft störenden Gegensätze im Gleichgewicht hält. Es ist das berühmte Zünglein an der Waage, das uns anzeigt, ob sich alles im Lot befindet oder in die eine oder andere Richtung ein Über- oder Untergewicht, ein Zuviel oder Zuwenig offenbart.

Wenn zwei Waagschalen im Gleichgewicht, in Harmonie (griech.: Zusammen-klang), dynamisch und ausgewogen und auf die Mitte hin ausgerichtet pendeln, eröffnet sich der Gesundheit spendende Lebensraum der Balance. Dieses Gleichgewicht nennt der Engländer equilibrium und der Franzose équilibre, von lat.: aequus = gleich und libra = die Waage.

Es ist der Bereich, wo sich die pseudo-informative Datenfülle zu gesichertem Wissen verwandelt, wo Weisheit ihren Wohnort hat. Philosophie (griech.: die Liebe zur Weisheit) ist keine primär denkerische Tätigkeit, sondern das ständige Bemühen um das Sichtbarmachen elementarster Lebenserkenntnis.

Weisheit tendiert weder zum Diesseits noch zum Jenseits, sondern ist das balancierende Verbindungsglied zweier Welten, die es stets im Hier & Jetzt zu erfahren gilt.

Die Chinesen haben die zwei polaren Kräfte, die durch ihr Wechselspiel und ihre Interaktion das gesamte Universum entstehen lassen, mit Yin und Yang bezeichnet. Heute verstehen wir darunter das weibliche und das männliche Prinzip. Ursprünglich deutete Yin auf den nördlichen, von der Sonne abgewandten Hang eines Berges und wurde mit kaltem und trübem Wetter und mit wolkenbedecktem Himmel assoziiert. Yang galt als der Sonne zugewandter Hang und wurde mit Helligkeit und Wärme verbunden.

Wenn Yin & Yang in Balance sind, können wir von Gesundheit und Ordnung sprechen, die wir in der harmonikalen Struktur des Universums ständig beobachten können. Das Universum (von lat.: univertere = sich in eine Richtung wenden) zeichnet sich durch eine unaufhörliche dynamische Balance aus, die auf Gleichgewicht und Harmonie ausgerichtet ist. Ein universeller Mensch hat das, was viele Universitäten kaum noch vermitteln, eine All-gemein-Bildung; das heißt er ist mit dem All, mit dem Universum gemeinsam auf einer Linie.

Das Kapitel 2 von Lao Tse’s Tao Te King macht deutlich, wie Polaritäten einander ergänzen und im Ergebnis die Balance unseres Kosmos hervorbringen:

Sein und Nichtsein erzeugen einander.
Schwierig und leicht ergänzen einander.
Lang und kurz spiegeln einander.
Hoch und niedrig umarmen einander.
Vergangenes und Zukünftiges folgen einander.
Und die reifen Menschen:
Sie behaupten ihre Stellung ohne Mühe,
Verwirklichen ihre Lehre ohne Worte,
Sie sind ein Teil von allen Dingen und beherrschen keines.
Sie erzeugen, aber besitzen nicht;
Sie handeln ohne Erwartung;
Sie vollbringen ohne Anspruch auf Verdienst.

Die Balance muss ein dauerhafter Verbindungsakt zwischen Mensch und Kosmos, Erde und Himmel, Mann und Frau bleiben, um das Leben all-gemein zu erfahren.

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Der Religionsphilosoph Roland R. Ropers ist Autor und Herausgeber etlicher Bücher:

Was unsere Welt im Innersten zusammenhält: Hans-Peter Dürr im Gespräch mit bedeutenden Vordenkern, Philosophen und Wissenschaftlern von Roland R. Ropers und Thomas Arzt; 2012 im Scorpio Verlag

Eine Welt – Eine Menschheit – Eine Religion von Bede Griffiths und Roland R. Ropers

Gott, Mensch und Welt. Die Drei-Einheit der Wirklichkeit von Raimon Panikkar und Roland R. Ropers

Die Hochzeit von Ost und West: Hoffnung für die Menschheit von Bede Griffiths und Roland R. Ropers

Geburtsstunde des neuen Menschen. Hugo Makibi Enomiya-Lassalle zum 100. Geburtstag herausgegeben von Roland R. Ropers

 



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