Das Ende der Dekadenz

Das wichtigste Wirtschaftsmagazin der Welt, der "Economist", sah bereits Ende April die Vor-Corona-Überhitzung der Weltwirtschaft gebrochen. Die Globalisierung sei entschleunigt. Was wir abgeworfen haben, so Prof. Michael Lehofer, ärztlicher Direktor und medizinischer Leiter der Grazer Krankenhäuser, ist die Dekadenz.
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Wie geht es nach Corona-Zeiten weiter?Foto: iStock
Von 15. Juli 2020

Das wichtigste Wirtschaftsmagazin der Welt, der „Economist“, sah bereits Ende April die Vor-Corona-Überhitzung der Weltwirtschaft gebrochen. Die 90-Prozent-Ökonomie habe gesiegt, die Globalisierung sei entschleunigt. „Das ist nicht das Ende des Wachstums, nur das Ende des toten Wachstums, des veralteten Wachstums. Was wir abgeworfen haben“, so Prof. Michael Lehofer, ärztlicher Direktor und medizinischer Leiter der Grazer Krankenhäuser, „ist die Dekadenz. Wir sind noch mitten darin“.

Auf eine stille Art führt Corona sanft zur Enttarnung alter Befindlichkeiten. Die Krise ist die Zeit, in der die Masken fallen – und die deutsche Schutzmaskenproduktion wieder anläuft im Land. Taiwan nennt es: „Die Angst vor China ein für alle Mal abschütteln“, Deutschland allerdings hadert noch etwas.

Deutschland ging im März in die Auszeit, den Lockdown, der das Hamsterrad anhielt und das Leben neu sortierte. Alle Krisen aufeinandergetürmt: Wirtschaft, ewige Geldvermehrung, Medien, Migration, Politik, Wohnungsmarkt, Umwelt, Bildung – wir haben den Jackpot geknackt.

Plötzlich gibt es neue Vorbilder

Ein Land in ganz unmittelbarer Nähe des Verursachers der Pandemie hat weiterhin eine gelassen funktionierende Wirtschaft: Taiwan. Zwar ging hier ebenfalls die Wirtschaftsleistung zurück, doch erheblich weniger krass als im Rest der Welt. Es ist freundlich, buddhistisch, es ist taoistisch, viele Menschen folgen Konfuzius. Es spricht Chinesisch – allerdings nicht das Rote Chinesisch von Festlandchina.

Taiwan wurde, vermutlich ebenso wie der BND, durch die Enthüllungen des Arztes Li Wenling hellhörig und setzte bereits am 31. Dezember seinen Seuchenschutzplan in Gang. Deutschlands „Risikoanalyse Pandemie“ von 2012, die frappierende Ähnlichkeiten mit dem jetzigen Virus aufweist, verstaubte da noch tief in der Schublade.

Nur 180 Kilometer liegen zwischen der Insel Taiwan und dem chinesischen Festland. Von den rund 24 Millionen Menschen auf der Insel, die etwa so groß ist wie Baden-Württemberg, pendeln nahezu eine halbe Million zum Arbeiten nach China. Binnen kürzester Zeit galt Taiwan als Höchst-Risiko-Region.

Die eingesperrte Welt

Taiwan schlug als erstes Land der Welt Alarm. Es informierte die WHO über das Virus – und wurde ignoriert. Der kleine Tigerstaat zögerte nicht, allein aus dem Welt-Käfig auszubrechen und handelte auf eigene Faust. Es orientierte sich an seinen Erfahrungen aus der SARS-Epidemie von 2003. Während weltweit die Anzahl der Erkrankten explodierte, schaffte es Taiwan sich abzugrenzen, die Zahl der Infizierten liegt seit Januar unter 450, es gab 7 Tote (Daten vom 18.6.).

Das Krisenmanagement Taiwans wird von der internationalen Gesellschaft ausgeblendet – auf erbarmungslosen Druck der KP Chinas. Peking sieht das Land bis heute als seine eigene abtrünnige Provinz an (obwohl es nie zu China gehörte), nur 15 Länder wagen es, diplomatische Beziehungen mit Taiwan zu pflegen. Deutschland ist nicht darunter.

Die Taiwaner sprachen sich in der Präsidentschaftswahl im Januar 2020 für Tsai Ing-wen und Demokratie aus. Während einer ihrer Vorgänger in einem offiziellen TV-Werbespot erklärte, dass die Regierung daran arbeite, die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen, es allerdings „zu kompliziert“ sei, um es der Öffentlichkeit zu erklären, setzt die Präsidentin auf Offenheit. Bürgernahe Regelungen zeichnen ihr Modell gegen die Pandemie aus – demokratisch und effizient – vor allem vorsichtig und wachsam gegenüber der KP Chinas. Knapp gesagt: Für Risikogruppen gibt es Quarantäne, klare Hygieneansagen für alle, die Wirtschaft läuft weiter.

Krisen lassen reifen

Jede Krise sprengt Krusten, bringt den inneren Reifeprozess in Gang und führt zu Ent-Täuschung. Viele Branchen, nicht nur der Massentourismus oder der Leistungssport, befanden sich in Exzessen, die mittels Corona zum Stillstand kamen. Solange allerdings einige Spieler auf dem Spielfeld noch einen Vorteil bekommen, dauern die Spiele laut den Gesetzen der Spieltheorie an.

Besonders stark vom unfreiwilligen Fall aus dem Hamsterrad betroffen sind die 99,3 Prozent kleinen und mittleren Unternehmen, die in Deutschland 61 Prozent aller Beschäftigten Lohn und Brot geben und für 47 Prozent der Bruttowertschöpfung sorgen. Die meisten werden überlegen: Will ich das tun, was ich tue? Die Welt nach Corona – oder besser mit Corona – wird neue wirtschaftliche Fähigkeiten mit sich bringen.

Die Pleitewelle käme verzögert, meint das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle, nachdem die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrages mit dem COVID-19-Insolvenz-Aussetzungsgesetz bis zum 30. September 2020 ausgesetzt wurde. Jeder vierte Selbstständige wird wohl aufgeben müssen, ergab eine Umfrage unter 16.000 Solo-Selbstständigen durch das ZEW-Leibniz-Zentrum Mannheim.

Fraglich bleibt, ob EU-Gelder in Höhe von 3 Billionen Euro oder 750 Milliarden, wie Deutschland plant, einerseits als alleiniges Mittel ausreichen, um die Wirtschaft zu retten – und andererseits überhaupt das richtige Pflaster sind.



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