DESIDERIUM – Sehnsucht nach kosmischem Erfülltsein

Von 12. August 2013

Die Etymosophie-Kolumne von Roland R. Ropers erscheint wöchentlich exklusiv in der EPOCH TIMES Deutschland.

In der St. Paul’s Church in Baltimore/Maryland/USA hat man das wunderschöne Gedicht „Desiderata“ gefunden, welches seit vielen Jahren in aller Munde ist. Das lat. Verb „desiderare“, engl.: „to desiderate“ wird in der Regel mit sehnsüchtig erwarten übersetzt. Aber von wem wird etwas erwartet? Von dem kosmischen Sternenzelt – lat.: „sidereus“. Das sehnsüchtige Erwarten, engl.: „longing to be“, verwandelt sich in „belonging“, der Verbundenheit mit allem, der kosmischen Zugehörigkeit.

Desiderata

Gehe gelassen inmitten von Lärm und Hast
und denke an den Frieden der Stille.
So weit als möglich, ohne dich aufzugeben,
sei auf gutem Fuß mit jedermann.
Sprich deine Wahrheit ruhig und klar aus,
und höre Andere an,
auch wenn sie langweilig und unwissend sind,
denn auch sie haben an ihrem Schicksal zu tragen.
Meide die Lauten und Streitsüchtigen.
Sie verwirren den Geist.
Vergleichst du dich mit anderen,
kannst du hochmütig oder verbittert werden,
denn immer wird es Menschen geben,
die bedeutender oder schwächer sind als du.
Erfreue dich am Erreichten und an deinen Plänen.
Bemühe dich um deinen eigenen Werdegang,
wie bescheiden er auch sein mag;
er ist ein fester Besitz im Wandel der Zeit.
Sei vorsichtig bei deinen Geschäften,
denn die Welt ist voller Betrügerei.
Aber lass deswegen das Gute nicht aus den Augen,
denn Tugend ist auch vorhanden:
Viele streben nach Idealen,
und Helden gibt es überall im Leben.
Sei du selbst.
Täusche vor allem keine falschen Gefühle vor.
Sei auch nicht zynisch, wenn es um Liebe geht,
denn trotz aller Öde und Enttäuschung
verdorrt sie nicht,
sondern wächst weiter wie Gras.
Höre freundlich auf den Ratschlag des Alters,
und verzichte mit Anmut auf die Dinge der Jugend.
Stärke die Kräfte deines Geistes,
um dich bei plötzlichem Unglück dadurch zu schützen.
Quäle dich nicht mit Wahnbildern.
Viele Ängste kommen aus Erschöpfung und Einsamkeit.
Bei aller angemessenen Disziplin,
sei freundlich zu dir selbst.
Genau wie die Bäume und Sterne,
so bist auch du ein Kind des Universums.
Du hast ein Recht auf deine Existenz.
Und ob du es verstehst oder nicht,
entfaltet sich die Welt so wie sie soll.
Bleibe also in Frieden mit Gott,
was immer er für dich bedeutet,
und was immer deine Sehnsüchte und Mühen
in der lärmenden Verworrenheit des Lebens seien –
bewahre den Frieden in deiner Seele.
Bei allen Täuschungen, Plackereien
und zerronnenen Träumen
ist es dennoch eine schöne Welt.
Sei frohgemut.
Strebe danach glücklich zu sein.

Unser Lebens-Weg fängt mit der Entdeckung an, dass wir im tiefsten Inneren alle zusammengehören. Man kann es als das All-Einssein oder als kosmische Zugehörigkeit bezeichnen. Als wir Kind waren, besaßen wir noch dieses sehr lebendige Gefühl. Als Erwachsene erleben wir es noch manchmal in der Natur oder im Zusammensein mit anderen Menschen. Heimat ist dort, von wo aus wir beginnen und stets sein werden. T.S. Eliot sagt: „Das Ende all unserer Erforschungen wird darin bestehen, dort anzukommen, wo wir gestartet sind und diesen Ort zum ersten Mal erkennen.“ So ist die Endstation des Weges die Rückkehr nach Hause. Diese Sehnsucht nach Zugehörigkeit, dieses Heimatgefühl des Herzens ist der Weg innerhalb jedes Weges. In allen Traditionen führt der innere Weg an dasselbe Ziel. Aber manchmal kann uns der äußere Weg vom inneren Weg ablenken.

Im 44. Kapitel des „Tao Te King“ von Lao Tse lesen wir:

„Name oder Sein,
was bedeutet mehr?
Sein oder Haben,
was ist wertvoller?
Gewinn oder Verlust,
was ist schlimmer?
Darum:
Wer übertrieben spart,
muss Opfer bringen.
Wer Reichtümer anhäuft,
wird große Verluste erleiden.
Ein genügsamer Mensch
bleibt ohne Schande.
Wer weiß,
wann er innehalten muss,
gerät nicht in Gefahr
und geht nicht unter.“

{R:2}

Der Religionsphilosoph Roland R. Ropers ist Autor und Herausgeber etlicher Bücher:

Was unsere Welt im Innersten zusammenhält: Hans-Peter Dürr im Gespräch mit bedeutenden Vordenkern, Philosophen und Wissenschaftlern von Roland R. Ropers und Thomas Arzt; 2012 im Scorpio Verlag

Eine Welt – Eine Menschheit – Eine Religion von Bede Griffiths und Roland R. Ropers

Gott, Mensch und Welt. Die Drei-Einheit der Wirklichkeit von Raimon Panikkar und Roland R. Ropers

Die Hochzeit von Ost und West: Hoffnung für die Menschheit von Bede Griffiths und Roland R. Ropers

Geburtsstunde des neuen Menschen. Hugo Makibi Enomiya-Lassalle zum 100. Geburtstag von Roland R. Ropers

Roland Ropers erreichen Sie mit: [email protected]



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