Wie man sich gegen Mobbing zur Wehr setzt, wenn der Traumjob zur Hölle wird

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Eine Bulldogge, Maskottchen der "Mississippi State Bulldogs", USA. Bullying bedeutet schikanieren, drangsalieren, mobben, ein internationales Problem.Foto: Kevin C. Cox/Getty Images
Von 31. März 2015

Der Medienpsychologe Dr. Michael Gestmann führte ein Interview zu dem Thema Mobbing im Beruf. Er sprach darüber mit Dr. Sandra Maxeiner und Dipl.-Psychologin Hedda Rühle, unseren Lesern als kompetente Autorinnen zu psychologischen Fragen bekannt.

Frau Dr. Maxeiner, Mobbing gehört zum Alltag in Unternehmen. Wie drückt sich das aus?

Sandra Maxeiner: Von Mobbing spricht man, wenn Mitarbeiter von Führungskräften und Kollegen angefeindet, schikaniert oder diskriminiert werden. Sie werden gemieden und beleidigt oder Gespräche verstummen, sobald sie den Raum betreten. Ihre Aussagen werden falsch wiedergegeben, Gerüchte über sie verbreitet, Unterlagen verschwinden, Informationen werden zurückgehalten oder ihre Arbeitsleistungen ungerechtfertigt kritisiert. In einigen Fällen werden auch Drohungen ausgesprochen und mitunter kommt es sogar zu sexueller Belästigung oder körperlicher Gewalt. Wenn diese Handlungen regelmäßig und systematisch mindestens einmal wöchentlich über einen Zeitraum von einem halben Jahr stattfinden, wird dies arbeitsrechtlich als Mobbing definiert.

Wie verbreitet ist Mobbing?

Hedda Rühle: Treffen kann es jeden. Experten gehen davon aus, dass rund 1,5 Millionen Berufstätige in Deutschland gemobbt werden, etwa zwei Drittel davon sind Frauen.

Welche Folgen hat das Mobbing? 

Sandra Maxeiner: Die Mobbing-Opfer leiden unter massiven psychischen Problemen und körperlichen Reaktionen, die sowohl ihre Leistungsfähigkeit als auch ihr Wohlbefinden erheblich beeinträchtigen. Viele leben in ständiger Angst, sind gereizt, misstrauisch, aggressiv oder depressiv. Auch Spannungen im Privatleben, in der Familie oder im Freundeskreis bleiben nicht aus. Manche Betroffene weisen sogar Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung auf. Auch Schlafstörungen, Kopf- und Rückenschmerzen sowie Magen- und Darmerkrankungen kommen häufig vor.

Von wem geht das Mobbing aus?

Sandra Maxeiner: Forscher der Freien Universität Berlin haben ermittelt, dass an etwa der Hälfte der Mobbingfälle die Vorgesetzten der Betroffenen beteiligt sind. Nach Informationen der Gründerin und Leiterin der Mobbing-Zentrale (www.mobbing-zentrale.de), Margit Ricarda Rolf, sind sogar 70 Prozent der Fälle Bossing, also Mobbing, das vom Vorgesetzten ausgeht. Häufig wird Bossing sogar vorsätzlich eingesetzt, um Personal abzubauen, Abfindungen zu sparen und Betriebsräte abzuschaffen.

[–Wie können Unternehmen Mobbing vorbeugen?–]

Wie können Unternehmen Mobbing vorbeugen?

Hedda Rühle: Das beste Mittel gegen Mobbing ist ein Betriebsklima, das von gegenseitiger Wertschätzung und kollegialer Unterstützung geprägt ist, ein Klima, in dem die Leistung des Teams geschätzt und anerkannt wird und wo es nicht um die Leistung von Einzelkämpfern geht. Kurz: Ein Betriebsklima, in dem Intrigen, Schuldzuweisungen oder „Rufmord“ nicht vorkommen, weil sie als unerwünscht und unsozial gelten. Allerdings muss man sagen, dass dies wohl eher eine Wunschvorstellung statt Realität ist.

Was empfehlen Sie Führungskräften?

Sandra Maxeiner: Vorgesetzte sollten offen und direkt mit ihren Mitarbeitern kommunizieren und beobachten, wie die Angestellten miteinander umgehen. Sie sollten hinsehen, sich mit offenen Augen um das Thema „Mobbing“ kümmern und im Rahmen ihrer Fürsorgepflicht eingreifen.

Reicht das bereits?

Hedda Rühle: Nein, alle Probleme lassen sich so nicht sofort lösen. Doch es geht darum, dass die Vorgesetzten erkennen, dass sie für ihre Mitarbeiter ansprechbar sein müssen und durch ihr eigenes Verhalten ein gutes Beispiel für ein vertrauensvolles, konstruktives Miteinander bieten sollten. Nicht nur die betroffenen Mitarbeiter profitieren übrigens davon, wenn ein Unternehmen aktiv gegen Mobbing vorgeht, sondern auch die Chefs, die sich dafür einsetzen, denn schließlich arbeiten zufriedene Mitarbeiter eindeutig besser als frustrierte und gar gemobbte.

Was sollen Beschäftigte tun, die Opfer von Mobbing werden?

Sandra Maxeiner: Mobbing-Opfern rate ich, sich frühzeitig Beratung und Unterstützung zu sichern, etwa von einer Mobbingberatungsstelle oder vom Betriebs- bzw. Personalrat. Gemeinsam kann eine individuelle Strategie erarbeitet werden, um das Mobbing zu stoppen. Zu empfehlen ist auch, sämtliche Mobbinghandlungen zu dokumentieren. Das ist nicht nur entlastend für den Betroffenen selbst, sondern auch wichtig für Gespräche mit Vorgesetzten, aber ebenso für eine mögliche gerichtliche Auseinandersetzung. Erst danach sollte das Gespräch mit den Kollegen gesucht werden, von denen die Mobbing-Attacken ausgehen.

[–Was ist in diesen Gesprächen zu beachten?–]

Was ist in diesen Gesprächen zu beachten?

Hedda Rühle: Gut ist es, wenn es gelingt, Wertungen und verbale Angriffe zu vermeiden. Man sollte möglichst sachlich bleiben und genau beobachten, wie die angesprochenen Kollegen reagieren. Entsteht beim Opfer das Gefühl, dass die Mobber uneinsichtig sind, sollte der Chef mit einbezogen werden. Dem Chef ist anhand von Beispielen darzustellen, wie das Mobbing erfolgt. Außerdem sollte ihm mitgeteilt werden, dass ein Gespräch mit den Kollegen ergebnislos verlaufen ist.

Ist es immer ratsam, den Chef mit einzubeziehen?

Sandra Maxeiner: Nein, nicht immer. Forscher der Freien Universität Berlin haben in einer Befragung mit über 4.000 Arbeitnehmern herausgefunden, dass sich Mobbingfälle nur dann häuften, wenn Mitarbeiter mit ihrem Chef unzufrieden waren und er selbst der Grund für das Mobbing war. Dann ist von seiner Seite keine Hilfe zu erwarten. In bestimmten Fällen kann es daher notwendig sein, arbeitsrechtliche Schritte einzuleiten. 

Angenommen, der Vorgesetzte gehört selbst zu den Mobbern. Was raten Sie dann?

Hedda Rühle: Wenn der mobbende Vorgesetzte aus dem mittleren Management kommt, kann dessen Boss mit einbezogen werden. Bringt das nichts, bleibt nur die Kündigung oder der Gang zum Fachanwalt für Arbeitsrecht, um Schadenersatz und Schmerzensgeld einzuklagen.

Wie sinnvoll ist es, einen Anwalt einzuschalten?

Sandra Maxeiner: Selbstverständlich können Mobbing-Handlungen rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen, sofern das Mobbing-Opfer bereit ist, sich zu wehren. Insofern lohnt sich immer, einen Fachanwalt für Arbeitsrecht zu Rate zu ziehen. Mobbing-Opfer können dabei sowohl gegen das Unternehmen als auch gegen die handelnden Personen vorgehen. Allerdings gibt es bislang keine Urteile, mit denen Täter zu hohen Schadenersatzzahlungen verurteilt wurden. Denn bei Summen, bei denen es um bis zu 500.000 EUR gehen kann, sind die Beklagten meist daran interessiert, einen Vergleich zu erzielen – auch damit es keine Grundsatzurteile in diesem Bereich gibt, durch die womöglich eine Klagewelle losgetreten wird.

Wer ist in der Beweispflicht, wenn es vor Gericht geht?

Sandra Maxeiner: Es kommt ganz darauf an, ob es sich um ein zivilrechtliches und/oder arbeitsgerichtliches Verfahren handelt oder gar um ein strafrechtliches Verfahren geht. In einem zivilrechtlichen/arbeitsgerichtlichen Verfahren gilt der Grundsatz, dass der, der etwas verlangt, auch die so genannten Anspruchsvorrausetzungen beweisen muss. In der Regel trifft die Beweislast daher das Mobbing-Opfer. Allerdings hat der Kläger grundsätzlich auch das Recht auf eine richterliche – persönliche – Anhörung, deren Bekundungen der zuständige Richter auch entsprechend würdigen muss. Ist der Vortrag glaubwürdig, und erwidert die gegnerische Partei nicht entsprechend überzeugend, wäre damit der Beweis erbracht.

Und wie verhält es sich in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren?

Hedda Rühle: Da kommt es darauf an, ob aufgrund der objektiv geschilderten Tatumstände der Richter mit hinreichender Gewissheit von einer entsprechenden Tatausführung überzeugt ist. Zentral ist daher vor allem, wie glaubwürdig die Schilderungen des Mobbing-Opfers sind.

In Rechtsforen liest man immer wieder, dass Mobbing-Opfer alles genau protokollieren sollten. Was raten Sie?

Sandra Maxeiner:  Ja, die Protokollierung der Mobbing-Attacken sollten detailliert und umfassend sein. Dazu sind alle Vorfälle mit Geschehen, Datum, Uhrzeit und Täternamen schriftlich zu dokumentieren. Ein besonders gebundenes Tagebuch, in dem ein nachträglicher Austausch von Seiten nicht möglich ist, eignet sich vor Gericht.

Dr. Sandra Maxeiner ist promovierte Politik- und Sozialwissenschaftlerin und absolvierte Ausbildungen zur Heilpraktikerin für Psychotherapie sowie zum Coach. Sie ist zudem als ehrenamtliche Hospizhelferin tätig. Mit der Diplom-Psychologin Hedda Rühle hat sie die Nachschlagewerke „Dr. Psych’s Psychopathologie, Klinische Psychologie und Psychotherapie“, Band 1 und Band 2 herausgegeben, erschienen im Jerry Media Verlag.

Mehr Infos finden Sie unter: www.dr-psych.com oder auf der Facebook-Seite Dr. Psych

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