Papst Franziskus – Brückenbauer ohne Angst

Titelbild
Papst Franzikus am 21. Juni in Cosenza, Calabrien, dem Herzland der Mafia.Foto: Franco Origlia/Getty Images
Von 28. Juni 2014

In den Medien wird ständig die Sorge um das Leben des seit März 2013 amtierenden Papst Franziskus verbreitet, der sich nahezu ungeschützt unter Menschen wagt, die er gern liebevoll berühren möchte. Als ich ihm im Herbst 1985 in Frankfurt zum ersten Mal begegnete, war ich von seiner außergewöhnlichen Herzlichkeit beeindruckt und hatte fest geplant, ihn in Argentinien zu besuchen.

Leider wurde aus meinem Vorhaben nichts, aber seither habe ich die Lebensverhältnisse in Südamerika sehr intensiv bis zum heutigen Tag verfolgt. Um einen Menschen, der nur Liebe verströmt, muss sich niemand ängstigen, da die bedingungslose Liebe genau der Gegenpol zur Angst ist.

Jorge Mario Bergoglio wurde am 17. Dezember 1936 in Flores, einem Vorort von Buenos Aires, geboren und wuchs mit fünf Geschwistern auf. Sein Vater, Einwanderer aus dem italienischen Piemont, war Buchhalter bei der Eisenbahngesellschaft von Argentinien. Seine Mutter, Regina Sivori, war ebenfalls Italienerin. Bereits mit 22 Jahren hatte Jorge ein Chemiestudium mit Diplom absolviert, danach trat er in den Jesuitenorden ein.

In Chile studierte er Geisteswissenschaften, in San Miguel/Argentinien Philosophie. Von 1964-1965 war er Gymnasialprofessor für Literatur und Psychologie in Santa Fé, ein weiteres Jahr in gleicher Funktion in Buenos Aires. Von 1967-1970 Studium der Theologie mit Diplomabschluss. Nach der Priesterweihe ging er 1972 für ein Jahr nach Alcalá de Henares nach Spanien und wurde 1973 Theologieprofessor in seinem Heimatland.

Die Seelsorge liegt ihm mehr am Herzen als Ämter und Titel

Im Alter von nur 37 Jahren wurde ihm die Leitung seines Ordens in Argentinien übertragen. Er war von 1980 – 1986 Rektor der Theologischen Fakultät der Universität von San Salvador, zwischenzeitlich kam er 1985 für einige Monate nach Deutschland, um an einer Dissertation über Romano Guardini zu arbeiten.

Die Seelsorge lag ihm mehr am Herzen als Ämter und Titel. Aufgrund seiner überragenden Fähigkeiten rückte er in der Kirchenhierarchie immer höher und wurde schließlich im Februar 2001 Kardinal und Primas von Argentinien, zugleich Großkanzler der katholischen Universität von Argentinien.

Stets wohnte er sehr bescheiden in einer kleinen Wohnung unweit der Kathedrale. Auf einen Chauffeur verzichtet er, er benutze Busse und die U-Bahn wie alle gewöhnlichen Mitbürger auch, denen er auf Augenhöhe begegnen wollte.

Diverses, was über Jorge Bergoglio im Internet (u.a. WIKIPEDIA) aus der Zeit der Diktatur in Argentinien zu lesen ist, entspricht nicht der Wahrheit. Sensations-Journalisten benutzen leider manchmal gern auch völlig ungesicherte Quellen.

Seit März 2013 ist Kardinal Bergoglio, seit jeher argentinischer und italienischer Staatsbürger, der erste Papst in der Geschichte, der den Namen Franziskus angenommen hat. Obwohl er durch ein schweres Lungenleiden seit seiner Jugend geschwächt ist, bewältigt er im 78. Lebensjahr ein gewaltiges Pensum, von dem die Öffentlichkeit nur Bruchteile erfährt.

[–Gelebte Glaubwürdigkeit und Ende der dubiosen Machenschaften der Vatikan-Bank–]

Er hat den Kurs und das Angesicht der römisch-katholischen Kirche in nur 15 Monaten so verändert, dass die Glaubwürdigkeit eines Botschafters Jesu Christi authentisch wiederhergestellt werden konnte, gegen den Widerstand in den engsten Kreisen, die ihren pompösen Luxus zu verteidigen versuchten.

Aufgeräumt hat Papst Franziskus mit dem Amtsverständnis seines Vorgängers Papst Benedikt XVI., der als Glaubensdiktator Jahrzehnte lang die Befreiungstheologie in Süd-Amerika verboten und diverse hochrangige Persönlichkeiten zum Schweigen und zur Aufgabe ihrer Tätigkeiten gezwungen hatte.

Der Oberbayer Joseph Ratzinger hatte die Herzen der Menschen nie erreicht. Seine Angst war immer erkennbar; Liebe war für ihn ein intellektuelles Konstrukt. Wer Angst hat und Terror verbreitet, benötigt Waffen – welcher Art auch immer. Damit wird unsere Welt immer noch regiert und von wenigen Mächtigen beherrscht.

Papst Franziskus ist ein lebendiges, weltweit leuchtendes Symbol für die Liebe, die unsere Welt dringend nötig hat. Er spricht mit Verbrechern sehr versöhnlich, macht aber auch seinen Standpunkt unmissverständlich deutlich. Das ist die unbeschreibliche Größe eines Franziskus des 21. Jahrhunderts.

Verdunklungsstrategien und Ströme von Schmiergeldern in der Vatikanbank IOR

Was nie einer vor ihm gewagt hatte, hat er mutig und angstfrei angepackt. Die Vatikan-Bank IOR (Institut für die Werke der Religion) hat Papst Franziskus von Experten auf den Kopf stellen lassen. Geldwäsche von kriminellen Organisationen ist nicht mehr möglich; auch die Konten von Angehörigen aus den eigenen Reihen (Kardinäle, Bischöfe, Prälaten etc.) wurden auf dubiose Geldbewegungen hin genau untersucht.

„VATIKAN AG“ entlarvt kriminell betriebenes Finanzsystem

Als unter der Regentschaft von Papst Benedikt XVI. im Mai 2009 in Italien das Buch „VATICANO S.p.A.“ (spätere deutsche Ausgabe: „VATIKAN AG“) erschien, versuchte man weiterhin, den Vertuschungskurs fortzusetzen. Der bewundernswert mutige Autor Gianluigi Nuzzi hatte Zugang zu Tausenden von bisher unveröffentlichten Dokumenten des Heiligen Stuhls, die Licht in die Jahrzehnte langen Verdunklungsstrategien bringen sollten, und die Ströme von Schmiergeldern offenlegen, die durch die Vatikanbank geschleust wurden. Es ist der unverhüllte Blick hinter die Kulissen eines kriminell betriebenen Finanzsystems der Heiligen Römischen Katholischen Kirche.

[–Es baumelte ein korpulenter kleiner Mann über der Themse–]

Ich selbst erinnere mich noch sehr gut an den Morgen des 18. Juni 1982 in London, wo ich damals nahezu wöchentlich war. Von der Blackfriars Bridge ("Brücke der schwarzen Mönche") herab baumelte ein korpulenter, kleiner Mann in eleganter Kleidung über der Themse. Um seinen Hals hing ein rötliches Seil. Die Polizei fand Ziegelsteine, Tausende Dollar und einen gefälschten Pass in den Taschen des Toten.

Der italienische Konsul identifizierte ihn als Roberto Calvi, auch als der "Bankier Gottes" bekannt. Der Präsident des Mailänder Geldinstituts Banco Ambrosiano alias die "Bank der Priester" hatte Selbstmord begangen – befanden die Polizei in London und die Justiz in Mailand.

Die Hochfinanz, die Politik und die Mafi, die Geheimdienste und der Vatikan

Doch nun urteilte ein Schwurgericht in Rom: Roberto Calvi wurde ermordet. Zugleich sprachen die Richter fünf Verdächtige aus Mangel an Beweisen frei. Eines der großen Rätsel Italiens bleibt vorerst ungelöst. Calvis Fall verbindet bis heute viele Mächte und Mysterien des Landes: die Hochfinanz, die Politik und die Mafia, die Geheimdienste, den geheimen Freimaurer-Verband "Loge Propaganda " und den Vatikan.

Sie alle pflegten Kontakte zum Chef des Banco Ambrosiano, sie profitierten von ihm, und er profitierte von ihnen. Den Staatsanwälten zufolge soll Calvi Abermillionen der Cosa Nostra über sein Geldinstitut gewaschen haben.

Mit der Vatikanbank IOR und deren damaligem Leiter, dem zwielichtigen amerikanischen Erzbischof Paul Casimir Marcinkus (1922 – 2006), betrieb er waghalsige Geschäfte in Italien und Lateinamerika.

„Wenn ich singe, stürzt der Vatikan ein“

„Wenn ich singe, stürzt der Vatikan ein", soll er vor seinem Tod gesagt haben. Politiker schmierte er kräftig, und die Mitgliedschaft in der Geheimloge bewirkte, dass seine eigenen Geschäfte lange wie geschmiert liefen. Dem Banco Ambrosiano kam das alles nicht zugute. Es ging kurz nach Calvis Tod in Konkurs. Es war die größte Bankenpleite der italienischen Geschichte.

Offensichtlich hatte der „Bankier Gottes" Unsummen für eigene Zwecke abgezweigt. Als er 1982 in London abtauchte, stand ihm das Wasser längst bis zum Hals. Der Selbstmord an der Themse erschien da folgerichtig. Doch die Zweifel wollten nicht weichen.

Der Banker wurde erdrosselt und ein Selbstmord fingiert

1998 wurde Calvis Leiche exhumiert. Die Gerichtsmediziner befanden: Der Banker wurde erdrosselt und danach ein Selbstmord fingiert. Überläufer der Cosa Nostra sagten aus, die Mafia habe sich an Calvi gerächt, weil er ihr Geld schlecht und treulos verwaltet habe. Zudem habe der Mann einfach zu viel über die Machenschaften der Mächtigen gewusst.

Ende der 1980er-Jahre schien mit dem Crash der Ambrosiano-Bank, der rätselhaften Ermordung Roberto Calvis und Michele Sindonas und dem Rückzug von Erzbischof Marcinkus aus der Leitung des IOR der Schlussstrich unter ein unrühmliches Kapitel der Vatikanbank gezogen. Marcinkus, ein enger Vertrauter von Papst Johannes Paul II., musste auf Druck der Regierung Italien verlassen und ging nach Sun City/Arizona, wo er den Rest seines Lebens mit Golfspielen verbrachte.

Niemand gab zu, das Buch gekauft zu haben

Man glaubte und hoffte, in der Finanzwelt des Vatikans sei wieder Ruhe und Ordnung eingekehrt. Das Buch "VATICANO S.p.A." erschien für die Kirchenhierarchie wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Von den italienischen Medien wurde es bewusst monatelang totgeschwiegen und dennoch wurden innerhalb von 6 Monaten 11 Auflagen gedruckt.

Im Apostolischen Palast wurde über das brisante Buch gesprochen, aber niemand gab es zu, es gekauft zu haben. Die Kardinäle schickten ihre Pförtner in die Buchhandlungen, und viele trugen das Buch bei ihrer Rückkehr in den Vatikan in unauffälligen weißen Plastiktüten.

Nur eins von vielen Beispielen: unter dem Vorwand der Wohltätigkeit wurde im Steuerparadies der British Virgin Islands die "St. Francis of Assisi Foundation" gegründet, über die Milliardenbeträge ihren Weg in undurchsichtige Kanäle machten.

Die Kirche lebt von Reichtum und Glanz, viele ihrer Gläubigen in kaum zu beschreibender Armut. Der ehemalige Papst Benedikt XVI. führte einen erkennbar aufwendigen und luxuriösen Lebensstil – Jesus würde das Kombinationsmodell aus abstrakt-metaphysischer Theologie und einem raffinierten, kriminell betriebenen Finanzsystem als Missbrauch seiner Frohen Botschaft aufs Schärfste verurteilen und die Kirchenfürsten fristlos entlassen.

Das Erfolgsmodell des Jorge Bergoglio heißt Liebe & Freude am Leben

Der bayerische Papst, der vor lauter Angst im Februar 2013 den Stuhl Petri nach reiflicher Überlegung verließ, lebt immer noch in traumhafteren Verhältnissen als Papst Franziskus, der mit einer kleinen 2-Zimmer-Wohnung glücklich und zufrieden ist. Für seinen Vorgänger wurde in den Gärten des Vatikans ein wunderschönes im Jahr 1992 neu erbautes Kloster hergerichtet, darin wird er umhegt und umsorgt von Ordensschwestern und seinem langjährigen Privatsekretär Georg Gänswein.

Papst Franziskus genießt seine Mahlzeiten täglich in der Mensa des Hauses St. Martha mit ständig wechselnden Gästen.

Das Erfolgsmodell des Argentiniers Jorge Bergoglio heißt Liebe & Freude am Leben. Die Theologie herkömmlicher Art hat keine Zukunft. Die Botschaft Jesu Christi war zu keiner Zeit eine Wissenschaft, sondern eine Angelegenheit des Herzens.

Religionsphilosoph Roland R. RopersReligionsphilosoph Roland R. RopersFoto: Epoch Times

  

Der Religionsphilosoph Roland R. Ropers ist Autor und Herausgeber etlicher Bücher:

Was unsere Welt im Innersten zusammenhält: Hans-Peter Dürr im Gespräch mit bedeutenden Vordenkern, Philosophen und Wissenschaftlern von Roland R. Ropers und Thomas Arzt; 2012 im Scorpio Verlag

Eine Welt – Eine Menschheit – Eine Religion von Bede Griffiths und Roland R. Ropers

Gott, Mensch und Welt. Die Drei-Einheit der Wirklichkeit von Raimon Panikkar und Roland R. Ropers

Die Hochzeit von Ost und West: Hoffnung für die Menschheit von Bede Griffiths und Roland R. Ropers



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