Wie sich aus Angst Stärke und Freiheit entfalten

Es ist der erste Instinkt der Menschen, angsteinflößenden Situationen ausweichen zu wollen. "Die heutige Gesellschaft verlangt, dass alles sehr schnell gelöst werden soll, deshalb neigen Menschen dazu im Außen zu suchen", sagt Dr. Manly. Aber was wäre, wenn man die Stimme der Angst nutzen könnte, um daraus Freiheit zu gewinnen?
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Panik- und Angstanfälle - wie kommt man aus dem Teufelskreis?Foto: iStock
Von 10. September 2019

Angst ist ein unverkennbares Gefühl. Die Muskeln spannen sich an, das Herz schlägt schneller, der Atem wird unregelmäßiger und die Hände zittern. Das Empfinden von Angst dient in gewissen Situationen dem Selbstschutz und ist eine Warnung vor Gefahr. Zum Beispiel hält sie Menschen davon ab, sich ohne Vorsicht gefährlichen Tieren zu nähern oder mitten auf der Autobahn entlangzulaufen.

Andere Arten der Angst sind jedoch keine Warnung vor potenziellen Todesgefahren oder Verletzungen, sondern einschränkend: Wie die Angst vor Zurückweisung, Gesichtsverlust oder Furcht vor dem Unbekannten. Obwohl diese Ängste meist keiner Situation auf Leben und Tod entspringen, sind die körperlichen Symptome die selben. Diese Erscheinungsformen der Angst sind aber meist keine Hilfe, sondern sie machen das Leben schwer.

Psychiaterin Dr. Carla Marie Manly stuft solche Ängste als destruktiv ein:

Sehr viele Menschen fühlen sich ängstlich, depressiv, festgefahren und machtlos, die Situation zu verändern. Deshalb bleiben sie in schlimmen Beziehungen, Arbeitsplätzen, die nicht zu ihnen passen, und durchleben weiterhin Situationen aus ihrer Kindheit, in denen ihnen gesagt wurde, sie selbst seien nicht gut genug oder anormal“

Laut Dr. Manly ist einer der Gründe, warum Menschen diesen Kreislauf nicht durchbrechen können, dass sie nicht akzeptieren, dass es ihre eigene Angst ist, die sie in der Situation gefangen hält. Normalerweise wird versucht, Ängsten zu entkommen, anstatt sich ihnen zu stellen. Mit der eigenen Angst konfrontiert zu werden, sei meist das Letzte, was Menschen in festgefahrenen Situationen hören wollen.

„Die heutige Gesellschaft verlangt, dass alles sehr schnell gelöst werden soll, deshalb neigen Menschen dazu, im Außen zu suchen“, sagt Dr. Manly. Seien es Medikamente, Alkohol, Shopping oder gedankenloser Sex – all dies sieht sie als Maßnahmen, die Stimme der Angst zu übertönen. Aber was wäre, wenn man die Stimme der destruktiven Angst nutzen könnte, um daraus Freiheit zu gewinnen?

Dr. Manly zeigt in ihrem neuen Buch „Joy from Fear – Create the Life of your Dreams by Making Fear Your Friend – Freude an der Angst – Wie man seine Träume lebt, indem man sich mit der Angst anfreundet“, wie man hinter der Angst eine bessere Version von sich selbst findet.

Allgegenwärtige Angst

Die modernden Ansichten haben dazu geführt, dass die heutigen Menschen unter mehr Ängsten leiden als die Generationen zuvor. Die unsichere politische Situation, der Druck der sozialen Medien, unerreichbare Schönheitsideale, 24-Stunden Erreichbarkeit sowie anderer Stress des modernden Lebensstils, führen zu chronischen Belastungen und Angststörungen.

Laut der amerikanischen Anxiety Disorders Assotiation sind Angststörungen die häufigste psychische Erkrankung zumindest in den USA. Die Zahlen steigen stetig, während das Alter der Betroffenen immer weiter sinkt. Das National Institute for Mental Health schätzt, dass mittlerweile bis zu einem Drittel der Jugendlichen an einer Angststörung leiden.

Die allgemeinen Lösungsansätze bestehen meist aus Versuchen, die Angst zu betäuben. Die allgemeine medizinische Meinung ist, dass es sich bei einer chronischen Angststörung um eine chemische Fehlreaktion des Gehirns handelt und danach richten sich die Behandlungsansätze.

Zurzeit nehmen ein Sechstel der Amerikaner regelmäßig zumindest ein psychoaktives Medikament. Während die Behandlungen mit Gesprächstherapien abnehmen, steigt die Zahl der einmaligen Psychiaterbesuche an, bei denen nur eine Medikation ohne Dauertherapie verschrieben wird.

„Diese Statistiken zeigen, dass die Mehrheit der Menschen nicht die Therapie bekommen, die sie benötigen, um die wirklichen Gründe von Angst, Depression und Stress zu behandeln“, stellt Dr. Manly fest. „Sie bekommen nur ein Medikament, um die Angst zu betäuben, damit diese nicht so einschränkend wirkt.“

Dr. Manly hält fest, dass sie nicht gegen Medikamente ist. Aber sie ist sich sicher, dass Medikamente allein in dieser Sache nicht die Wurzeln der Probleme lösen können.

Ein Beispiel aus Dr. Manlys Klinik-Alltag

Eine junge Frau, die Dr. Manly aus Datenschutzgründen mit geändertem Namen Amanda nennt, leidet seit Jahren an chronischer Angststörung und heftigen Panikattacken.

Als Amanda im Laufe der Therapie begann, sich mit ihrer Angst auseinanderzusetzen, erkannte sie, dass sie konstant mit ihrem Körpergewicht beschäftigt war. Sie versuchte ständig abzunehmen und selbst Werbungen, Serien oder Aussagen ihrer Freunde, die sich gar nicht eindeutig auf ihr Gewicht oder Essen bezogen, wurden für sie zu einer Belastung und einem Trigger.

Als Amanda ihrer Angst direkt ins Auge blickte, erkannte sie plötzlich deren Wurzel.

Sie erinnerte sich an eine Situation, als sie mit fünf Jahren Schokoladenkekse gegessen hatte. Plötzlich kam ihr Vater, riss ihr die Kekse aus der Hand und warf sie in den Müll. Er sagte zu der verängstigen Amanda: „Du wirst fett. Du willst doch nicht wie deine Mutter aussehen. Männer mögen keine dicken Frauen. Fang an zu trainieren und pass auf, was du isst, oder kein Junge wird dich je mögen.“

Rückblickend erkannte sie, dass es dieser Moment war, in dem sie ängstlich wurde. Sie empfand Angst vor dem Ausbruch ihres Vaters und vor dessen Urteil. Wann immer sie aß, begann sie in den Augen aller um sie herum Verurteilung wahrzunehmen. Bald darauf wurde daraus eine subjektiv empfundene allgemeine Verurteilung, egal was sie tat. Dadurch befand sie sich in einer konstanten Belastungssituation. Diese resultierte schließlich in einer chronischen Angststörung, die von allem Möglichen getriggert werden konnte.

Allerdings, je intensiver sich Amanda mit den Zusammenhängen ihrer Angst beschäftigte, desto klarer erkannte sie diese. Mit der Zeit fiel es ihr immer leichter, die destruktive Angst durch positive Gedanken zu ersetzen. Bald wurde die irrationale Stimme der Angst in ihrem Kopf durch die Stimme ihres wahren Inneren ersetzt.

„Ich lerne langsam die Kontrolle zu haben“, sagt Amanda. „Unsicherheit und Angst sind nicht länger meine Meister, sondern mein eigenes Bewusstsein.“

Nun herrscht ihr eigenes Bewusstsein, nicht die Angst. Foto: iStock

Die Angst erkennen

Joseph Campbell, Lektor und Autor, der dafür bekannt ist, die menschliche Psyche anhand antiker Mythen zu erklären, ist überzeugt, dass Menschen ihre größte Stärke finden können, wenn sie ihre größten Ängste ergründen.

„Erst wenn wir in tiefe Abgründe fallen, entdecken wir die Schätze des Lebens. Der Moment, in dem wir stolpern, ist der Moment wo wir unsere größte Stärke finden“, sagt Campbell.

Dr. Manly betont, wie wichtig es ist, nicht auf die destruktive Angst zu hören, sondern auf die innere Stimme des wahren Selbst. Diese Stimme ist nicht hektisch und laut, sondern ruhig und sanft.

Diese Stimme wird dir Dinge sagen wie: Selbst wenn dein Vater dir gesagt hat, dass du es nie zu etwas bringen wirst und auch wenn dir die Gesellschaft weiß machen will, dass du nicht gut genug bist, ist das nicht die Wahrheit.“

Allerdings ist es dafür wichtig, die Wurzel der Angst zu verstehen und ruhig zu reflektieren. Viele Dinge der hektischen, modernden Welt stören die Menschen dabei.

„Um die Angst konstruktiv nutzen zu können, müssen wir uns zuerst selbst beruhigen, sowohl Körper als auch Geist“, sagt Manly. „Das ist auch einer der Gründe, warum jemand, der zum Beispiel im Park Yoga macht oder meditiert, viel mehr mit seiner inneren Stimme in Verbindung steht. Durch die Ruhe der Meditation oder Atemübungen, schafft man es, das parasympathische Nervensystem mit einzubeziehen.“

Er erklärt weiter, dass das parasympathische Nervensystem zum Beispiel die Verdauung steuert, wie auch das Sprichwort „auf das Bauchgefühl hören“ auf innere Zusammenhänge hinweist.

„Wenn wir die Gehirnströme beobachten, sehen wir, dass ungefähr 10 Prozent der Information vom Gehirn zum Magen-Darm-Trakt gehen, aber 90 Prozent vom Magen-Darm-Trakt zum Gehirn. So arbeitet unser Nervensystem“, sagt Manly.

„Unsere Vorfahren prägten den Begriff ‚Bauchgefühl‘, ohne wissenschaftliche Forschung dahinter zu kennen, sie wussten aber offensichtlich dennoch, wovon sie sprachen“, zeigt sich Manly beeindruckt.

Glaube und Angst

Chronische Angstzustände entstehen nicht über Nacht, sondern entwickeln sich über lange Zeit. Deshalb ist es laut Dr. Manly auch nicht möglich, sie mit einer Therapiesitzung, in der ein Medikament verschrieben wird, dauerhaft aufzulösen. „Es ist dasselbe, wie diese intensiven 8-Wochen Abnehmprogramme, die nur einen kurzen Effekt zeigen. Man bleibt nicht dauerhaft schlank, ohne seine Gewohnheiten dauerhaft zu ändern.“

Der Prozess, sich seiner Angst zu stellen, braucht Mut, Durchhaltevermögen und einen starken Glauben. Sie sieht bei ihren Patienten immer wieder, dass man leicht den Mut und den Glauben verlieren kann, wenn man nicht sofort positive Effekte sieht.

Sie sagt, „solange man sein Bestes gibt, kann man sich sicher sein, dass die Entwicklung in die richtige Richtung geht.“

Egal wie weit wir auf unserer Reise kommen, es ist wichtig sich selbst zu sagen: Sei geduldig. Du hast deine Arbeit getan. Hab einfach Vertrauen und lege den Rest in Gottes Hände. Gib nicht auf. Alles wird kommen, wie es kommen soll.“

Originalartikel: https://www.theepochtimes.com/finding-the-treasure-in-fear_2997095.html (deutsche Bearbeitung cs)



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