ZIEL – Sinn und Zweck des Lebens

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"Doch hier, auf dem Gipfel, ist alles eins."Foto: Roland R. Ropers
Epoch Times13. Mai 2013

Die Etymosophie-Kolumne von Roland R. Ropers erscheint wöchentlich exklusiv in der EPOCH TIMES Deutschland.

Das Wort „Ziel“ hat eine interessante Doppelbedeutung und bedarf beson-derer Beleuchtung. Das deutsche Wort „Ziel“ ähnelt dem Englischen „zeal“ = Eifer, Bemühung.

Die Griechen sprachen von τέλος (telos) – alle Worte mit dem Präfix „tele“ haben mit Ferne zu tun (Telefon, Telemetrie, Telepathie u.a.). Der Lateiner gebraucht das Wort „destinatum“, im Englischen „destination“; hieraus hat sich auch der Begriff „destiny“ für „Schicksal“ entwickelt. Wer als Fuß-ballspieler erfolgreich sein will, braucht „goals“ (engl.: Tore), auch Manager in der Wirtschafts- und Finanzwelt definieren „goals“ und „objectives“ als Ziele ihres Wirkens. Viele benutzen auch gern das Wort „target“, was aus dem mittelalterlichen Englisch „targe“ = Schutzschild, Trophäe kommt.

Der Lebensweg des Menschen in seiner spirituell tiefsten Bedeutung kann nicht durch entfernt liegende Ziele definiert werden, an deren Ende dann schließlich der Tod wartet. Es geht um das Bemühen, in jedem Augenblick, im Hier und Jetzt trotz aller Schicksalsschläge den Sinn und Zweck des eigenen Lebens zu erkennen. Der Benediktinermönch und Mystiker David Steindl-Rast (geb. 1926 in Wien) sagt: „Wo wir sind, nicht wo wir sein möchten, ist der Ort, an dem wir anfangen müssen.

Wir müssen dringend lernen, uns ständig auf das Leben hin (nicht unser ego-beladenes Leben) zu bewegen – die Zielrichtung ist keine Endstation (engl.: final destination), sondern dauerhafte Achtsamkeit bei jedem Atemzug und jedem Schritt auf unserem Weg.

Das Ziel des Lebens kann zu einem Mysterium werden, wenn man die Bedeutung des immerwährenden Wegs erkannt hat. Wir streben zu häufig nach Wissen und Verständnis – aber kennen wir den Wissenden? Wir hören Musik – aber kennen wir den Komponisten? Musik spiegelt das Wesen des Komponisten wider, so wie der Kosmos das Universum widerspiegelt. Können wir uns vorstellen, wie es wäre, einem Musikstück zu lauschen, wie es sich im Geist des Komponisten ursprünglich geformt hat, Note um Note, die in sein Bewusstsein aufsteigt und sich zu einer Sinfonie oder einem Lied ordnet? Ein solches Erlebnis würde uns einen völlig anderen Einblick in das Wesen des Komponisten vermitteln. Statt ihn als Körper, Verstand oder besondere Persönlichkeit zu sehen, würden wir ihn aus der erleuchteten Perspektive als die Quelle einer ursprünglichen Intention wahrnehmen. Das ist genau die Bewusstseinsveränderung als Ziel und Zweck in unserem Leben, durch die wir erleben, was es heißt, wie das Universum zu denken. In unserem gewöhnlichen Erleben denken wir in Begriffen der Dualität: wir erkennen etwas und halten das Erkannte für anders als uns selbst. Doch hier, auf dem Gipfel, ist alles eins. Und der Gipfel liegt niemals in weiter Ferne, sondern ist zugleich der höchste und tiefste innerste Ort des Angekommenseins.

Im 30. Kapitel des „Tao Te King“ von Lao Tse lesen wir:

„Wann immer du mit einem Herrscher über den Weg
des Tao berätst, gib ihm den Rat, keine Gewalt einzusetzen,
will er die Welt gewinnen.
Denn dies würde einzig Widerstand bewirken.
Überall dort, wo die Armee vorbeizog, schießt Dornengestrüpp in die Höhe.
Auf den Spuren eines großen Krieges folgen magere Jahre.
Tue nur, was getan werden muss.
Erreiche dein Ziel,
aber frohlocke darüber niemals.
Erreiche dein Ziel.
Aber prahle damit niemals.
Erreiche dein Ziel,
aber stolz darauf sei niemals.
Erreiche dein Ziel,
weil dies dem natürlichen Lauf entspricht.
Erreiche dein Ziel,
aber nicht durch gewaltsames Vorgehen.
Auf Gewalt folgt ein Verlust an Stärke.
Dies entspricht nicht dem Weg des Tao.
Was dem Tao widerspricht, findet ein trübes Ende.“

 

Roland R. RopersRoland R. RopersFoto: Epoch Times

Der Religionsphilosoph Roland R. Ropers ist Autor und Herausgeber etlicher Bücher:

Was unsere Welt im Innersten zusammenhält: Hans-Peter Dürr im Gespräch mit bedeutenden Vordenkern, Philosophen und Wissenschaftlern von Roland R. Ropers und Thomas Arzt; 2012 im Scorpio Verlag

Eine Welt – Eine Menschheit – Eine Religion von Bede Griffiths und Roland R. Ropers

Gott, Mensch und Welt. Die Drei-Einheit der Wirklichkeit von Raimon Panikkar und Roland R. Ropers

Die Hochzeit von Ost und West: Hoffnung für die Menschheit von Bede Griffiths und Roland R. Ropers

Geburtsstunde des neuen Menschen. Hugo Makibi Enomiya-Lassalle zum 100. Geburtstag von Roland R. Ropers

 



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