Männliche Crashtest-Dummys gefährden weibliche Autofahrer

Für Crash Tests von Autos wird meist der "50-Perzentil-Mann" eingesetzt, einen genormten Crashtest-Dummy, der den perfekten Durchschnittsmann widerspiegelt. Die Anforderungen an die Sicherheit weiblicher Fahrer bleiben dabei jedoch auf der Strecke.
Titelbild
Crash Tests werden meist mit männlichen Dummys unternommen, Frauen bleiben ergonomisch auf der Strecke.Foto:  iStock
Epoch Times3. Februar 2020

Männer gelten als das starke Geschlecht, als die Herren im Haus und als die Versorger der Familie. Dazu gehört traditionell auch, das sie mit dem Auto zur Arbeit fahren oder Frau und Kinder zu ihren Terminen bringen. Dieses Bild vom Mann hat sich geändert – nicht jedoch die Crashtest-Dummys, die zur Bewertung der Sicherheit im Auto herangezogen werden.

Bei den Crashtests sind Männer immer noch Männer. Genauer gesagt, Crashtest-Dummys sind der perfekte Durchschnittsmann. Doch obwohl nachgewiesen ist, dass Männer häufiger in Verkehrsunfälle verwickelt sind, erleiden Frauen oft die schlimmeren Verletzungen. Experten sehen den Grund im Einsatz von „männlichen“ Crashtest-Dummys einen großen Nachteil für weibliche Autofahrer.

Den perfekten Durchschnittsmann gibt es nur als Crashtest-Dummy

Die Standards für Crashtest-Dummys sind klar geregelt. Es handelt sich dabei um den sogenannten „50-Perzentil-Mann“:

  • Mann von 175 cm Körpergröße.
  • 78 Kilogramm Gewicht.
  • Mitteleuropäischer Durchschnittsmann im „Mittelmaß“.

Das Problem dabei ist, dass der Crashtest-Dummy der perfekte Durchschnittsmann ist. Die Hälfte der männlichen Europäer ist größer, die andere Hälfte ist kleiner als der Dummy-Prototyp. Die genormten Dummys werden jedoch als Vorgabe für die Sicherheitstechnik bei Neuwagen (Sitze, Gurte, Airbags) herangezogen. Weibliche Maße oder die Körperproportionen von älteren Menschen werden dabei nur selten berücksichtigt.

Es wird schlichtweg nach maskuliner Ergonomie getestet. Die Sicherheitstechnik wird auf männliche Dummys ausgerichtet. Frauen bleiben auf der Strecke. Nicht selten erleiden Frauen bei Unfällen schwerere Verletzungen und sterben häufiger bei Unfällen als Männer. Es gibt für die Unfallforscher ein Problem: DIE Durchschnittsfrau existiert nicht.

Die Grazer Dummy-Foscherin Corina Klug sagte: „Es gab die 50-Perzentil-Frau bis vor Kurzem nicht einmal virtuell.“ Klug entwickelte daraufhin mit der schwedischen Forscherin Astrid Linde einen weiblichen Crashtest-Dummy. Dieser werde aber kaum verwendet und kommen in keiner Richtlinie vor, so die Forscherinnen.

Gefahr für kleine Menschen: Sitz nach vorn verschieben

Frauen müssen öfter den Fahrersitz im Auto weit nach vorne schieben, damit sie die Pedale im Auto erreichen. Laut Unfallforschern der Versicherer (UDV) ist diese Position im Fahrzeug nicht nur unbequem, sondern auch gefährlich, da die Pedale meist für Männer mit einer Durchschnittsgröße von 175 cm positioniert sind.

In der Folge ist der Abstand zum Armaturenbrett für Frauen und kleinere Personen zu gering. Obwohl Männer häufiger in Autounfälle verwickelt sind, ist das Risiko einer schweren Verletzung bei Frauen um 47 Prozent, das Risiko einer leichten Verletzung bei einem Unfall sogar um 71 Prozent höher ist als bei Männern. Die Sterblichkeit weiblicher Unfallopfer liegt 17 Prozent höher als für Männer.

Die Unfallforscher der Versicherer sind sich sicher, dass Frauen, ebenso wie alle kleinen Personen, diesem Problem relativ ungesichert ins Auge blicken müssen. Siegfried Brockmann vom UDV gibt zu bedenken, dass die Ergonomie in den Fahrzeugen weiter verbessert werden sollte.

„Frauen sind auch häufiger in Kleinwagen unterwegs, die bei Kollisionen aufgrund ihrer geringeren Masse eine höhere Bremsverzögerung und größere Deformationen erfahren“, sagt sein Kollege Mathias Kühn.

„Die Hälfte der lebensbedrohlich verletzten Fahrer waren Frauen“

Zum Schutz kleinerer Autofahrer plädierte Brockmann bereits vor Jahren für verstellbare Pedale und Lenkräder sowie für spezielle Knie-Airbags als Aufpralldämpfer. Kleinere Personen hätten bei Crashtests eine höhere Belastung der Oberschenkel als die Standard-Dummys.

Auch der ADAC unterstreicht bei eigenen Tests die Problematik für Frauen und kleinere Personen. „Das Risiko schwerer oder lebensbedrohlicher Brustverletzungen ist für Frauen um 30 Prozent höher als für Männer“, sagt ADAC-Experte Volker Sandner.

Wissenschaftler in Baden-Württemberg und Bayern erstellten eine Unfallstudie für den UDV. Hierbei wurden 130 schwere Verkehrsunfälle analysiert. „Auffallend ist, dass die Hälfte der lebensbedrohlich verletzten Fahrer Frauen waren“, berichtete die Zeit.

Das Fazit des Berichtes fällt deutlich aus: „Fahrzeuginsassen, insbesondere kleine Fahrer, sollten beim Frontalaufprall besser gegen Verletzungen der unteren Extremitäten geschützt werden.“ Die Prüforganisation Euro NCAP hat bereits erste Tests mit Dummys von nur 150 cm Körpergröße unternommen.

Weibliche Crashtest-Dummys immer noch die Ausnahme

Anatomisch bedingt können Frauen im Brustbereich nur geringere Kräfte aushalten als ein Mann, sodass Hersteller auch die Gurtsysteme überarbeiten müssten. Die United Nations Economic Commission for Europe (UNECE) diskutiert in diesem Zusammenhang eine Zulassung von „weiblichen“ Dummys bei der Typzulassung neuer Automodelle. Geplant ist zunächst ein Frontalaufprall, bei welchem ein weiblicher Test Dummy verwendet wird – auf dem Beifahrersitz.

Frauen, Jugendliche und Senioren gelten nach wie vor als Risikogruppe. Der Dummy-Hersteller „Humanetics“ hat bereits 2014 reagiert und Dummies mit unterschiedlichen Körpermaßen produziert.

Die Menschheit wird immer älter und dicker und auch Crashtest-Dummys sollten den gesellschaftlichen Veränderungen unterworfen sein. Ein schwedischer KFZ-Hersteller entwickelte dazu einen virtuellen schwangeren Dummy oder testet mit kleineren, weiblicheren Dummys. Zukünftig wollen Hersteller auch Gewebe, Knochenbau oder Personen mit Bauch berücksichtigen. (cs)



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion