Schiller als Erfinder der deutschen Bildungsidee

Titelbild
Friedrich Schiller, auf dem Schillerplatz in Stuttgart,Foto: Josef Jelkic
Von 28. Januar 2005

Ein Kraftwerk der Anregungen

Nur 46 Jahre genügten Friedrich Schiller für eine Karriere als Dramatiker, Lyriker und Historiker, die ihm Dichterlorbeer, Standesadel und – als Klassiker – Unsterblichkeit eintrug. Sein Todestag jährt sich am 9. Mai 2005 zum 200. Mal. Schiller hatte im 19. Jahrhundert, bis ins 20. hinein, in Deutschland eine solche Popularität, einen solchen Über-Ruhm, dass es wahrscheinlich zwei, drei Generationen brauchte, um sich davon zu erholen. Schiller war ein Kraftwerk der Anregungen. Er war ein Genie der Klarheit – was Goethe sehr zu schätzen wusste. Zu Schillers Briefporträt über ihn sagte er: Jetzt habe ich mich verstanden.

Zahlreiche Neuerscheinungen zeugen jetzt vom wiedererwachten Interesse des Goethe-Freundes. Wolfgang Riedel etwa gelang in einer Studie zur Anthropologie des jungen Schiller die bahnbrechende Entdeckung des „philosophischen Arztes“ Schiller, der in seiner Zeit an der Hohen Karlsschule verschiedene Dissertationen über Grenzprobleme von Physiologie und Philosophie schrieb. Schiller war damit entscheidend beteiligt an der Herausbildung der Anthropologie, die sich um 1800 als „Wissenschaft vom ganzen Menschen als leibseelische Einheit“ etablierte.

Herausbildung der Persönlichkeit

Eines seiner wunderbaren Zitate lautete: „Das Spiel des Lebens sieht sich heiter an, Wenn man den sichern Schatz im Herzen trägt.“ (Wallenstein. Die Piccolomini III,4) Oder: „Es gibt keinen andern Weg, den sinnlichen Menschen vernünftig zu machen, als daß man denselben zuvor ästhetisch macht.“ Sigrid Damm über ihre neue Schiller-Biografie und die Modernität des Dichters: „wir, die wir in einer völlig überreizten Welt leben, können davon eine Menge profitieren. Auch das Rebellische in den „Räubern“ und im „Wallenstein“, das ist doch sehr heutig. Ich glaube, wenn man Schiller in seiner Normalität, in seiner Menschlichkeit, in allen Ambivalenzen zeigt, wird er für Leser wieder interessanter, wird er lebendig – greifbar als Individuum.“

Für Schiller ging es vor allem darum, dass der Mensch sich selbst zum Zweck der Bildung macht – also nicht bloß lernt um der Ausbildung willen. Sich selbst zur Persönlichkeit herauszubilden, das kann buchstäblich jeder erreichen: Das schafft Sinn in einer Welt, in der die Religion als Sinnressource sich weitgehend erledigt hat.

Schillers Ästhetik

Fragen nach dem Verhältnis von Körper und Geist, Stoff und Form stehen auch im Zentrum der Schriften, die Schiller zwischen 1789 und 1794, dem Jahr seiner Begegnung mit Goethe, in Auseinandersetzung mit der Philosophie Kants verfasste. Schillers Ästhetik erschöpft sich dabei nicht in wirklichkeitsfernem Idealismus und Klassizismus. In ihr kommen zentrale Problemfelder der Moderne zur Sprache: Wie gestaltet sich das Verhältnis zwischen Natur und Kultur, Sinnlichkeit und Vernunft, Individuum und Gesellschaft oder Staat? Solchen Grundfragen der Schillerschen Ästhetik widmet sich das zurzeit laufende Habilitationsprojekt von Jörg Robert an der Würzburger Uni.

Einer Koproduktion der Würzburger Germanistik ist es zu verdanken, dass Schillers Werke im Jubiläumsjahr in einer neuen, repräsentativen Ausgabe vorliegen. Zusammen mit Albert Meier (Kiel) haben Peter-André Alt, Wolfgang Riedel und Jörg Robert eine Edition sämtlicher Werke Schillers in fünf Bänden im Münchener Hanser-Verlag besorgt. Sie bietet einen vollständig neu erarbeiteten Kommentar, der neue Zugänge zu Schillers Werk eröffnen soll – von den Dramen und Gedichten über die ästhetischen Schriften bis zu den späten Fragmenten.



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