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Den Wind aus den Segeln genommen

Bis zu 38 Prozent Ertragsverlust: Wie sich Windräder gegenseitig den Wind klauen

Nicht alle Windräder in einem Offshore-Windpark können sauberen Wind in Energie umwandeln. Viele von ihnen müssen mit der verwirbelten Luft vor ihnen stehender Anlagen zurechtkommen. Eine Studie zeigt, wie weitreichend diese Auswirkungen sind.

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Windkraftanlagen können sich gegenseitig den Wind wegnehmen.

Foto: hrui/iStock

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In Kürze:

  • Eine Studie aus den USA zeigt, dass sich Windräder gegenseitig die Windenergie stehlen.
  • Die Ertragsverluste einzelner Anlagen können bis über 38 Prozent betragen.
  • Ebenso einschneidend ist die Distanz dieses Nachlaufeffekts, der auch weiter entfernte Windparks beeinflussen kann.

 
Angenommen, eine Windkraftanlage auf See schafft es bei gutem Wind auf eine Leistung von 5 Megawatt (MW). Dann würden zehn Windräder des gleichen Typs zusammen 50 MW liefern.
Das klingt auf dem Papier logisch und richtig. Bilden diese zehn Windräder jedoch einen Offshore-Windpark, wo sie jeweils rund 1 Kilometer entfernt voneinander stehen, kommt man – in Abhängigkeit der Windrichtung – plötzlich nicht mehr auf 50 MW Gesamtleistung.

Ein Effekt, der die Windkraft schwächt

Der Grund dafür ist der sogenannte Nachlaufeffekt, auch „Wake-Effekt“ genannt. Dabei handelt es sich um den Windschatten, der sich hinter einer Windkraftanlage bildet, wenn diese dem Wind Energie entzieht.
Oder anders ausgedrückt: Die erste Windkraftanlage, auf die der Wind ungebremst trifft, kann noch die meiste Energie aus dem Wind ziehen. Alle dahinterliegenden Anlagen stehen im Windschatten der ersten Anlage und sind ihren Turbulenzen ausgesetzt. Insgesamt steht ihnen somit ein weniger starker Wind zur Verfügung. Dadurch sinkt letztlich deren Stromertrag.
Diesen Effekt haben der Atmosphärenforscher David Rosencrans von der Universität von Colorado und seine Kollegen an Windparks vor der Ostküste der Vereinigten Staaten genauer untersucht. Ihre Forschungsergebnisse zeigen, dass die vorderen Windräder im Schnitt teils mehr als ein Drittel der Energie anderer Anlagen in Windrichtung stehlen können.
Lage und Wassertiefe der untersuchten Windparks auf dem Kontinentalschelf vor der Ostküste der USA.

Lage und Wassertiefe der vorhandenen Windparks (schwarz/grau gepunktet) und unbebaute Windfelder (rot) vor der Ostküste der USA. Rote Kreise markieren Messpunkte und -bojen.

Entsprechende Simulationen kamen zu dem Ergebnis, dass die Nachlaufauswirkungen die Leistungsabgabe über das ganze Jahr hinweg um insgesamt 34,1 bis 38,2 Prozent reduzieren.

Nachlauf von über 55 Kilometern

Die US-Atlantikküste hat in den vergangenen Jahren aufgrund seiner vielversprechenden Windressourcen nahe großen Ballungszentren einen rasanten Windkraftausbau erlebt. Mehrere Windparks sind dort entstanden, weshalb nicht wenige Windräder vom Wake-Effekt betroffen sind.
Die stärksten Nachläufe haben sich laut Rosencrans über eine Distanz von mehr als 55 Kilometern ausgebreitet. Diese registrierten die Forscher im Sommer bei stabiler Schichtung, wenn die Netzlast in Neuengland im Sommer ihren Höhepunkt erreicht. Zu Neuengland zählen die US-Bundesstaaten Maine, Vermont, New Hampshire, Massachusetts, Connecticut und Rhode Island an der Ostküste.
Das bedeutet, dass der Nachlauf einer Windkraftanlage nicht nur andere Anlagen im selben Windpark beeinflussen kann. Auch Windturbinen in einem entfernteren Windpark können diese störenden Turbulenzen abbekommen und eine Ertragsreduktion erfahren. Über weitere Distanzen ist der Effekt aber normalerweise schwächer – sofern keine weiteren Windparks neue Turbulenzen erzeugen und den Wind ernten.

Ermittelte Windabschwächung vor der US-Ostküste (o. l.), in vorhandenen Windparks (o. r.) und Windvorrangflächen (u. l.) im Durchschnitt des Beobachtungszeitraums von September 2019 bis September 2020.

Foto: ts/Epoch Times nach Rosencrans et al. (2024), CC BY 4.0

„Leider ist der Strombedarf [an der US-Ostküste] im Sommer besonders hoch“, erklärte Rosencrans. „Wir haben gezeigt, dass Nachläufe einen erheblichen Einfluss auf die Stromerzeugung haben werden. Aber wenn wir ihre Auswirkungen vorhersagen und antizipieren können, wann sie auftreten werden, dann können wir sie im Stromnetz steuern.“
Die Studie erschien im März 2024 in der Fachzeitschrift „Wind Energy Science“.
Das Fachgebiet von Maurice Forgeng beinhaltet Themen rund um die Energiewende. Er hat sich im Bereich der erneuerbaren Energien und Klima spezialisiert und verfügt über einen Hintergrund im Bereich der Energie- und Gebäudetechnik.

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