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Tierisch gute Architekten

Tiere als Architekten und ihr überraschender Einfluss auf die Erde

Handwerklich begabte Tiere bevölkern zahlreich die Erde: Egal, ob Hügel bauende Termiten, Nest flechtende Vögel oder Dämme errichtende Biber. Bislang unterschätzt wurde jedoch, wie viele fleißige Architekten es gibt und welchen Nutzen sie für uns Menschen haben.

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Während Ameisen und Biber für die Umgestaltung der Natur bekannt sind, wissen nur wenige Menschen, dass auch Nilpferde fleißige Ingenieure sind.

Foto: TheBionicDan/iStock

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Lesedauer: 8 Min.

Im Februar dieses Jahres sorgte Familie Biber aus Tschechien für Schlagzeilen. Ohne Baugenehmigung und den Einsatz großer Maschinen errichteten die Nager binnen kürzester Zeit einen Damm auf einem ehemaligen Truppenübungsplatz. Aber was sagten die tschechischen Behörden zu dem „illegalen“ Bauprojekt?
Sechs Jahre lang plante die Stadt die Umgestaltung des künftigen Landschaftsschutzgebiets. Zum Schutz der dort lebenden Krebse sollten die mit dem Lineal gezogene Drainage zur Entwässerung des ehemaligen Militärplatzes wieder verschwinden und das Areal zu einem Feuchtgebiet mit vielen Bächen und Mäandern werden.
Allein für den Bau wurden Kosten in Höhe von 1,2 Millionen Euro veranschlagt. Viel Geld, das sich die Stadt dank der Biber sparen kann. Außerdem sei der kostenlose Staudamm bereits jetzt viel größer und effizienter, als ihn die Stadt plante. Im Service der Biber inbegriffen sind ständige Kontrollen vor Ort und schnelle Reparaturen.
Tiere als Architekten: Biber

Biberdämme verringern die Fließgeschwindigkeit von Gewässern, wodurch weniger Sediment weggespült wird.

Foto: Kateryna Kukota/iStock

„Es ist gut, dass die Biber uns zuvorgekommen sind“, sagte Projektleiter Bohumil Fišer. „Nicht nur, weil wir das gesparte Geld nun anderswo einsetzen können. Sondern auch, weil wir das gar nicht so gut hinkriegen würden. Die Biber haben einfach ein viel besseres Gespür für die Landschaft als wir Menschen mit unserer technischen Sicht.“
Doch Biber sind nicht die einzigen nützlichen und effizienten Architekten, wie britische Forscher um Professorin Gemma Harvey in einer umfassenden Analyse von 513 geprüften Studien herausfanden.

Fachkräfte im Tierreich

Tiere sind nicht nur Bewohner der natürlichen Welt – sie sind ihre Architekten. Genau diese Fachkräfte sind global hundertfach vertreten und ihre Aktivitäten für uns Menschen enorm wichtig – wenn auch nicht alle positiv aufgenommen werden.
Die bekanntesten Beispiele sind zweifelsfrei Biber, die Dämme bauen, Regenwürmer, die zur Bodenbildung beitragen, und Wildschweine, die auf der Suche nach Nahrung ganze Flächen durchwühlen. Doch dies sind längst nicht alle „tierischen Ingenieure“.
Tiere als Architekten: Wildschweine

Wildschweine wühlen bei der Nahrungssuche den Boden auf – oft zum Leidwesen der Grünflächenbesitzer.

Foto: Evgeniy Andreev/iStock

Prof. Harvey von der Queen Mary University of London hat zusammen mit ihren Kollegen weltweit 500 Tierarten identifiziert, die aktiv in die Prozesse der Erde eingreifen beziehungsweise daran teilhaben.
Die Tiere verändern die Landschaft in der Regel, um ihr eigenes Überleben zu sichern, wobei mitunter auch andere Arten profitieren. Dies kann direkt geschehen, indem sie Material vermischen – sogenannte Bioturbation – oder verschieben – sogenannte Bioerosion –, aber auch indirekt durch die Veränderung von Gesteinen und Sediment, sodass es mehr oder weniger anfällig für geophysikalische Prozesse ist. Beides ist sowohl an Land als auch im Wasser möglich.
Wie genau die Veränderungen vonstattengehen und auf welche Arten sich der Eingriff beschränkt, ist nicht immer eindeutig bekannt. Dies liegt unter anderem daran, dass in der Forschung meist das Verhalten einzelner ausgewählter Tierarten beleuchtet wird. Prof. Harvey und ihre Kollegen wollten das ändern.

Die Graustufen der Länder zeigen, wie viele Studien es zu den heimischen Architekten gibt. Die Symbole der Tiere zeigen charakteristische Arten, die Farben ihren Lebensraum (blau = Süßwasser; rotbraun = Land; rot = invasive, eingeschleppte Art).

Alle Tiere helfen mit

Ihre Analyse ergab, dass in erster Linie Wildtiere mit 495 Arten eine tragende Rolle bei der Umformung der Natur spielen. Ebenfalls beteiligt sind mit Rindern, Yaks, Ziegen, Schafen und Wildpferden auch fünf Nutztierarten.
Betrachtet man die Wildtiere genauer, fällt wiederum auf, dass besonders biologische Klassen und Gruppen mit vielen kleinen Tieren wie Insekten und Würmern am fleißigsten bei der Landschaftsgestaltung sind. Im Vergleich dazu sind Vögel, Spinnen, Reptilien und Amphibien deutlich seltener als Architekten tätig.
„Mein Team war erstaunt über die Vielfalt der Landschaftsingenieure, die wir entdeckten. Unsere Liste umfasst 500 Tierarten, darunter Insekten, Säugetiere, Fische, Vögel, Reptilien und Krebstiere“, sagt Prof. Gemma Harvey.
In puncto Lebensraum und Verbreitungsgebiet scheinen sich ebenfalls deutliche Unterschiede zu zeigen. So dominieren die Landtiere (330 Arten). Die im Süßwasser lebenden Architekten kommen auf 170 Arten. Außerdem wurden in den Studien in erster Linie Tiere aus den gemäßigten Zonen der nördlichen Hemisphäre untersucht, während Gebiete mit bekanntermaßen hoher biologischer Vielfalt – wie den Tropen – eher unterrepräsentiert sind.
Aufgrund dieser ungünstig verteilten Studienlage vermuten Prof. Harvey und ihr Team, dass es noch weit mehr tierische Ingenieure auf der Welt gibt, als uns Menschen durch Forschungen bekannt ist.
Ebenfalls möglich sei, dass unbekannte oder weniger verhaltensauffällige Architekten unentdeckt arbeiten – schließlich bauen nicht alle Tiere so große Erdhügel wie Termiten, sodass sie vom Weltraum aus sichtbar sind.
Tiere als Architekten: Termiten

Die Hügel von Termiten können gigantische Ausmaße annehmen.

Foto: Mandy McKeesick/iStock

„Da Arten innerhalb einer Gattung ähnliche Merkmale und Verhaltensweisen aufweisen, ist es möglich, dass Gattungen mit bekannten Arten auch unerforschte, aber aktive Arten enthalten können“, so die Forscher in ihrer Studie.

Bedrohte Landschaftsgärtner

Doch wie steht es um die Zukunft der tierischen Fachkräfte? Während ihr Arbeitsplatz sicher ist, zeigt ein Abgleich mit der Roten Liste der bedrohten Arten der Internationalen Union für die Erhaltung der Natur (kurz IUCN), dass mit rund 28 Prozent die Zahl von mehr als ein Viertel der landschaftlich aktiven Tierarten im Rückgang zu sein scheint. Insgesamt seien 57 seltene, teils endemische Arten vom Aussterben bedroht.
Würden diese Arten tatsächlich verschwinden, ohne dass ihre Lücke von ähnlichen Tieren gefüllt wird, könnten wichtige landschaftsgestaltende Prozesse zum Erliegen kommen. Dieser Verlust könne enorme Folgen für die Pflanzen und andere Tiere vor Ort haben, die von einer Koexistenz profitieren.
Tiere als Architekten: Regenwürmer

Regenwürmer sind enorm wichtig für die Bildung gesunder Böden. Außerdem dienen sie Igeln und Co. als Nahrung.

Foto: Maryana Serdynska/iStock

„Diese Forschung zeigt, dass die Rolle der Tiere bei der Gestaltung der Landschaften der Erde viel bedeutender ist als bisher angenommen. Vom Biber hin zu Ameisen sind diese vielfältigen natürlichen Prozesse von entscheidender Bedeutung“, erklärte Prof. Harvey. „Aber mehr als ein Viertel dieser 500 Arten ist in irgendeiner Weise bedroht oder gefährdet. Das bedeutet, dass ihre landschaftsgestaltende Wirkung […] verschwinden könnte, bevor wir sie vollständig verstehen.“
Mit ihrer Analyse wollen Prof. Harvey und ihre Kollegen weltweit die Aufmerksamkeit der Menschen auf den Nutzen von tierischen Architekten lenken und damit Projekte zur Auswilderung und Wiederansiedlung nützlicher Arten unterstützen. So können mitunter wichtige Naturprojekte in die Pfoten von Bibern und Co. gelegt werden, die ihre Arbeit kostenlos, schnell und effizient erledigen und sich obendrein um die Wartung kümmern – wenn wir sie lassen.
Die Studie erschien am 18. Februar 2025 im Fachmagazin „Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America“.
Katharina Morgenstern entdeckte bereits früh ihre Passion für Historisches – von der Urzeit bis in die frühe Neuzeit. Für Epoch Times beschreibt sie die Geschichte der Erde, der Menschen und ihrer Kulturen.

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