Die Burnout-Debatte

Epoch Times12. März 2012

Das Thema Burnout beherrschte jüngst wochen- und monatelang die öffentliche Diskussion. Für die einen ist Burnout eine Modediagnose, für die anderen eine ernstzunehmende Erkrankung. Die Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) klärt nun auf.

Missverständnissen und irreführenden Sichtweisen rund um Burnout vermischen sich mit schädlichen psychosozialen Bedingungen unserer Arbeitswelt. Die DGPPN stellt in Kooperation mit der Stiftung Seelische Gesundheit der Öffentlichkeit das Positionspapier „Burnout – Der Preis für die Leistungsgesellschaft?“ vor. Das Papier warnt vor einem unkritischen Gebrauch des Begriffs Burnout für quasi sämtliche psychischen Störungen, die im Zusammenhang mit einer Arbeitsbelastung stehen. Diese allumfassende Anwendung des Begriffs hat zwar zu einem offeneren Umgang mit psychischen Erkrankungen geführt. Betroffenen fällt es erkennbar leichter, ohne Scham über ihre psychischen Erkrankungen zu sprechen. Aber oftmals wird Burnout mit der schweren und nicht selten lebensgefährlichen Krankheit der Depression gleichgestellt. Damit drohe eine besorgniserregende Unter- oder Fehlversorgung der Betroffenen, so die Fachgesellschaft.

Burnout ist – laut der Internationalen Klassifikation von Erkrankungen (ICD-10) – keine medizinische Diagnose. Auch in Zukunft wird Burnout bei der anstehenden Revision zur ICD-11 nicht als eigenständige Krankheit anerkannt werden. Burnout kommt lediglich im Anhang des ICD-10 vor, nämlich unter „Faktoren, die den Gesundheitszustand beeinflussen und zur Inanspruchnahme des Gesundheitswesens führen“. Dennoch hat Burnout für Diagnostik und Therapie mehrfach Bedeutung:

• Das Erleben von Burnout kann ein Risikozustand sein, der zu Erkrankungen wie Depression, Alkoholmissbrauch, Angststörungen, chronisches Schmerzsyndrom, Tinnitus, Bluthochdruck oder chronische Infektionskrankheiten führen kann.

• Andererseits kann das Erleben von Burnout auch Früh-Symptom oder Folge von Krankheiten wie beispielsweise Psychosen, Multiple Sklerose oder Tumorerkrankungen sein.

Nur durch eine gründliche medizinische Untersuchung kann eine zugrundeliegende Krankheit erfasst und gezielt behandelt werden. Diese differenzierende Diagnostik ist bei erlebtem Burnout unbedingt notwendig, denn für alle diese zugrundeliegenden Krankheiten gibt es gesicherte störungsspezifische Therapien, die den Patienten nicht vorenthalten werden dürfen. Für Burnout, ohne gleichzeitig bestehende Erkrankung, gibt es keine nach den Regeln der evidenzbasierten Medizin wirksam nachgewiesenen Therapien oder Prävention. Ist Burnout Auslöser einer psychischen oder somatischen Erkrankung sollte in der dann indizierten Therapie die Belastung am Arbeitsplatz noch stärker berücksichtigt werden.

Die DGPPN fordert, dass „psychisch gesunde“ Arbeitsplätze mehr als bisher in die Verantwortung der Betriebe und Verwaltungen rückt. Dabei sollte die Position von Betriebsärzten gestärkt werden. Wie in den meisten anderen europäischen Ländern sollten auch in Deutschland gesetzliche Regelungen zum Schutz vor gesundheitsgefährdendem psychischem Stress erfolgen. Psychische Belastungen am Arbeitsplatz müssen medizinischen Risiken von Lärm, Licht, Vibrationen oder Toxinen gleichgestellt sein. Dies könnte aus Sicht der DGPPN verhindern, dass das sogenannte Burnout-Problem vornehmlich auf das Gesundheitssystem abgeschoben wird. Hier besteht in Deutschland erheblicher Nachholbedarf.

In der medizinischen Forschung ist der Risikofaktor „psychisch ungesunder Arbeitsplatz“ bisher kaum untersucht. Das Thema „Psychische Krankheit und Arbeitsplatz“ muss auch Gegenstand einer breit angelegten wissenschaftlichen Forschungsinitiative der Bundesregierung werden. (sfr / Siller – DGPPN)



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