„Herztöne“ oder die Intuition im Geigenbau des Martin Schleske – Buchrezension + VIDEO

Das wunderschön gestaltete Buch, an dem Martin Schleske fünf Jahre lang gearbeitet hat, beginnt mit einem Vorwort über „Zulassen und Gestalten“.
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"Eine Geige zu bauen, ist eine Schule des Vertrauens. Ich vertraue darauf, dass meine Arbeit etwas Dienendes hat – das Instrument soll dem Musiker eine Stimme sein." Martin SchleskeFoto: Cover adeo-Verlag
Von 5. April 2016

Der 1965 in Stuttgart geborene Martin Schleske wird zuweilen als „Stradivari des 21. Jahrhunderts“ bezeichnet  Als Geigenbaumeister und Physiker betrachtet er  jedes seiner Instrumente als eine individuelle Klang-skulptur. In seinem Buch „Herztöne – Lauschen auf den Klang des Lebens“ beschreibt er seinen eigenen Schaffensprozess.

Dieser Schaffensprozess, von der Suche des Klangholzes in den Hochlagen der Bergwälder bis zum Auspolieren des letzten Lackanstriches, nimmt viele hundert Stunden ein. Letztlich kommt seine künstlerische Berufung als Geigenbaumeister nur dort zum Ziel, wo es ihm gelingt, dem Künstler mit seinem Instrument eine „Stimme“ zu geben. Es ist der Klang, der in der Innenwelt des Hörenden entsteht. Erst in der Begegnung zwischen dem Musiker und den Resonanzen des Instrumentes formt sich das Kunstwerk. Gut gearbeitete Resonanzen sind wie eine Farbpalette, die den Musiker klanglich malen lässt.

„Das intuitive Erkennen und Tun erfordert vor allem eines: Ein heiliges Nichtwissen. Es ist der Mut, in offene Situationen hineinzugehen und nicht zu wissen, was geschieht. Diese Lebensschule der Intuition ist das wesentliche spirituelle Merkmal im Geigenbau. In einfachen Worten: Ich weiß zu wenig und muss dennoch das Richtige tun. Es gibt schier unbegrenzte Möglichkeiten, im Werdegang und in der Klangeinstellung des Instrumentes Dinge falsch zu machen, und nur wenige Entscheidungen können durch vorausgehendes Wissen getroffen werden. Wenn ich nicht bereit oder fähig bin, mir zu vertrauen, kann mein Gefühl mich nicht leiten…

Das Wesentliche bleibt den Messungen verborgen. Was es bedeutet, dass der Klang einer Geige Seele bekommt, ist durch ein Messprotokoll nicht sichtbar zu machen. Vertraue ich meiner Intuition, dann ist das mangelnde Wissen keine Demütigung, sondern die Tür zur Demut. Darum liegen im Geigenbau solch starke spirituelle Wesenszüge. Eine Geige zu bauen, ist eine Schule des Vertrauens. Ich vertraue darauf, dass meine Arbeit etwas Dienendes hat – das Instrument soll dem Musiker eine Stimme sein. Diese Vorgänge berühren die Tiefen der menschlichen Seele so sehr, dass man mit bloßem Wissen hoffnungslos verloren wäre.“

Das wunderschön gestaltete Buch, an dem Martin Schleske fünf Jahre lang gearbeitet hat, beginnt mit einem Vorwort über „Zulassen und Gestalten“. Dann folgen acht großartige Kapitel von tiefgreifender Seelenkraft:

METANOIA – Das geschärfte Eisen / MUSIK – Die Stimme der Seele / INSPIRATION – Das hörende Herz / SEELENFÜHRUNG – Die Berufung des Geistes / WEISHEIT – Das neue Denken / EROS – Die Liebe zum Leben / MYSTIK – Die Quellen der Kraft / AGAPE – Der Klang des Lebens

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Jede Geige aus der Meisterwerkstatt in Landsberg am Lech erhält eine Widmung mit einer speziellen Bibelstelle – für „Opus 130“ ist es Jesaja 41,18:

„Auf den kahlen Hügeln lasse ich Ströme hervorbrechen und Quellen inmitten der Täler. Ich mache die Wüste zum Teich und das ausge-trocknete Land zur Oase.“

Die Geige „Opus 130“ hatte er für Ingolf Turban angefertigt,  (Schwager des Dirigenten Lorin Maazel, 1930 – 2014), der 1985 bereits mit 21 Jahren Konzertmeister bei den Münchner Philharmonikern unter Sergiu Celibidache (1912 – 1996) wurde. Turban spielte bislang auf einer Stradivari-Geige, seit 2010 auf der „Schleske op. 130“. Im Oktober 2011 spielte Ingolf Turban mit den Berliner Philharmonikern das 2. Violinkonzert von Paganini. Danach schrieb er an Martin Schleske: „Du hast mir meine Stimme geschenkt. Ich bin so glücklich über dieses  unglaubliche Instrument. Die Geige hat in der Berliner Philharmonie einen überwältigenden Glanz entfaltet und mit ihrem großen Ton den ganzen Saal erfüllt“.

Martin Schleske ist ein tief gläubiger Mensch, glücklicher Familienvater von zwei jungen Söhnen. Seine Frau hat wie durch ein Wunder eine schwere Erkrankung überwunden. Die Familie hatte gemeinsam große Krisen zu bewältigen. Bewundernswert, wie Martin Schleske seinen Lebens- und Reifungsprozess immer wieder neu reflektiert. Ein demütiger Instrumentenbaumeister, der das lebendige Holz auf wunderbare Weise zum Schwingen bringt, welches später dann durch den musizierenden Künstler zum großen Klangerlebnis geführt wird.

Auf Seite 100 seines Buches zitiert Martin Schleske den chinesischen Weisen Tschuang-Tse:

„Du weißt von geflügelten Geschöpfen, die fliegen. Du weißt noch nicht, wie man ohne Flügel fliegt. Du weißt von Menschen, die aus Wissen weise sind. Du weißt noch nicht, wie man ohne Wissen weise ist.“

Der hochbegabte Geigenbauer und liebenswürdige Mensch und Diener Gottes kommentiert diese Zeilen: „Es wäre infantil, die wesentlichen Dinge auf Wissen zu reduzieren, anstatt der Intuition des langsamen Werdens und der Inspiration des Augenblicks zu vertrauen. Wenn das Instrument gelungen ist, wird es in den Händen des Musikers ein Recht und eine Vollmacht haben, Seelen aufzurichten und zu trösten. Diese Vollmacht kommt aus dem Vertrauen…“

Der weltberühmte Geiger und Friedensbotschafter Lord Yehudi Menuhin (1916 -1999) hätte am Dialog mit Martin Schleske sehr viel Freude gehabt und sicherlich ein Instrument bei dem Geigenbaumeister bestellt. Menuhin, in New York geboren und in Berlin gestorben, wäre am 22. April 2016 100 Jahre alt geworden. Die wunderbaren Erkenntnisse dieses großartigen Künstlers treffen auch auf Martin Schleske zu:

„Nur wer im Einklang, im Gleichgewicht mit der organischen Natur zu bleiben weiß, kann überleben.  Ich bin fasziniert von allem Menschlichen, vom menschlichen Körper, von der menschlichen Seele und vom menschlichen Geist. Wir sind wie elektrische Drähte, in denen die Impulse zwischen dem Ewigen und dem Jetzt hin- und herlaufen. Wir schwanken zwischen Gemeinsamkeit und wetteifernder Vereinzelung, es reißt uns hin und her zwischen dem Allgemeinen und dem Besonderen. Nur sehr allmählich erwerben wir jene Toleranz und Nächstenliebe, die uns zu einiger Einsicht verhelfen in das Mysterium unserer menschlichen Lebensform und zu einem wachsenden Verständnis für die unnennbare Wahrheit, die uns umgibt, einhüllt und erwartet“.

Foto: Cover adeo-Verlag

Martin Schleske

HERZTÖNE – Lauschen auf den Klang des Lebens

adeo-Verlag

348 Seiten – 16 Seiten Bildteil

28. März 2016 – € 19,99



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