Millionenfache Befristungen auf dem Arbeitsmarkt

Vor allem Jüngere, Ausländer, Menschen ohne Berufsabschluss sind betroffen - aber auch Akademiker: Befristungen haben längerfristig immer mehr zugenommen. Was sind die Probleme - wo gibt es Vorteile?
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JobcenterFoto: PATRIK STOLLARZ/AFP/Getty Images
Epoch Times11. Dezember 2017

Die Zahl der befristet Beschäftigten in Deutschland hat innerhalb der vergangenen 20 Jahre um mehr als eine Million auf rund 2,8 Millionen im vergangenen Jahr zugenommen. Das geht aus einer Antwort des Statistischen Bundesamtes auf eine Anfrage der Linken im Bundestag hervor.

2015 waren rund 2,7 Millionen Arbeitnehmer befristet beschäftigt. Berücksichtigt wurden alle abhängig Beschäftigten ab 25 Jahren. Jüngere Arbeitnehmer im Übergang von Schule oder Hochschule zum Arbeitsmarkt flossen nicht in die Statistik ein.

Der Anteil der befristet Beschäftigten an allen abhängig Beschäftigten stieg seit 1996 von 6,4 auf 8,5 Prozent. Der Anteil wuchs mit leichten Schwankungen bis 2006 auf 8,4 Prozent und schwankte seither zwischen 8,2 und 8,9 Prozent.

Besonders oft sind 25- bis 34-Jährige befristet beschäftigt. Hier stieg der Anteil von 9,6 Prozent vor 20 Jahren über 16,6 Prozent 2006 bis 18,1 Prozent im vergangenen Jahr.

Der Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbands BDA, Steffen Kampeter, wies darauf hin, dass der Anteil der Befristungen seit mehr als einem Jahrzehnt nahezu konstant und insgesamt unter 9 Prozent geblieben sei. „Zudem erhalten mehr als zwei Drittel der befristet Beschäftigten eine Anschlussbeschäftigung“, sagte Kampeter der dpa. „Das unterstreicht, wie wichtig das Instrument als Beschäftigungsmotor ist.“

Die Linke-Politikerin Sabine Zimmermann, die die Anfrage gestellt hatte, forderte einen Stopp des „Befristungsirrsinns“. „Gerade bei jüngeren Menschen sorgen Befristungen dafür, dass sie elementare Dinge des Lebens nicht planen können, wie etwa eine Familiengründung“, sagte Zimmermann der dpa. „Befristungen sind zudem grundsätzlich ein Instrument zur Disziplinierung der Beschäftigten und zur Spaltung der Belegschaft.“

Die Arbeitgeber verteidigen befristete Beschäftigung, Teilzeit oder Zeitarbeit als Möglichkeit, das Arbeitsvolumen an „betriebliche Notwendigkeiten“ anzupassen, wie die BDA betont. Reguläre Jobs würden nicht verdrängt, die Schaffung neuer Jobs eher erleichtert.

Mehr als jeder dritte Betroffene arbeitet unfreiwillig befristet. Darauf wies das Statistische Bundesamt bereits im September hin. 36,5 Prozent gaben über alle Altersgruppen hinweg an, mangels Dauerstelle ein befristetes Arbeitsverhältnis eingegangen zu sein. 31,6 Prozent nannten einen Probevertrag als Grund. 25,7 Prozent befanden sich in Ausbildung. 6,2 Prozent hatten bewusst die Befristung gewählt.

Bei den Hilfskräften war der Anteil unfreiwillig Befristeter mit 50,4 Prozent zuletzt am höchsten. Der Berliner Sozialforscher Stefan Stuth hatte kürzlich in einer Studie festgestellt, dass Unternehmen knappe Arbeitskräfte eher mit dauerhaften Verträgen binden. In Berufen mit hohem Reservoir an Arbeitskräften werde eher befristet beschäftigt.

Befristet Beschäftigte verdienen deutlich weniger als Arbeitnehmer mit unbefristetem Vertrag, wie das gewerkschaftsnahe Forschungsinstitut WSI in einer Studie festgestellt hatte. So seien 2015 15,5 Prozent der befristet Beschäftigten zwischen 20 und 34 wegen eines Haushaltseinkommens unter 60 Prozent des Durchschnitts von Armut bedroht gewesen – aber nur 7,5 Prozent derjenigen mit Dauervertrag.

Häufige Stellenwechsel, teils verbunden mit Ortswechseln, würden stabile Partnerschaften und Familiengründung erschweren, so das WSI. Betroffen seien besonders Menschen ohne Berufsausbildung sowie Uni-Absolventen – seltener dagegen Absolventen einer dualen Berufsausbildung oder einer Fachhochschule. Auch Ausländer seien überdurchschnittlich oft befristet angestellt.

Zimmermann forderte: „Eine neue Bundesregierung muss endlich das Befristungsproblem angehen und die sachgrundlose Befristung abschaffen.“ Auch andere Befristungen dürfe es nur ausnahmsweise geben, forderte die Fraktionsvizechefin. (dpa)



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