Berliner LKW-Anschlag: Beifahrer offenbar erst nach Anschlag erschossen – Hat er noch Schlimmeres verhindert?

Auch an Tag zwei nach dem Anschlag an der Gedächtniskirche bleiben viele Fragen offen: Wer und wo ist der Täter? Wurde noch Schlimmeres womöglich nur knapp verhindert? Aus der Politik kommen Warnungen, keine verfrühten Schlüsse zu ziehen.
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Die Berliner Polizei hat nach eigenen Angaben mehr als 500 Hinweise zu dem Anschlag erhalten.Foto:  Britta Pedersen/dpa
Epoch Times21. Dezember 2016

Nach dem Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt fahnden Ermittler unter Hochdruck nach dem womöglich bewaffneten Täter und etwaigen Komplizen. Auch die Hintergründe des Angriffs und der genaue Tatablauf beschäftigen die Sicherheitsbehörden weiter.

Der Innenausschuss des Bundestags will gegen Mittag in einer Sondersitzung über den Anschlag beraten. Die meisten Weihnachtsmärkte in der Hauptstadt sollen derweil wieder öffnen. Der Breitscheidplatz, wo am Montag ein Lastwagen in den Weihnachtsmarkt gerast war, bleibt jedoch weiter abgeriegelt.

Zwar reklamierte die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) den Angriff auf den Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche für sich. Allerdings steht bislang nicht fest, ob wirklich eine so weit verzweigte Organisation hinter dem Anschlag steht oder der Täter auf eigene Faust handelte. Der IS hatte über sein Sprachrohr Amak verbreitet, der Angriff sei eine Reaktion auf Aufrufe gewesen, die Bürger von Staaten der Anti-Terror-Koalition anzugreifen.

Obduktion: LKW-Fahrer lebte bis zum Anschlag und griff ins Lenkrad

Sollte sich bestätigen, dass der IS hinter der Tat steht, wäre es der erste islamistische Anschlag mit einer Vielzahl von Todesopfern in Deutschland. Dabei verhinderte der polnische Lkw-Fahrer, der beim Attentat auf dem Beifahrersitz saß, möglicherweise sogar noch Schlimmeres. Die Obduktion habe ergeben, dass er zum Zeitpunkt des Anschlags noch lebte, berichtete Bild.de. Ein Ermittler habe von einem Kampf gesprochen. Auch von Messerstichen ist die Rede. Erschossen worden sei der Mann erst, als der Lkw zum Stehen kam.

Nach dem Attentat fand man den Polen tot im Führerhaus. Nach dpa-Informationen wurde er mit einer kleinkalibrigen Waffe erschossen. Von ihr fehlt bislang jede Spur. Der Mann arbeitete für die Speditionsfirma, der der Sattelschlepper gehört.

„Und niemand wird ruhen, bis nicht der Täter oder die Täter gefasst sind“

Ein zunächst festgenommener Verdächtiger wurde wieder freigelassen, nachdem sich gegen ihn kein dringender Tatverdacht ergeben hatte. Berlins Polizeipräsident Klaus Kandt sagte am Dienstag, es sei möglich, dass der gefährliche Täter noch im Raum Berlin unterwegs sei. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) versicherte im ZDF, die Ermittler tappten nicht im Dunklen. Es gebe Ermittlungsansätze, die würden verfolgt. „Und niemand wird ruhen, bis nicht der Täter oder die Täter gefasst sind“, sagte er in der ARD.

„Ich bin relativ zuversichtlich, dass wir vielleicht schon morgen oder in naher Zukunft einen neuen Tatverdächtigen präsentieren können“, sagte der Vorsitzende des Bunds Deutscher Kriminalbeamter, André Schulz, am Dienstagabend in der ZDF-Sendung „Maybrit Illner Spezial“. Vieles könne derzeit nicht verraten werden, aber es gebe „gute Hinweise“ und „sehr viele Ansatzpunkte“.

500 Hinweise hat Berliner Polizei bekommen

Die Berliner Polizei hat nach eigenen Angaben mehr als 500 Hinweise zu dem Anschlag erhalten. Neben Zeugenaussagen werten die Ermittler Schulz zufolge DNA-Spuren und Fingerabdrücke aus. Mit GPS-Daten vom Tatabend werde nach dem Handy des Täters gesucht. Auf dieser Basis könne ein Bewegungsbild erstellt werden. „Wir haben viele Möglichkeiten, um die Person auch zu finden“, sagte Schulz.

Am Montagabend war der vermutlich entführte Lastwagen in den Weihnachtsmarkt auf dem Breitscheidplatz im Herzen Berlins gerast. Einschließlich des Polen starben zwölf Menschen, rund 50 wurden teils lebensgefährlich verletzt. Laut de Maizière konnten – neben dem Polen – bislang erst sechs Tote identifiziert werden. Bei ihnen handelt es sich um deutsche Staatsbürger. 14 Menschen rangen am Dienstagnachmittag noch mit dem Tod.

Schon kurz nach dem Anschlag nahm die politische Debatte über die Tat und die Schlussfolgerungen daraus Fahrt auf. So sagte CSU-Chef Horst Seehofer: „Wir sind es den Opfern, den Betroffenen und der gesamten Bevölkerung schuldig, dass wir unsere gesamte Zuwanderungs- und Sicherheitspolitik überdenken und neu justieren.“ Zu diesem Zeitpunkt gab es bereits Zweifel, ob der als Verdächtige in Berlin festgenommene Flüchtling wirklich der Täter war.

CDU-Vize Armin Laschet kritisierte Seehofer für seine Wortwahl. Es sei nicht die „normale Herangehensweise an Politik“, schon vor Ermittlung der Fakten durch die Polizei Schlüsse zu ziehen zu ziehen, sagte er am Dienstagabend bei „Maybrit Illner spezial“. „Was ist denn, wenn der Täter aus dem Inland oder aus einem Nachbarland kommt, wie bei den Anschlägen von Nizza oder Brüssel?“

Unter dem Eindruck des Anschlags bekräftigte die CSU auch ihre Forderung nach erweiterten Einsätzen der Bundeswehr im Inneren. Soldaten könnten mit ihrer speziellen Ausbildung und Ausrüstung die Polizei vielfach unterstützen, sagte Florian Hahn, Außen- und Sicherheitsexperte der Partei, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Die SPD, die Opposition und auch Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) sind jedoch der Ansicht, dass die Regeln für die Bundeswehr im Inneren ausreichend seien. Verfassungsrechtlich ist ein vorbeugender Einsatz der Bundeswehr ausgeschlossen und ansonsten nur in außerordentlichen Lagen im Zusammenhang mit Katastrophen oder auch mit einer Verkettung verschiedener Terrorlagen denkbar.

Auch außerhalb Berlins sollen die Weihnachtsmärkte in Deutschland trotz des Anschlags weiter stattfinden. Mehrere Bundesländer überdenken allerdings ihre Sicherheitskonzepte. De Maizière blickte in der „Bild“-Zeitung nach vorn: „Wenn ich sage, dass wir uns unser freiheitliches Leben nicht zerstören lassen dürfen, gilt das auch für das Silvesterfest.“ (dpa)

Mindestens zwölf Menschen starben, rund 50 weitere wurden teils lebensgefährlich verletzt. Foto: Rainer Jensen/dpa

Mindestens zwölf Menschen starben, rund 50 weitere wurden teils lebensgefährlich verletzt. Foto: Rainer Jensen

Blumen zum Gedenken an die Opfer stecken an einem Geländer vor der Gedächtniskirche in Berlin. Foto: Britta Pedersen/dpa

Blumen zum Gedenken an die Opfer stecken an einem Geländer vor der Gedächtniskirche in Berlin. Foto: Britta Pedersen

Die zerstörte Frontscheibe des Lastwagens. Foto: Rainer Jensen/dpa

Die zerstörte Frontscheibe des Lastwagens. Foto: Rainer Jensen



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