„Immer den Mund halten, sonst kommst du dorthin“: Zu Gast im ehemaligen Zuchthaus von Cottbus

Am 17. Juni lud das Menschenrechtszentrum Cottbus e.V. zu einer Gedenkfeier anlässlich des Volksaufstandes von 1953 in der DDR ein. Der damalige Aufstand bestand aus einer Welle von Streiks, Demonstrationen und Protesten, die mit politischen und wirtschaftlichen Forderungen verbunden waren. Er wurde von der Sowjetarmee blutig niedergeschlagen, wobei 50 Menschen starben.
Titelbild
Im Innenhof des ehemalige Cottbuser ZuchthausesFoto: privat
Von 19. Juni 2017

Am Samstag bin ich anlässlich einer Gedenkfeier für den Aufstand vom 17. Juni in der DDR im ehemaligen Zuchthaus Cottbus gewesen. Ich war das erste Mal in meinem Leben in Cottbus, ohne triftigen Grund kommt man hier normalerweise nicht her.

Am Rande hatte ich auch von dem dortigen Gefängnis gewusst, aber ich weiß auch von Bautzen, Chemnitz, Berlin…  Nun folgte ich also der Einladung mir bekannter IGFM-Mitglieder und schaute mir den Ort, in dem DDR-Geschichte geschrieben wurde, einmal an.

Das Zuchthaus von Cottbus war eines der berüchtigten DDR-Gefängnisse für politische Gefangene. In den 80ern gab es dort rund 500 Gefangene, die von 208 Wärtern und 30 IM der Stasi überwacht wurden. Typische Haftgründe waren damals staatskritische Äußerungen und die Kontaktaufnahme zu Menschenrechtsorganisationen und westlichen Medien.

Eigentlich ein grässlicher Ort, und doch hat er für mich etwas Positives vermittelt. Dort saßen Menschen ein, die den Mund aufgemacht haben, die sich gegen Unrecht gewehrt haben, denen Freiheit wichtiger war als Schweigen und Heuchelei.

Die Folter und Qualen, die sie dort erlitten haben, sind nichts Neues für mich. Ich kenne sie von den Berichten der Falun Gong-Praktizierenden aus China, die heute immer noch der Willkür der kommunistischen Diktatur ausgeliefert sind.

Man foltert die Unbeugsamen, um ihren Willen zu brechen. Manche zerbrechen daran, manche halten durch.

Ich erinnerte mich unweigerlich an den Schulfreund meiner Mutter, der zu DDR-Zeiten in jugendlichem Leichtsinn ein Hakenkreuz auf die Schulbank geschmiert hatte. Kurz darauf wurde er abgeholt. Als er einige Monate später wieder aus dem Knast entlassen wurde, beging er Selbstmord.

Erschütternd auch die Wand mit Infotafeln all der durch die DDR-Diktatur bedingten Waisenkinder. Regimekritischen Müttern wurden damals die Kinder weggenommen und an Pflegeeltern abgegeben. Manche haben sich später wiedergefunden, manche nie wieder.

Natürlich möchte man irgendwie nicht an die grausamen Verbrechen und Menschenrechtsverletzungen in der DDR erinnert werden, und doch ist es so wichtig wie nie zuvor, daran zu erinnern. Es darf nicht vergessen werden.

Der größte Teil der Jugendlichen der heutigen Zeit wissen nicht mehr, was Diktatur bedeutet.

Wie ich zur Gedenkfeier hörte, zu der übrigens auch der brandenburgische Ministerpräsident anwesend war, war Cottbus die Stadt mit den meisten IM der Stasi. 100.000 sollen es gewesen, hier bespitzelte offenbar jeder jeden. Und heute schämt man sich nicht dafür, wie eine Cottbuserin sagt, viele haben kein Problem damit, das zuzugeben. Und was die ehemaligen Knastinsassen betrifft, waren das doch sowieso alles schlechte Menschen und selbst schuld, sagen heute noch Cottbuser!

Erinnert mich sofort an Margot Honecker, die vor wenigen Jahren noch in einem Interview  über die Todesopfer der innerdeutschen Grenze sagte: „Die waren doch selbst schuld. Die hätten doch nicht flüchten müssen.“

In Cottbus war man entweder Stasispitzel oder ein zum Schweigen verdammter. Wie konnte man in so einer Stadt leben? Die Cottbuserin, mit der ich mich unterhielt, sagte, unsere Mütter sind mit uns auf die Brücke gegangen, von der man das Zuchthaus sehen konnte, zeigten darauf und hätten gesagt: „Immer den Mund halten, sonst kommst du dorthin ….“

Ein anderer Cottbuser erzählte mir, kurz vor der Wende war er bei der NVA. Als die Demos begannen, wurde ihnen angekündigt, bald in der eigenen Stadt einmarschieren zu müssen, kurz darauf die weitere Nachricht – mit Schießbefehl. Glücklicherweise kam dann doch alles anders.

Einer der Redner am Anfang der Veranstaltung sagte natürlich auch ein paar Worte über Helmut Kohl, unseren Kanzler der Einheit. Unter anderem sagte er dabei, dieser sei noch ein Politiker gewesen, der noch eine klare Meinung vertreten habe – heute wünsche man sich wieder Politiker, die ihr Fähnchen nicht nur in den Wind hängen …

Wahrhaftigkeit  ist auf der Strecke geblieben. Kritisch denkende Menschen werden wieder als Abschaum der Nation bezeichnet, auch das hatten wir schon mal. Andersdenkende mundtot machen, ihre Aussagen zensieren, was kommt als nächstes?

Ein Geschäftsmann fragte mich vor Ort: Muss es denn wirklich erst eine riesigen Knall geben, damit die Menschheit aufwacht?



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