Kleinbauern zerstören, Konzerne sponsern und der deutsche Steuerzahler haftet: Der G20-Afrikaplan

Der Afrikaplan der G20, den Kanzlerin Merkel verkündet hat, ist ein entwicklungspolitischer Skandal. Bisher wurden 152 Millionen Dollar investiert, mit dem private Konzerne Gewinn machen können - bei Verlusten haftet jedoch der deutsche Steuerzahler.
Von 9. Juli 2017

Die bisherige staatliche Entwicklungshilfepolitik für Afrika ist Geschichte. Nun geht es nach Aussage von Kanzlerin Merkel darum, dass „Privatinvestitionen nach Afrika, in die Länder Afrikas gehen“. Oder wie Wolfgang Schäuble sagte: „…und das ist ja entscheidend, um mehr Dynamik zu bekommen. Private Investition in Afrika fördern, und das ist neu!“

Dass die neue Strategie ein Skandal ist, erklärte Niema Movassat (LINKE), die im Entwicklungsausschuss des Bundestages sitzt.

Um private Investoren zu locken, legte die deutsche Regierung einen Investitionsfonds in der Steueroase Luxemburg auf, damit: „private Investoren in Afrika Rendite machen können und das auf dem Rücken der afrikanischen Bauern, deren Existenzgrundlagen zerstört werden. Und das verkauft uns die Bundesregierung als Vorzeigemodell der Entwicklungspolitik. Ich halte das wirklich für einen entwicklungspolitischen Skandal.“

Bundesregierung legte einen Afrikafonds im Steuerparadies Luxemburg an …

Das Entwicklungsministerium hat einen Investmentfonds, den „Afrika Agriculture Trade Investment“ (AATIF) aufgelegt, davon stammen 75 Millionen Euro vom Ministerium selbst.

Diese Steuergelder sollen private Investoren animieren, in Afrika zu agieren, Armut zu bekämpfen, mehr Arbeitsplätze und bessere Löhne zu schaffen. Der AATIF hat zum 1. Quartal 2017 direkt und indirekt rund 152 Millionen US-Dollar investiert.

Ein Beispiel aus Sambia: Agrivision

Der „WDR“ bringt ein Beispiel, wie das aussehen kann. In Sambia gibt es ein Vorzeigeprojekt der Bundesregierung. So erhielt das Unternehmen Agrivision 10 Millionen Dollar aus dem Investitionsfonds. Agrivision ist ein Agrarkonzern, der Soja, Weizen und Mais produziert, vieles davon für den Export. Das Unternehmen bewirtschaftet tausende Hektar, die zuvor das Ackerland von Kleinbauern waren:

„Mit zwei Ernten im Jahr macht es mittlerweile ordentlich Gewinn. Und die Menschen hier? Während auf der Farm das Wasser praktisch pausenlos sprudelt, teilen sich die Bewohner im Dorf Ngambwa eine kleine Pumpe. Von den Investitionen kommt bei ihnen offenbar nichts an. Die Menschen sind wütend. 1.600 Arbeitsplätze sollten es einmal sein bei Agrivision. Doch wenn überhaupt, erzählen sie, bekämen sie Gelegenheitsjobs.“

Viele der Menschen verloren ihr Land und können ihre Familie nicht mehr ernähren. Manchmal werden sie für zwei Monate angestellt. Ruthy Mkosha (Übersetzung WDR) ergänzt:

Ich beschwere mich über die Weißen. Sie haben uns unser Ackerland weggenommen. Nun haben wir nicht mehr genug zu essen. Wir müssen hungern, weil sie nicht zulassen, dass wir unser Land bewirtschaften.“

Der Agrivision-Farmmanager Derek Nicolle ist stolz, dass hier besonders wenige Menschen arbeiten. Er sagte dem WDR:

Wir bewirtschaften die Farm mit insgesamt 147 Arbeitskräften. Auf dem Feld aber arbeiten nur 54 Leute. Unser Betrieb ist sehr mechanisiert. Das heißt, die Kosten für die Arbeit kann man vernachlässigen.“

Investoren haben kein Interesse an Entwicklung

Die Bundesregierung findet ihren Ansatz richtig, jedoch gibt es auch Kritik von Fachleuten, denn private Investitionen sollten nicht nur mit staatlicher Absicherung erfolgen.

Prof. Robert Kappel, GIGA Institut Hamburg, erklärt dazu:

„Investoren aus dem Ausland haben per se kein Interesse an Entwicklung. Sie machen Profite, wollen Profite machen, wollen ihr Geld aus dem Land raustransferieren. Also wenn die Bundesregierung behauptet, es sei die Förderung von privaten Investoren aus Deutschland mit Entwicklung verbunden, so ist das eine Irreführung der Öffentlichkeit.“

Der Ansatz der G20 ist unvollständig

Es gibt keinen Mangel an Initiativen internationaler Organisationen und Geldgeber in Afrika. Voraussetzungen für eine gute Entwicklung afrikanischer Staaten sind unter anderem Basisinvestitionen in Bildung, Infrastruktur, Investitionsförderung und eine gute Koordination innerhalb von Staaten.

„Ein schlecht funktionierender Staat stellt beispielsweise öffentliche Güter, wie Schulen und Straßen, nicht in ausreichender Menge und Qualität zur Verfügung. Entsprechend sind seine Bürger nicht bereit, Steuern zu zahlen, was zur Folge hat, dass der Staat nicht über genügend Ressourcen verfügt und Politiker nicht zur Verantwortung gezogen werden – und dieser Zustand wiederum perpetuiert den dysfunktionalen Staat. Ein solcher Staat ist dann auch nicht in der Lage, geeignete Rahmenbedingungen für Privatinvestitionen zu schaffen“ schreibt Dr. Jann Lay vom GIGA-Institut

Ein Plan, der diese Zusammenhänge außer Acht lässt, wird kaum funktionieren.

Um Afrika nachhaltig zu unterstützen, wäre ein längerfristiger Plan hilfreich. Die Afrikanische Union arbeitet mit dem Zeitraum bis 2063. Insofern greift die Initiative der G20-Staaten zu kurz. Dr. Lay nennt neben dem Zeitraum drei Bereiche, die beachtet werden müssten:

  1. Die Qualität der Bildung. Im Afrikaplan der G20 Staaten ist von Grundbildung die Rede, Afrika wird jedoch auch Ingenieure benötigen. Zwar gehen mittlerweile 80 Prozent der afrikanischen Kinder zur Schule. Doch zwei Drittel der Kinder verfügen nach Abschluss der Grundschule nicht über ausreichende Rechen- und Lesekompetenzen.
  2. Afrika hat Schwierigkeiten, sich in die Weltwirtschaft zu integrieren. Grund ist, dass die Wirtschaft der afrikanischen Staaten mit handelspolitischen Unsicherheiten konfrontiert ist, die sich ihrer Kontrolle entziehen – auf multilateraler Ebene, gegenüber einzelnen G20-Mitgliedsstaaten und gegenüber der EU.
  3. Internationale Investitionsrichtlinien sind für den neuen Afrikaplan relevant, tauchen im Rahmendokument jedoch nirgendwo auf.

Der oben vorgestellte Investitionsfonds, aus dem Agrivision Geldmittel erhielt, ist als öffentlich-private Partnerschaft nach dem „Wasserfall-Prinzip“ strukturiert. Dabei tragen private Investoren das geringste Risiko und das Entwicklungsministerium das größte.

Macht der Fonds Gewinn, fließen diese zuallererst den privaten Investoren zu (sie halten die sogenannten A-Anteile). Beim Verlust ist es umgekehrt, zuerst haftet der öffentliche Steuerzahler (die KfW investiert in die sogenannten C-Anteile und fängt Verluste als erste auf). Ein solcher Fonds kann in Deutschland nicht aufgelegt werden – deshalb wurde er im Steuerparadies Luxemburg angelegt, was das Ministerium auch zugibt.

Das „WDR“ kommt zu dem Fazit:

Für die Menschen in Afrika sind das keine guten Nachrichten.“

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