Merkel im Sommerinterview: „Haben großartige Aufgabe bewältigt“

Gestern gab Bundeskanzlerin Angela Merkel ihr Sommerinterview in der ARD und zog positive Bilanzen: Es sei viel getan worden um Schleuser und Fluchtursachen zu bekämpfen. Wir müssen uns "um die afrikanischen Länder" kümmern, kündigt sie an. Beim Thema Türkei vermied sie Kritik. Ob sie noch einmal kandidiert, sagt sie "zu gegebenen Zeitpunkt". Ihre wichtigsten Aussagen.
Epoch Times29. August 2016

In seinem ZDF-Sommerinterview hatte SPD-Chef Sigmar Gabriel der Kanzlerin eine Blockadehaltung bei der Integration von Flüchtlingen vorgeworfen. Es reiche nicht, wie Merkel ständig zu sagen: „Wir schaffen das“, zitierte ihn „Focus“.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) verteidigte ihren umstrittenen nun Satz erneut. Sie habe diese Worte gesagt „in Anbetracht einer erkennbaren großen Aufgabe“ und gehe „mit der Motivation heran ‚wir schaffen das‘ und wo uns etwas im Wege steht, da müssen wir das überwinden“. Dabei sei vieles erreicht worden, manches bleibe noch zu tun.

Über „Wir schaffen das“

Die ARD-Moderatoren hatten die Frage gestellt, ob der Satz „Wir schaffen das“ an das Volk eher als Prognose oder Ermutigung gedacht war und schlossen dann: Als beides.

Merkels sagte: Sie habe jetzt noch gar nicht alles erwähnt, „was wir getan haben um eine Veränderung herbei zu führen, Fluchtursachen zu bekämpfen oder die Migration zu legalisieren und Schmuggler und Schlepper zu bekämpfen“.

Man hätte viel Geldmittel in die Hand genommen aber auch viel Gesetzesarbeit gemacht, vor allem um die Sicherheit zu verbessern. „Wir haben alles gemeinsam beschlossen und wir haben auch vieles sehr, sehr schnell entschlossen.“ Es sei nun wichtig, das noch Anstehende, wie zum Beispiel Maßnahmen für die innere Sicherheit, wieder gemeinsam zu beschließen. „Das ist eine großartige Aufgabe, die wir bewältigt haben mit den Ländern zusammen, die zum Teil in anderen Koalitionen arbeiten“, so Merkel.

Die Union habe nicht blockiert, weißt sie Sigmar Gabriels Vorwurf zurück, – „das kann man ja daran sehen, was wir alles gemeinsam erreicht haben.“

Zur Situation der EU sagt sie:

Alle seien sich einig, dass der Austritt Großbritanniens ein tiefer Einschnitt sei.

Ehe man nun hektisch Aktivitäten in Angriff nehme, müsse man in Ruhe überlegen, „was müssen wir auch besser machen“ – also die 27 Mitglieder. Und darum gehen die Gespräche mit den Partnern. Sie werde fast alle Mitgliedstaaten treffen. Es gehe darum, „zu klären wo wir stehen – in Fragen der inneren und äußeren Sicherheit“, was ein „Riesenthema“ sei, aber auch in Fragen der Umsetzung des EU-Türkei-Pakts, „der von allen – und das sagen mir meine Gespräche jetzt auch – als wichtig und richtig bestätigt wurde“.

Außerdem werde jetzt besprochen „was können wir zur Bekämpfung der Ursachen von Flucht und Vertreibung und dann gibt es einen einzigen Punkt, auf den konzentrieren Sie sich jetzt und da will ich auch gar nicht drum herum reden, da geht es um die Frage, wie können die schon bei uns befindlichen Flüchtlinge besser und fairer verteilt werden.“ Da gebe es einige Länder die sich „nicht so daran beteiligen wollen, andere die offener sind“. Sie werbe dafür.

Glaubt sie noch persönlich an ein Quotensystem? Oder habe sie das innerlich schon aufgegeben, wird die Kanzlerin gefragt:

Merkel antwortet: „Ich glaube, dass wir eine gemeinsame Lösung finden müssen. Und das jeder seinen Anteil zu dem gesamten Thema leisten muss.“ Wie dann die einzelnen Komponenten seien, müsse man sehen. Was sie nach wie vor finde, dass nicht geht, ist, das einige Länder sagen: „Muslime wollen wir generell in unserem Land nicht haben, egal ob das humanitären Gründen notwendig ist oder nicht .“ Darüber müsse man weiter sprechen. Aber in vielen, vielen Bereiche gebe es „eine gemeinsame Herangehensweise und noch sehr viel Arbeit vor uns“ – gerade wenn es um Partnerschaften mit afrikanischen Ländern gehe, denn in diesem Jahr sei Italien das Land, das die größte Aufgabe zu bewältigen hat mit den Flüchtlingen die aus Libyen, zum Teil auch aus Ägypten kommen.

„Und deshalb müssen wir uns um afrikanische Länder genauso kümmern, wie die Staaten, die so viele syrische Flüchtlinge aufgenommen haben“, schließt Merkel.

Zuvor sagte sie noch: Man habe in Europa im vergangenen Jahr schon viele, viele Lösungen gefunden, und da müsse man an den schwierigen Stellen noch weitermachen.

German Chancellor Angela Merkel (L) talks with tv-journalists Tina Hassel and Thomas Baumann during her summer interview with German public tv chain ARD on August 28, 2016 in Berlin. / AFP / dpa / Rainer Jensen / Germany OUT (Photo credit should read RAINER JENSEN/AFP/Getty Images)

Foto: RAINER JENSEN/AFP/Getty Images

Ausweichend beim Thema Russland

Steinmeier fordert einen Neustart der Rüstungskontrolle, „unterstützen Sie ihn?“, wird Merkel gefragt.

Abrüstungsverhandlungen seien immer richtig – und es sei auch richtig, dass in diesem Punkt in den letzten Jahren wenig erreicht wurde, so Merkel, die auf das Thema Russland kurzangebunden reagierte. Genauso sei es wichtig und richtig, „gemeinsam an der Bewältigung des Ukraine-Konfliktes zu arbeiten“. Die Umsetzung des Minsk-Abkommens lasse noch zu wünschen übrig.

„Eine Lockerung oder Aufhebung der Russland-Sanktionen ist derzeit nicht in Sicht?“ fragt der Interviewer.

„Angesichts des Umsetzungs-Zustandes von Minsk leider nicht“, antwortet Merkel, die schnell das Thema wechselt: Vor allem müsse man das schreckliche Blutvergießen in Syrien unterbinden. Man müsse alles daran setzen, „eine politische Lösung zu bekommen, denn eine militärische alleine, wird es nicht geben.“ Sie nennt die Lage in Aleppo „dramatisch“ und „mit Worten nicht zu beschreiben.“

Thema Türkei

Merkel wurde auch gefragt: „Verdient der heutige türkische Staat ohne Einschränkung die Kennzeichnung Demokratie?“ Hier wich sie aus:

Es werde mit Recht von der türkischen Regierung erwartet, „dass wir den Putsch verurteilen“, so Merkel. Man spreche mit der Türkei über Rechtsstaatlichkeit. Sie verteile keine Zensuren. Es gebe Defizite, die spreche man an. Es sei wichtig, mit der türkischen Regierung im Gespräch zu bleiben, „denn wenn man nicht miteinander spricht, sondern nur übereinander, dann führt das in der Diplomatie meistens zu keinen guten Ergebnissen“.

Dann ging es um die von ihr geforderte Loyalität der türkisch-stämmigen Deutschen. Sie würde sich wünschen, dass „Menschen, die lange in Deutschland leben, sich in die Entwicklung unseres Landes mit einbringen“ – auch wenn es dazu natürlich ebenso wie bei vielen, die schon länger hier seien, keine Verpflichtung gebe. Ihr sei es wichtig, „dass Konflikte in der Türkei nicht nach Deutschland getragen werden“. Gleichzeitig finde sie es wichtig zu sagen: „Ich bin auch deren Bundeskanzlerin.“

Steuersenkungen?

Und wie ist es nun mit Steuersenkungen? Vielleicht in der nächsten Legislaturperiode, so Merkel. Warum nicht schon jetzt, es gebe doch ein sattes Polster? „Ich weiß nicht, woher Sie das Gefühl des satten Polsters nehmen“, antwortet sie. Aber wenn es nächstes Frühjahr ein sattes Polster gäbe, sollte sie das sehr ermutigen.

Kandidiert sie noch einmal?

Sie werde „zum gegebenen Zeitpunkt“ entscheiden, ob sie ein weiteres Mal kandidiere, sagte Merkel. Dies betreffe sowohl ihre erneute Kandidatur als CDU-Vorsitzende auf dem Parteitag im Dezember in Essen als auch eine Kandidatur bei der Bundestagswahl im Herbst 2017. Wann sie ihre Entscheidung dazu mitteilen wolle, habe sie bislang nicht geäußert, so Merkel. (rf)

Bericht der ARD mit Video des Interviews.

 



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