Türkischstämmige Wähler in Deutschland halten traditionell zur SPD

Traditionell stehen Deutsch-Türken der SPD nahe. Die Eskalation in den Beziehungen zwischen Berlin und Ankara könnte sich allerdings auf das Wahlverhalten auswirken.
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Türkei-FlaggeFoto: ADAM BERRY/AFP/Getty Images
Epoch Times26. Juli 2017

Von den gut drei Millionen Menschen mit türkischen Wurzeln in Deutschland haben Schätzungen zufolge rund 1,2 Millionen als deutsche Staatsbürger bei der Bundestagswahl im September das Wahlrecht.

Traditionell stehen Deutsch-Türken der SPD nahe. Die Eskalation in den Beziehungen zwischen Berlin und Ankara könnte sich allerdings auf das Wahlverhalten auswirken – viele Türkischstämmige in der Bundesrepublik hegen Sympathien für den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan.

Wie wichtig sind Deutsch-Türken als Wählergruppe?

Das auf Einwanderungsgruppen spezialisierte Meinungsforschungsinstitut Data4U geht von etwa 1,25 Millionen wahlberechtigten Deutsch-Türken aus – eine kleine Zahl angesichts der 61,5 Millionen Wähler, die nach einer Schätzung des Statistischen Bundesamtes bei der Bundestagswahl am 24. September ihr Kreuz machen können. Die Gruppe dürfte aber spürbar wachsen.

Den Prognosen von Data4U zufolge könnten ab 2018 jährlich rund 55.000 neue deutsch-türkische Erstwähler sowie 25.000 einbürgerte Türken als Wahlberechtigte hinzukommen. Dies könnte zu einer Verdopplung der Türkischstämmigen mit deutschem Wahlrecht bis zum Jahr 2030 führen.

Wo lassen sich Deutsch-Türken in Deutschland politisch verorten?

„Menschen mit einem türkischen Migrationshintergrund zeigen in Deutschland nach wie vor eine deutliche Neigung zum linken Parteienspektrum“, heißt es in einer Analyse des Sachverständigenrates für Integration und Migration (SVR) vom November 2016. Die Nähe der Türkeistämmigen zur Sozialdemokratie sei stabil, nehme im Generationenverlauf allerdings etwas ab.

„Die Deutsch-Türken sind treue SPD-Wähler“, sagt auch Data4U-Geschäftsführerin Umut Karakas. Mit den Sozialdemokraten sei insbesondere der Einsatz für die nach Deutschland gekommenen türkischen Arbeiter verbunden, während die Union wegen der Leitkulturdebatte oder der ablehnenden Haltung zum Doppelpass kritisch gesehen werde.

Eine repräsentative Befragung von Data4U nach der Bundestagswahl 2013 ergab, dass 64 Prozent der türkeistämmigen Wähler ihre Stimme der SPD gaben. Den zweiten Platz teilten sich demnach Grüne und Linke mit zwölf Prozent, die CDU kam nur auf sieben Prozent. Die Wahlbeteiligung der Deutsch-Türken lag der Umfrage zufolge knapp unter der Gesamtbeteiligung von 71,5 Prozent.

Für welche Parteien sitzen türkischstämmige Abgeordnete im Bundestag?

Derzeit haben elf Bundestagsabgeordnete einen türkischen Hintergrund. Fünf von ihnen gehören der SPD-Fraktion an, darunter die stellvertretende Parteivorsitzende Aydan Özoguz. Die Grünen sind mit drei türkischstämmigen Abgeordneten im Bundestag, darunter der Parteichef und Spitzenkandidat für 2016 Cem Özdemir. In der Linken-Fraktion haben zwei der Abgeordneten türkische Wurzel. Bei der Union, die mit Abstand größte Fraktion, ist Cemile Giousouf (CDU) die erste und bisher einzige Abgeordnete mit türkischem Hintergrund.

Welche Auswirkungen könnte die Krise zwischen Berlin und Ankara haben?

Während die in Deutschland lebenden Türken hierzulande vor allem linksorientierten Parteien nahestehen, kommen die Befragungen von Data4U zu dem Schluss, dass eine klare Mehrheit von ihnen in der Türkei die religiös-konservative AKP von Erdogan bevorzugt. „Wegen der über viele Jahre mangelhaften Integrationsarbeit der Politik fühlen sich Deutsch-Türken als Menschen zweiter Klasse. Erdogan weiß um die Heimatverbundenheit und den Nationalstolz vieler Türkischstämmiger und gibt ihnen ein Gefühl der Stärke“, sagt Karakas.

Da die Türkei-Kritik von allen im Bundestag vertretenen Parteien geteilt werde, könnten die Deutsch-Türken insgesamt auf Distanz zur deutschen Politik gehen. „Ich kann mir vorstellen, dass einige SPD-Wähler mit türkischen Wurzeln wegen der Kritik an Erdogan diesmal bei der Wahl zuhause bleiben“, sagt Karakas. Auch die Grünen dürften trotz ihres türkischstämmigen Spitzenkandidaten an Zustimmung verlieren.

Das Potenzial von Kleinstparteien – wie das Bündnis für Innovation und Gerechtigkeit und die Allianz Deutscher Demokraten-, die sich ausdrücklich an türkische Migranten richten und als Erdogan-nah gelten, schätzt Karakas als derzeit gering ein. Dies könne sich aber ändern, vor allem wenn die Spannungen zwischen Berlin und Ankara andauerten. (afp)



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