Wahlbetrug in Sachsen-Anhalt: Ehemaliger CDU-Stadtrat steht vor Gericht

„Ich erkannte schnell, dass bei Wahlen nichts dem Zufall überlassen wurde“, erklärt der Angeklagte Ex-CDU-Stadtrat Holger Gebhardt beim Prozessauftakt. Seit Dienstag muss er sich vor dem Landgericht Stendal wegen Wahlfälschung verantworten.
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SymbolbildFoto: Joe Raedle/Getty Images
Von 12. Januar 2017

Wegen Manipulationsvorwürfen bei der Kommunalwahl 2014 muss sich seit Dienstag der ehemalige CDU-Stadtrat Holger Gebhardt vor Gericht verantworten. In der Anklage heißt es, er habe Vollmachten zur Briefwahl gefälscht, um an Stimmen für sich und andere Kandidaten zu kommen. Fast 1000 Stimmen habe er sich und anderen Kandidaten damit verschafft. Zum Auftakt legte  Gebhardt ein umfangreiches Geständnis ab.

Wie der MDR vom Prozessauftakt berichtet, habe sich Gebhardt damals sehr unter Erwartungsdruck seines „politischen Ziehvaters“ Wolfgang Kühnel (CDU-Kreisvorsitzender) gesehen. Kühnel, der nicht anwesend war, habe damals das Wählerpotential seiner Partei durch eine intensive Werbung um Briefwahlstimmen ausschöpfen wollen.

Kühnel habe Gebhardt im Jahr 2002 in die CDU geholt und die Kniffe eines Wahlkampfes gelehrt, schreibt die MZ. „Ich erkannte schnell, dass bei Wahlen nichts dem Zufall überlassen wurde“, so Gebhardt.

Im Jobcenter Daten besorgt

Wie die „Mitteldeutsche Zeitung“ weiter schreibt, soll die Abmachung so ausgesehen haben: Gebhardt besorgte Briefwahlunterlagen, schanzte sich selbst die Stimmen zur Stadtratswahl zu und Kühnel jene für den Kreistag. Die Adressen und Unterschriften der Wahlberechtigten, die Gebhardt so um ihre Stimme betrog, besorgte er sich an seinem Arbeitsplatz im Stendaler Jobcenter.

Brisant in diesem Zusammenhang sei: Bereits vor dem Jahr 2014 soll die Stendaler CDU Wahlen gefälscht haben. Ein anderer CDU-Lokalpolitiker, der ebenfalls im Jobcenter beschäftigt war, habe sich dort die Daten von Arbeitslosen besorgt. Gebhardt habe diese im CDU-Büro vorgefunden, „mit den Kundennummern der Agentur für Arbeit versehen“, so MZ. 2013 sei der Mann gestorben, so sei Kühnel die Aufgabe übertragen worden.

Es könnte auch Geld geflossen sein

Gebhardt habe aber auch aus seinem Umfeld und aus dem verschiedener Parteimitglieder Wahlbenachrichtigungen eingesammelt, selbst von Mitarbeitern einer Spielhalle unweit seines Wohnortes, berichtet MDR.

An einige Wahlscheine soll Gebhardt aber auch legal gekommen sein. Diese habe er dann nicht den Wählern ausgehändigt, sondern selbst ausgefüllt. Nach Vorwürfen, er habe zur Vertuschung des Briefwahlskandals beigetragen, trat Hardy Peter Güssau (CDU) im Herbst 2016 von seinem Amt als Landtagspräsident zurück.

Gegen die Chefin eines Unternehmens in der Einheitsgemeinde Bismark sei bei den Ermittlungen zum Wahlbetrug bereits wegen Falschaussage eine Geldbuße verhängt wurden. Sie soll bei dem Betrug unterstützend mitgewirkt haben. Da auch Geld geflossen sein könnte, sollen sie und weitere Mitarbeiter später als Zeugen geladen werden.

Der mutmaßliche Betrug war entdeckt worden, weil mehrere Stendaler seinerzeit im Wahllokal gesagt bekamen, sie hätten bereits per Briefwahl abgestimmt. Aufgedeckt wurde der Skandal dann durch die Recherchen des „Magdeburger Volksstimme“- Redakteurs Marc Rath. „Die immer gern geäußerte Theorie des Einzeltäters, die ist für die Fälschung vielleicht haltbar, für das ganze Umfeld aber nicht mehr. Insofern wird es sicher noch sehr unangenehme Fragen geben, die sich auch die örtliche CDU-Spitze stellen muss“, so der Redakteur.

Keine milde Strafe

Zwischen Verteidiger und Staatsanwältin soll es im Vorfeld bereits Abstimmungen über ein mildes Urteil bei Geständnis gegeben haben. Inzwischen will sich die Staatsanwältin aber nicht mehr mit einer Strafe von zwei Jahren zufrieden geben, auch wegen des Verhaltens Gebhardts nach der Tat. Bei einer Verurteilung drohen ihm bis zu fünf Jahren Haft wegen Wahl- und Urkundenfälschung.

Damals war zuerst die Briefwahl wiederholt worden, dann die komplette Stadtratswahl. Die gleichzeitig abgehaltene Wahl zum Kreistag des Landkreises Stendal wurde dagegen für gültig erklärt.



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