Polen: Verschärftes Abtreibungsgesetz nach massiven Protesten gekippt

Nach massiven Protesten polnischer Frauen ist das Parlament in Warschau eingeknickt und hat eine geplante Verschärfung des ohnehin strikten Abtreibungsrechts abgelehnt. Eine klare Mehrheit der Abgeordneten stimmte gegen den Gesetzentwurf.
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Sogar in anderen europäischen Städten, wie hier in Brüssel, demonstrierten Frauen gegen Polens Pläne, das Abtreibungsgesetz zu verschärfen.Foto: EMMANUEL DUNAND/AFP/Getty Images
Epoch Times6. Oktober 2016

Nach massiven Protesten polnischer Frauen ist das Parlament in Warschau eingeknickt und hat eine geplante Verschärfung des ohnehin strikten Abtreibungsrechts abgelehnt. Eine klare Mehrheit der Abgeordneten stimmte am Donnerstag gegen den Gesetzentwurf des Bürgerkomitees „Stoppt Abtreibung“. Das Gesetz hätte nur noch bei unmittelbaren Lebensgefahr der werdenden Mutter einen Schwangerschaftsabbruch erlaubt.

Gegen die Pläne hatte es in Polen massive Proteste gegeben. Die Initiative sah auch vor, dass bei einer illegalen Abtreibung sowohl die Ärzte als auch die Frauen mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft werden können. Wie der „Standard“ berichtet, können Polinnen auch jetzt nur in drei Fällen legal abtreiben: „Bei einer Bedrohung für Leib und Leben der Mutter, einer festgestellten irreversiblen schweren Schädigung des Embryos oder einer durch Vergewaltigung oder Inzest herbeigeführten Schwangerschaft.“

Noch Ende September hatte das von der regierenden nationalkonservativen Partei für Recht und Gerechtigkeit (PiS) von Jaroslaw Kaczynski dominierte Parlament des streng katholischen Landes dafür gestimmt, die verschärfende Gesetzesinitiative weiter zu verfolgen und sie den zuständigen Ausschüssen zu übergeben.

Hohe Dunkelziffer bei Abtreibungen

In dem 38-Millionen-Einwohner-Land werden jährlich weniger als 2000 legale Abtreibungen vorgenommen. Frauenrechtsgruppen gehen aber davon aus, dass zusätzlich 100.000 bis 150.000 Frauen illegal oder im Ausland abtreiben lassen.

Trotzdem sollte das Gesetz nochmals verschärft werden. Nachdem es in den vergangenen Tagen massive Proteste in Polen, aber auch in Berlin, Brüssel, London, Paris und Bukarest gegeben hatte, deutete sich am Mittwoch jedoch ein Kurswechsel in der polnischen Regierung an. So empfahl der Justizausschuss die Ablehnung der Gesetzesinitiative durch das Parlament. Am Donnerstag stimmten dann 352 Abgeordnete gegen den Gesetzentwurf, 58 waren dafür. Es gab 18 Enthaltungen.

Emotionale Debatte

Dem Votum ging eine emotionale Debatte voraus. PiS-Chef Kaczynski sagte im Parlament, seine Fraktion würde „immer den Schutz des Rechts auf Leben unterstützen“. Allerdings hätten die Befürworter der Gesetzesverschärfung diese nicht „auf dem besten Weg“ angepackt. Angesichts der „sozialen Situation“ würde das Gesetz „zu einem Prozess führen, dessen Effekt dem Ziel widersprechen würde“, sagte Kaczynski.

Die PiS habe „Angst vor den Frauen bekommen, die auf die Straße gegangen sind“, sagte dagegen die ehemalige liberale Ministerpräsidentin Ewa Kopacz. Die liberale Abgeordnete und frühere Sportministerin Joanna Mucha sagte, die PiS sei „in Panik geraten“. „Polnische Frauen werden es Ihnen nicht erlauben, sie wie Schafe ins Schlachthaus zu führen“, sagte Mucha. Vielmehr werde „die Herde Sie niedertrampeln.“

74 Prozent der Polen für bestehendes Gesetz

Eine Umfrage von September hatte gezeigt, dass 74 Prozent der Polen dafür sind, das bestehende Abtreibungsgesetz von 1993 beizubehalten. Wissenschaftsminister Jaroslaw Gowin sagte, die Proteste hätten „uns zum Nachdenken gebracht und uns eine Lehre in Demut gegeben“. Der Initiator des Gesetzesentwurfs, Mariusz Dzierzawski, zeigte sich dagegen enttäuscht und warf der PiS „Heuchelei“ vor.

Die einflussreiche katholische Kirche des Landes unterstützte das umfassende Abtreibungsverbot, allerdings erklärten die polnischen Bischöfe am Mittwoch, sie lehnten die in dem Gesetzentwurf vorgesehene Gefängnisstrafe für Frauen ab. Die Initiative sah vor, dass bei einer Abtreibung sowohl die ausführenden Ärzte als auch die Frauen mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft werden können.

Am Donnerstag scheiterte auch eine zweite Initiative, mit der die Praxis der künstlichen Befruchtung strikt begrenzt werden sollte, als die Abgeordneten der populistischen Partei Kukiz’15 ihre Unterstützung entzogen. Frauenrechtler begrüßten den Schritt.

(afp / rf)



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