Proteste nach Brandkatastrophe in London: Premierministerin vor wütendem Mob in Sicherheit gebracht – Rathaus gestürmt

In London haben sich Demonstrationen für die Opfer des Hochhausbrands zu Protesten gegen die britische Regierung ausgeweitet. Tausende Menschen trafen sich am Abend in der Nähe des Grenfell Towers in Kensington und auch im Regierungsbezirk Westminster.
Titelbild
Grenfell Tower in London.Foto: Leon Neal/Getty Images
Epoch Times17. Juni 2017

Zwei Tage nach dem verheerenden Hochhausbrand in London haben Demonstranten ihrer Trauer und Wut über das Unglück Luft gemacht: Dutzende Menschen haben am Freitag ein Bezirksrathaus in der britischen Hauptstadt gestürmt und riefen „Wir wollen Gerechtigkeit“, „schämt Euch!“ und „Mörder!“

Die Zahl der Toten stieg auf mindestens 30. „Leider wird die Zahl noch steigen“, sagte Polizeisprecher Stuart Cundy. Verzweifelte Angehörige und Freunde hofften weiterhin auf ein Lebenszeichen der Vermissten.

Vor dem Rathaus des Bezirks Kensington und Chelsea versammelten sich hunderte Demonstranten, unter ihnen die Sängerin Lily Allen. Sie forderten eine Aufklärung der Brandkatastrophe. „Ohne Gerechtigkeit kein Frieden“, skandierte die Menge. „Das Haus war eine Todesfalle und sie wussten das“, rief ein Mann. Als dutzende Demonstranten das Rathaus stürmten, kam es im Eingangsbereich des Gebäudes zu Zusammenstößen mit Sicherheitskräften. Einige Demonstranten forderten den Rücktritt von Premierministerin Theresa May.

May, die sich in der Nähe des Brandorts mit Opfern und Angehörigen getroffen hatte, wurde vor wütenden Demonstranten in Sicherheit gebracht.

Mehr als 70 Menschen werden Medienberichten zufolge noch vermisst. Ob einige von ihnen unter den bereits geborgenen Toten waren, war unklar. Die Polizei warnte, dass manche Leichen möglicherweise nie identifiziert werden könnten.

Nach Angaben von Polizeisprecher Cundy wurden 24 Überlebende in Krankenhäusern behandelt, zwölf von ihnen schwebten in Lebensgefahr. Alle Brandnester seien inzwischen gelöscht. Die Feuerwehr suchte mit Drohnen und Suchhunden nach weiteren Opfern in dem vollkommen zerstörten Hochhaus. Bislang gebe es keine Hinweise auf eine mögliche Brandstiftung, sagte Cundy.

Verzweifelte Angehörige und Freunde machten mit Fotos rings um die Brandruine auf Vermisste aufmerksam. „Ich bete, dass sie in einem Krankenhaus sind“, sagte eine Frau namens Choucair, die auf ein Lebenszeichen ihrer Mutter und der Familie ihrer Schwester hoffte. Sie habe in der Nacht des Brandes kurz mit ihrer Schwester telefoniert. „Ich hörte Menschen schreien und rufen. Ich weiß nicht, wo sie sind.“

Königin Elizabeth II. und ihr Enkel Prinz William besuchten Überlebende in einer Notunterkunft und trafen am Grenfell Tower Retter und Anwohner. Premierministerin Theresa May suchte Verletzte in Krankenhäusern auf. Die Regierungschefin hatte Kritik einstecken müssen, weil sie am Donnerstag bei ihrem Besuch am Hochhaus keine Anwohner getroffen hatte.

May hatte eine „umfassende Untersuchung“ der Katastrophe angekündigt. Der Minister für Gemeinden und Kommunalverwaltung, Sajid Javid, sagte dem Rundfunksender BBC: „Etwas ist hier falsch gelaufen, etwas ist drastisch falsch gelaufen.“ Ähnliche Gebäude würden nun auf vergleichbare Gefahren hin untersucht, vor allem hinsichtlich der Außenverkleidung.

Das Feuer im Grenfell Tower im Westen Londons war in der Nacht zu Mittwoch ausgebrochen und hatte sich über die Fassade rasend schnell ausgebreitet. Die Behörden vermuten, dass sich rund 600 Menschen zu dem Zeitpunkt in dem Hochhaus aufhielten. Viele von ihnen wurden im Schlaf überrascht.

Die Ursache für den Brand war weiter unklar, doch verstärken sich Vermutungen, sie könne mit der jüngsten Renovierung des 24-stöckigen Gebäudes zusammenhängen. Das Hochhaus aus den 70er Jahren wurde bis zum vergangenen Jahr für umgerechnet 9,9 Millionen Euro aufwändig renoviert. Vor allem die Fassade wurde saniert und gedämmt.

In den Medien wurden immer mehr Details zu der Fassadenverkleidung bekannt, die in ihrer nicht feuerresistenten Form für Gebäude von mehr als zwölf Metern Höhe in den USA demnach verboten ist. Es handelt sich um Aluminium-Panele namens Reynobond der US-Firma Arconic. Mit Kunststofffüllung koste sie 24 Pfund (27 Euro) und sei damit nur zwei Pfund billiger als die feuerfeste Variante, berichtete die „Times“.

Der „Daily Telegraph“ zitierte einen Brandschutzexperten, wonach die Panele wie ein „Windkanal“ gewirkt hätten. Die Fassade mit ihren Höhlräumen habe „wie ihr eigener Kaminzug gewirkt“, sagte Arnold Turling. Wie die Zeitung weiter berichtete, hatte das Gebäude zudem keine zentrale Sprinkler-Anlage und keine Feuerschutztüren. (afp)



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