Türkei erlaubt Sex mit Kindern: Verfassungsgericht annulliert Missbrauchs-Gesetz

Sex mit Kindern unter 15 galt bisher in der Türkei als Missbrauch. Nun wurde diese gesetzliche Bestimmung vom Verfassungsgericht abgeschafft. Intellektuelle und Frauenrechtlerinnen sind entsetzt: Sexueller Missbrauch und Kinderehen werden in Zukunft straffrei florieren, fürchten sie, wenn kein neues Gesetz zu deren Verbot erlassen wird.
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Symbolfoto.Foto: Aref Karimi/AFP/Getty Images
Epoch Times5. August 2016

+++ Da das Thema jetzt auch von anderen Medien aufgegriffen wurde, veröffentlichen wir unseren Bericht vom 5. August nochmals. +++

Das türkische Verfassungsgericht hat bereits im Juli eine Bestimmung aufgehoben, die alle sexuellen Handlungen an Kindern unter 15 Jahren als „sexuellen Missbrauch“ unter Strafe stellte. Hürriyet berichtete am 14. Juli in einer Meldung der staatlichen Anadolu-Agentur. (Durch den Putschversuch, der kurz danach stattfand, bekam das Thema kaum Aufmerksamkeit.)

Wie kam es dazu?

Das Verfassungsgericht der Türkei verhandelte das Thema auf Antrag eines Bezirksgerichtes. Dieses hatte bemängelt, dass laut dem bisher geltenden Gesetz bei sexuellem Missbrauch kein Unterschied zwischen Altersgruppen gemacht werde und 14-Jährige darin wie 4-Jährige behandelt würden.

Die Antragsteller argumentierten, das bisherige Gesetz habe ein mögliches „Einverständnis“ der Opfer nicht in Betracht gezogen. Im Alter zwischen 12 und 15 Jahren sei es Kindern bereits möglich, die Bedeutung des sexuellen Aktes zu verstehen. Strafrechtliche Differenzierung sollte deshalb möglich sein.

Mit sieben gegen sechs Stimmen stimmte das Verfassungsgericht dem Antrag zu und annullierte damit das bestehende Missbrauchs-Gesetz. Die Änderung gilt ab 13. Januar 2017.

Intellektuelle und Menschenrechtler entsetzt

Akademiker und Menschenrechtsbefürworter kritisierten die Entscheidung scharf. Zum Beispiel Prof. Bahar Gökler, Vorsitzende der „Vereinigung gegen Kindesmissbrauch und Vernachlässigung“. Gegenüber der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu nannte sie die Entscheidung „katastrophal“, da sie den Kinderschutz mit Füßen trete.

„Zunächst mal ist jeder Mensch unter 18 laut internationaler Konvention ein Kind. Nach dem Einverständnis eines Kindes zu sexuellem Missbrauch zu fragen, verbietet sich daher von selbst“ so Gökler.

Ihre Mitstreiterin Prof. Aysun Baransel geht davon aus, dass in Zukunft Kinderschänder „straffrei herumlaufen werden“, wenn nicht schleunigst ein neues Gesetz erarbeitet wird, dass die Lücke schließt. Einvernehmlicher Sex könne wenn überhaupt nur zwischen Gleichaltrigen in Betracht gezogen werden – nicht jedoch bei Jahrzehnten Altersunterschied, so Baransel.

Sie fügte hinzu, dass Täter nach dem 13. Januar 2017 nun ähnlich wie bei Sex-Vergehen gegen Erwachsene behandelt werden.

Noch mehr Kinderbräute

Auch der Chef der Kinderschutz-Organisation „Ankara Bar Association“ Sabit Aktaş warnte davor, dass unter der Entscheidung viele Kinder leiden werden:

„Wir können voraussehen, was diese Entscheidung bringt. Diese Juristen, fern von der Gesellschaft in ihren Elfenbeintürmen, sollten einmal in die Gerichtssäle gehen und sehen und zu hören, was die Kinder durchmachen, die dort ihre Erfahrungen beschreiben. Erst danach sollten sie eine Entscheidung zu diesem Thema treffen“, sagte Aktaş.

Der Koordinatorin der Istanbuler Frauenvereine Nazan Moroğlu sagte: „[Den Ermessensspielraum des Richters] auf diese Weise zu ignorieren und die Bestimmung außer Kraft zu setzen, wird zu großen Problemen führen. Es wird Kinder wehrloser gegen sexuellen Missbrauch und Vergewaltigung machen und zu noch mehr Mädchen führen, die ohne Ausbildung jung verheiratet werden“, so die Juristin.

Sie hob hervor, dass Kinderbräute in der Türkei bereits ein akutes Problem seien – schon jetzt gibt es bereits rund 3,5 Millionen [bei 75 Mio. Einwohnern, Stand 2013]. Eine weitere Verschärfung des Problems sei vorprogrammiert, so Moroğlu.

Gegner wollen Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte einschalten

Aktivisten werden versuchen, eine Änderung des Urteils zu erwirken. Die Leiterin des Verbands der türkischen Frauenvereinigungen (TKDF) Canan Güllü sagte, man erwäge den Fall vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu bringen. Denn: „Diese Entscheidung wird zu Zwangsehen führen. Leute werden in der Lage sein, Kinder zu kidnappen, zu vergewaltigen und jung zu heiraten – und sie dann am Schulbesuch hindern“, so Güllü.

Die sechs Verfassungsrichter, welche gegen das Urteil stimmten, hatten mit einem „öffentlichen Aufschrei“ gerechnet.

Das türkische Verfassungsgericht hatte vor kurzem auch ein Gesetz annulliert, das bei Kindesvergewaltigung mindestens 16 Jahre Haft vorsah – mit ähnlicher Begründung wie oben. Diese Aufhebung tritt am 23. Dezember 2016 in Kraft, berichtete Hürriyet. (rf)



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