Heikler Einsatz der Armee: Brasilianische Regierung schockiert Land mit Soldaten vor Amtsgebäuden

"Das ist eine extreme Maßnahme der Regierung Temer und ein klares Signal, dass die Regierung die Kontrolle verloren hat, mit sehr schlechten Folgen für unsere Demokratie" - Nach Ausschreitungen in der brasilianischen Hauptstadt beordete Staatschef Temer das Militär zum Schutz von Amtsgebäuden.
Titelbild
Demonstranten gegen die Regierung von Michel Temer, 24. Mai 2017, Brasilia.Foto: MATEUS BONOMI/AFP/Getty Images
Epoch Times25. Mai 2017

Mit der Entscheidung zum zeitweiligen Aufmarsch von Soldaten vor Behördengebäuden hat die wegen Korruptionsverdachts unter Druck stehende Regierung in Brasilien ihr Land weiter in Aufruhr versetzt. Sie hatte die Mobilisierung am Mittwoch nach Ausschreitungen bei Massenprotesten verkündet.

Am Donnerstag ließ sie die Soldaten wieder abziehen.

Nach einer großen Demonstration gegen Staatschef Michel Temer in der Hauptstadt Brasília war es am Mittwoch zu Ausschreitungen gekommen, Protestierende griffen Ministerien an. Der anschließende Einsatz des Militärs weckte in dem Land Erinnerungen an die Zeit der Militärdiktatur.

Die von Gewerkschaften sowie linken Parteien und Gruppen organisierte Großkundgebung verlief zunächst friedlich. Nach Behördenangaben nahmen 45.000 Menschen teil, die Veranstalter sprachen von 100.000. Sie zogen mit dem Ruf „Temer weg“ durch die Stadt.

Als der Protestzug das Regierungsviertel erreichte, kam es zu Zusammenstößen mit den Sicherheitskräften. Die Polizei setzte Tränengas und Blendgranaten ein, einige teils vermummte Demonstranten warfen Steine.

BRASILIA, BRAZIL, MAY 24: A fire burns in an office inside the Ministry of Agriculture as protesters against President Michel Temer clashed with the police on May 24, 2017 in Brasilia, Brazil. Demonstrators called for the resignation of Temer after the press leaked an audio recording made by the chairman of JBS SA allegedly implicating Temer in a corruption probe. Protestors in several Brazilian cities are demanding direct elections after Temer said he will not resign. Impeachment proceedings against Temer have been filed by the Brazilian Bar Association. (Photo by Victor Moriyama/Getty Images)

Ein Feuer in einem Büro des Landwirtschaftsministeriums. 24. Mai 2017, Brasilia. Foto: Victor Moriyama/Getty Images

Demonstrators clash with police during the "Occupy Brasilia" protest against labor and social security reforms and the government of President Michel Temer in Brasilia, on May 24, 2017. / AFP PHOTO / MATEUS BONOMI (Photo credit should read MATEUS BONOMI/AFP/Getty Images)

„Occupy Brasilia“ protestierte gegen die Regierung Temer. Foto: MATEUS BONOMI/AFP/Getty Images

49 Verletzte, beachtlicher Sachschaden

Amtlichen Angaben zufolge wurden 49 Menschen verletzt, einer durch Schüsse. Außerdem gab es demnach sieben Festnahmen und beträchtlichen Sachschaden.

Einige Demonstranten drangen in das Landwirtschaftsministerium ein und randalierten dort, wie ein Ministeriumssprecher sagte. Sie legten demnach ein Feuer, zerstörten Fotos früherer Minister und lieferten sich Auseinandersetzungen mit der Polizei. Auch andere Ministerien wurden angegriffen.

Die brasilianische Regierung forderte daraufhin 1.500 Soldaten an, um die Gebäude zu schützen. Sie sollten zunächst bis zum 31. Mai bleiben. Im Kongress kam es zu tumultartigen Szenen, als Temers Order zum Einsatz von Soldaten bekannt wurde. Am Donnerstag veröffentlichte die Regierung dann allerdings ein Dekret, das die Anordnung wieder aufhob.

Demonstrators take part in the protest "Occupy Brasilia" against the labor and social security reforms and the government of President Michel Temer in Brasilia, on May 24, 2017. / AFP PHOTO / Andressa Anholete (Photo credit should read ANDRESSA ANHOLETE/AFP/Getty Images)

„Occupy Brasilia“ bei den Protesten am 24. Mai 2017. Foto: ANDRESSA ANHOLETE/AFP/Getty Images

Einsatz der Armee ist heikel – Erinnerungen an die Militärdiktatur

Der Einsatz der Armee ist heikel in einem Land, das von 1964 bis 1985 unter der Militärdiktatur lebte. Zuletzt kamen Soldaten in schwierigen Sicherheitslagen oder bei Großereignissen wie der Fußball-Weltmeisterschaft 2014 oder den Olympischen Spielen 2016 zum Einsatz.

„Das ist eine extreme Maßnahme der Regierung Temer und ein klares Signal, dass die Regierung die Kontrolle verloren hat, mit sehr schlechten Folgen für unsere Demokratie“, sagte der Analyst des Consultingbüros Hold, André Cesar, in Brasília.

Der Senator Tasso Jereissati von der rechtsgerichteten Sozialdemokratischen Partei Brasiliens (PSDB), Temers Hauptkoalitionspartner, fühlte sich ebenfalls an die Militärdiktatur erinnert. Jereissati gilt als einer der möglichen Nachfolger Temers.

Brazilian Army military police personnel in riot gear stand guard at Planalto Palace during the protest "Occupy Brasilia" against the labor and social security reforms and the government of President Michel Temer in Brasilia, on May 24, 2017. Brazilian soldiers deployed Wednesday to defend government buildings in the capital Brasilia after protesters demanding the exit of President Michel Temer smashed their way into ministries and fought with riot police. / AFP PHOTO / EVARISTO SA (Photo credit should read EVARISTO SA/AFP/Getty Images)

Brasilianische Polizei schützt die Gebäude am Planalto Palace während der Proteste von „Occupy Brasilia“ Foto: EVARISTO SA/AFP/Getty Images

Rücktritt des Staatschefs gefordert

Die Menschen verlangten den Rücktritt des Staatschefs, Neuwahlen und das Ende der von Temer verordneten Sparpolitik.

Diese sieht vor, öffentliche Ausgaben für die Dauer von 20 Jahren einzufrieren, das Renteneintrittsalter zu erhöhen und die Arbeitsgesetze im Sinne der Unternehmer zu lockern. In Rio de Janeiro lieferten sich Polizei und Demonstranten gegen Temers Rentenpolitik ebenfalls Auseinandersetzungen.

Temer besteht trotz sich häufender Rücktrittsforderungen darauf, im Amt zu bleiben. Laut einem heimlich mitgeschnittenen Gespräch soll er Schweigegeldzahlungen an den wegen Korruption bereits inhaftierten ehemaligen Parlamentspräsidenten Eduardo Cunha zugestimmt haben. (afp)



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