Für Träumer und Realisten: Selbstversorgung auf dem Lande

Das Vermächtnis von Kultautor und Selbstversorger John Seymour hinterlässt einen unerschöpflichen Erfahrungsschatz über ein nachhaltiges Leben mit und in der Natur, und damit kann man bereits im „Stadtgarten“ beginnen.
Titelbild
Kultautor und Selbstversorger John Seymour 1976.Foto: www.carninglipress.co.uk
Von 10. Mai 2012
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Es gibt eine wunderbare Stelle in Thoreaus „Walden“, in der der Autor von einem jungen Mann berichtet, der ein Dichter werden wollte, jedoch zunächst für mehrere Jahre auszog, um für die spätere Zeit Geld zu verdienen. Thoreau bemerkt: „Er wäre am besten sofort ins Dachkämmerchen gestiegen.“ Mit anderen Worten, die Jahre, die er mit Geldscheffeln verbrachte, machten ihn komplett ungeeignet für jede Dichtkunst. Seine Muse erstarb und kein Geld der Welt konnte sie zurückholen.

Mit diesen Worten will uns der Kultautor für Selbstversorgung John Seymour (1914-2004) in seinem wohl umfangreichsten Werk „Das neue Buch vom Leben auf dem Lande“ darauf hinweisen, keine Zeit zu verlieren, wenn man den Traum vom Leben auf dem Lande hegt. Er schreibt weiter: „Wenn du Land für dein Vorhaben kaufen musst, solltest du sobald wie möglich deinen Fuß in die Tür bekommen.“

Ein wohlgemeinter Rat, vielleicht aktueller denn je. Doch muss man nicht gleich aufs Land ziehen, wenn man sich ein paar nützliche handwerkliche Fähigkeiten aneignen oder ein paar Tomaten im Topf auf dem Balkon liebevoll großziehen möchte.

„Das neue Buch vom Leben auf dem Lande“ ist die noch umfangreichere Neuauflage des 1975 erschienenen Bestsellers „Das große Buch vom Leben auf dem Lande“. In dessen Vorwort schrieb Seymour: „Wir müssen endlich anfangen, unseren gesunden Menschenverstand einzusetzen, um ‚dieses armselige Schema zu zerstören und es nach den Bedürfnissen unseres Herzens neu zu formen‘, wie es der persische Dichter Omar Khayam formulierte.“

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Den Traum verwirklichen

Egal ob für Träumer oder Realisten, John Seymours Vermächtnis hinterlässt einen unerschöpflichen Erfahrungsschatz über ein nachhaltiges Leben mit und in der Natur, und damit kann man bereits im „Stadtgarten“ beginnen. Hier gibt es zum Beispiel wertvolle Anleitungen und Tipps, wie man einige wenige Quadratmeter unter anderem durch Hochbeetbepflanzung nutzbar machen kann.

Richtig spannend ist die Idee vom Selbstversorger. John Seymour hat das jahrzehntelang selbst gelebt und zur Perfektion gebracht. Man kann eigentlich nicht über seine Bücher schreiben, ohne auch über ihn zu schreiben, den Philosophen und Pionier. In London geboren und zum Teil in der Schweiz aufgewachsen, studierte er Agrarwissenschaft und arbeitete als junger Mann unter anderem auf Schaf- und Rinderfarmen in Afrika. Er war in Asien und Europa unterwegs, arbeitete im Bergbau und lebte lange Zeit auf einem Fischerboot. Nach dem Krieg wurde John Seymour Landschaftsexperte für die britische Regierung.

In den Fünfzigern kaufte er zwei alte Cottages in Suffolks Pampa, denn schon seit längerem hegte er die Idee vom Selbstversorger, nachdem er in Afrika und Indien Dörfer kennengelernt hatte, die ein hohes Maß an Eigenständigkeit besaßen – und gleichzeitig einen hohen Grad an Lebensfreude und echter Zufriedenheit.

John Seymour und seine Frau begannen, ihr eigenes Gemüse anzubauen. Dann kam das Federvieh für die Eier hinzu und schließlich die Kuh. Es heißt, diese Kuh schafften sie sich an, weil sie nicht mehr jeden Tag zwei Kilometer bis zum nächsten Bauern laufen wollten. Nun war man nicht nur mit Milch versorgt, sondern aus dem, was übrig blieb, wurde
Käse, Joghurt und Butter hergestellt. Für die Abfälle, die entstanden, wurde ein Schwein angeschafft, und so ging es weiter.

Immer seltener musste die Familie Seymour einkaufen gehen, und es entstand eine Farm ohne Monokulturen und Überproduktion. Sie stellten alles selbst her oder machten Tauschgeschäfte mit Nachbarn und Freunden. Von der Natur wurde nie mehr genommen als nötig, und man lebte stets im Einklang mit ihr. So lebten sie „nachhaltig“.

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Ländliche Lebensqualität

Nach acht Jahren zog die Familie auf eine Farm nach Wales, wo Seymour hauptsächlich durch seine Bücher bekannt wurde. 1981 siedelten John und seine Frau nach Irland über. Dort war sein Hof jahrelang ein Mekka für seine zahlreichen Fans, denen er seine Lebenseinstellung und Erfahrungen vermittelte, mit dem Anspruch, Selbstvertrauen und Selbstachtung wiederzugewinnen und die ländliche Kultur und deren Lebensqualität wiederzuentdecken.

John Seymour – ein Mann also, der in einer großen Anzahl selbst geschriebener Bücher wusste, wovon er sprach beziehungsweise worüber er schrieb. Und in diesem „Neuen Buch vom Leben auf dem Lande“, das 2020 neu aufgelegt wurde, findet man jegliches Wissen, welches man als Selbstversorger braucht, aber auch das Know-how über längst vergessene Fertigkeiten wie Korbflechten, Wollspinnerei, Färben und Weben, Flachsspinnerei, Gerben, Beizen bis hin zum Mähen mit der Sense, Brunnenbohren, Maurerarbeiten, Fachwerk, Strohdach und dem Bau eines Allzweckofens.

Doch all die handwerklichen Fertigkeiten wären nichts, wenn der Farmer nicht täglich sein warmes Essen auf dem Tisch hätte, und das nicht nur zur Erntezeit. Im 7. Kapitel „In der Küche“ gibt es nicht nur traditionelle Rezepte zum Brotbacken und Kochen, sondern der Leser lernt auch, die Erträge seiner Landwirtschaft haltbar zu machen.

Man erfährt weiterhin etwas über die Grundlagen der Bierbrauerei und der Weinkelterei sowie die Nutzbarmachung alternativer Energien und Abfallverwertung. Also sollte man nicht annehmen, das Selbstversorgerleben bestehe nur aus Gemüseanbau und Nutztierhaltung. Trotz allem widmet sich das Buch natürlich in erster Linie der Nahrungsbeschaffung, wobei nicht nur die Früchte des Gartens, sondern auch die aus der wilden Natur ihren Platz finden. Und für den modernen Selbstversorger gibt es sogar ein Kapitel über Teiche und Fischzucht.

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Natürlicher Kreislauf

Das oberste Gebot der Selbstversorgung beschreibt John Seymour so: „Es gilt, den ‚natürlichen Kreislauf‘ zu verstehen: Der Boden ernährt die Pflanzen, die Pflanzen ernähren die Tiere, die Tiere düngen das Land, der Dung ernährt den Boden, der Boden wiederum die Pflanzen. Wahrhaftig ‚hegende‘ Bewirtschafter werden bemüht sein, diesen Naturkreislauf zu erhalten, wobei auch sie selbst Teil des Ganzen werden müssen.“

Alle Themen sind so illustriert, dass sich selbst der Laie ein Bild machen und nachahmen kann, also ein theoretischer wie praktischer Ratgeber, der in der Lage sein sollte, jedem willigen „Aussteiger“ eine nützliche Hilfe auf dem Weg in die Unabhängigkeit zu sein.

Nicht zuletzt hat John Seymour am Ende des Buches das Kapitel „So wirst du zum Selbstversorger“ geschrieben, das unter anderem eine Checkliste beinhaltet über „warum, wann, wo und mit wem“, worüber man durchaus vorher ernsthaft nachdenken sollte. Und es behandelt auch einen ganz wichtigen Aspekt des erfolgreichen Landlebens, nämlich das Bilden einer kooperativen Gemeinschaft mit anderen. 



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