„Wollen nicht die Batterie Europas sein“ – Norweger wehren sich gegen Energieexporte

In Norwegen macht sich zunehmender Widerstand in der Bevölkerung gegen Energieexporte breit. Auch Deutschland ist Kunde. Fällt demnächst unser Energielieferant Nummer eins weg?
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Ein Wasserkraftwerk in Norwegen. Beliefert das skandinavische Land bald keine anderen Länder mehr mit Energie?Foto: iStock
Von 6. Mai 2023

Zu Beginn dieses Jahres bemühte sich Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) um eine Ausweitung der Energiepartnerschaft mit Norwegen. Mit den Sanktionen gegen russische Energieträger stieg das skandinavische Land zu Deutschlands Energielieferant Nummer eins auf.

Wenn es nach der Bundesregierung geht, kann das so bleiben. Doch nun regt sich vonseiten der Norweger zunehmend Widerstand gegen die Energieexporte. Das 5,5 Millionen Einwohner zählende Nicht-EU-Land beliefert primär Großbritannien und Deutschland mit Strom. Auch die Niederlande bekommen einen Teil ab.

Im vergangenen Jahr lag Norwegens Jahresproduktion von Öl und Gas bei rund 232 Millionen Standardkubikmeter Öläquivalente, berichtete die „Berliner Zeitung“. Norwegen ist damit als Produzent Marktführer im Europäischen Wirtschaftsraum und beliefert andere Länder. Aber auch die Voraussetzungen für Ökostrom und grünen Wasserstoff erfüllt es.

Massiver Stromverbrauch in Norwegen

Die Wasserkraft deckt in Norwegen knapp 90 Prozent des Strombedarfs ab. Die gesamte installierte Leistung der Wasserkraftwerke lag Ende 2021 laut der Deutsch-Norwegischen Handelskammer bei 33.403 MW und die Jahresproduktion bei 137,9 TWh.

Ansonsten unterstützen noch einige Windparks das nordische Stromnetz. Zu Jahresbeginn 2022 zählte Norwegen 64 Windparks mit insgesamt 1.305 Windrädern. Das entspricht einer installierten Leistung von 4.650 MW.

Pro Kopf verbrauchen die Norweger dreieinhalbmal so viel Strom wie die Deutschen. Elektroautos sind hier Standard. Millionen Menschen heizen mit Strom. Jahrzehntelang war dieser üppig verfügbar und zugleich günstig. Diese Ära endet nun langsam.

Der nationale Strombedarf werde in den kommenden zwölf Jahren um mindestens 28 Prozent, womöglich gar fast 70 Prozent steigen. So die Prognose des staatlichen Netzbetreibers Statnett, wie der „Spiegel“ berichtet. Unter anderem wegen der E-Mobilität, vor allem aber für Datencenter und energieintensive Fabriken, die Norwegen mit günstigen Tarifen locken will.

Das bedeutet mindestens 40 Milliarden zusätzliche Kilowattstunden, die Norwegen produzieren müsste. Laut Statnett werden dafür noch mehr Wasserkraftwerke, Windparks und mehr Solarfelder, aber auch Kernkraftwerke benötigt. Dazu kämen weiterhin die Exporte nach Deutschland oder Großbritannien – ob direkt als Strom oder als grüner Wasserstoff. Aufgrund von dramatisch gestiegenen Stromrechnungen betrachten immer mehr Norweger diese Ausfuhren äußerst kritisch.

Import von Problem-Preisen unerwünscht

„Viele Menschen meinen, es gebe mehr als genug Strom, um unsere eigenen Bedürfnisse zu decken“, zitiert der „Spiegel“ den Chef des Analyse- und Beratungshauses Rystad Energy, Jarand Rystad. Doch damit sei nun Schluss. Die Probleme anderer Länder ausbaden: Das wollen die Norweger anscheinend nicht mehr. Der Grund ist offensichtlich der Preis. Der Anstieg der Großhandelspreise habe sich – besonders im Süden des Landes – überdurchschnittlich bemerkbar gemacht.

Unter den Kritikern befindet sich etwa der norwegische Strompreisaktivist Olav Sylte. Derzeit kämpft er aber nicht nur für niedrigere Energietarife in Norwegen. Auch die Stromkabel, die Norwegen mit Deutschland und Großbritannien verbinden, sind ihm ein Dorn im Auge. „Über diese Kabel exportieren wir unseren Strom nach Europa – und importieren die hohen Preise“, beklagt er.

Gas könne weiter exportiert werden, aber beim Strom setzt der Aktivist und Anwalt Grenzen. „Unseren Strom sollten wir vor allem für unser Land nutzen. […] Es ist unser norwegisches Wasser, unser norwegischer Wind“, so Sylte. Demnach sei das auch Norwegens Strom.

Rentierzüchterin kritisiert Windräder

Unmut äußerte auch die Rentierzüchterin und Samin Sissel Stormo Holtan. „Wir wollen nicht die Batterie Europas sein“, sagte die 41-Jährige. „Norwegen kann nicht die Energieprobleme anderer Länder lösen.“ Stormo Holtan stammt aus dem Dorf Namdalseid und ist zum Gesicht des Widerstands geworden.  Sie kritisiert besonders die jüngst errichteten Windräder. Diese „bringen das Leben der Tiere aus dem Gleichgewicht“, sagt Stormo Holtan. „Die sind nicht grün, die zerstören die Natur. Warum muss man die Natur ruinieren, um die Natur zu retten?“

Die Samen sind bei ihrem Feldzug gegen die Windräder nicht allein. Ein großer Teil der Norweger hat genug von den Anlagen. Nur 37 Prozent der Bevölkerung sehen laut einer Umfrage der Universität Bergen vom Oktober den Ausbau der Windenergie zu Land positiv.

Norwegen

Ein Haus an der Küste von Norwegen, im Hintergrund zahlreiche Windräder. Foto: iStock

Bröckelt die frische Energiepartnerschaft?

Erst im Januar schlossen der norwegische Energieversorger Equinor und der Essener Energiekonzern RWE eine strategische Partnerschaft, die von Habeck und dem norwegischen Staatsminister bei der Unterzeichnung begleitet wurde. Die Energiepartnerschaft sah den Bau von Gaskraftwerken vor, die mit Wasserstoff betrieben werden sollten.

Wirtschaftsminister Robert Habeck hatte bei seinem Besuch in Norwegen erklärt, dass der Wasserstoff aus Norwegen kommen solle. Ein Bestandteil der Absichtserklärung war der Bau einer Wasserstoffpipeline zwischen den Ländern bis zum Jahr 2032. Die Leitungsinfrastruktur sollte eine Gesamtlänge von bis zu 8.500 Kilometern umfassen.

Trotz Kritik und wachsenden Widerstands in der Bevölkerung verteidigte der norwegische Erdöl- und Energieminister Terje Aasland diese Entscheidung. Er betonte, dass Norwegen auf ausländischen Strom angewiesen sei und ein Alleingang nicht sinnvoll wäre, berichtete „Blackout News“. Denn nicht immer hat Norwegen einen Überschuss. Unter gewissen Bedingungen wie Flaute oder Niedrigwasser benötigt Norwegen Stromimporte. Es sei wichtig, dass Europa zusammenhalte, bekräftigte Aasland.

Der Energieminister sagte: „Wenn wir die Kabel nach Mitteleuropa kappen würden, müssten wir hier noch mehr Kraftwerke bauen, um unsere Versorgung zu jedem Zeitpunkt sicherzustellen.“

Die jüngste Energiekrise im vergangenen Jahr traf auch Norwegen – trotz hoher Produktion von „grünem“ Strom und Strom- und Wasserstoffexporte. Der Strompreis stieg an der Börse stark an und betrug im Juli 2022 rund 250 Euro pro Megawattstunde (MWh). Das ist fünfmal mehr als ein Jahr zuvor. Trotzdem bleibt der norwegische Strompreis im Schnitt niedriger als der deutsche Strompreis, der im Juli 2022 bei 450 Euro pro Megawattstunde lag. Norwegen behält also weiterhin einen hohen Stellenwert in der erneuerbaren Energieproduktion im europäischen Raum.



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