Industriestrompreis und Genehmigungsturbo: Wirtschaftspolitik der Ampel
Die Wirtschaftspolitik droht zur Zerreißprobe für die Ampelkoalition zu werden. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) halten am Dienstag jeweils eigene Beratungen mit Wirtschaftsvertretern ab.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) war vergangene Woche mit einem Vorschlag für einen milliardenschweren Investitionsfonds ausgeschert.
Eine Reihe bereits beschlossener wirtschaftspolitischer Maßnahmen der Ampel fand bei Unternehmen aber durchaus Anklang, andere scheiterten allerdings – oftmals am Geld.
Industriestrompreis
Nach wochenlangem Ringen einigten sich Scholz, Habeck und Lindner gegen Ende des vergangenen Jahres auf ein Maßnahmenpaket zur Begrenzung der Strompreise für das produzierende Gewerbe.
Zentral ist die Absenkung der Stromsteuer auf den europarechtlich zulässigen Mindestsatz. Ein beschränkter Kreis von rund 350 besonders energieintensiven Unternehmen profitiert zudem von weiteren speziellen Subventionsinstrumenten.
Der Schritt wurde allgemein begrüßt. Kritik kam aus Sektoren, die nicht profitieren, zum Beispiel dem Handel. Auch war eine geplante, breite Entlastung über die Netzentgelte im vergangenen Jahr an fehlenden Haushaltsmitteln gescheitert.
Infolge des Verfassungsgerichtsurteils zum Klima- und Transformationsfonds (KTF) konnte die Maßnahme nicht umgesetzt werden.
Genehmigungsturbo
Genehmigungsverfahren etwa für Windkraftanlagen und Elektrolyseure zur Herstellung von Wasserstoff werden durch das im Juni vom Bundestag beschlossene Gesetz beschleunigt. Behörden können Fristen nun nicht mehr unbeschränkt verlängern und Anlagenbetreiber können Unterlagen einfacher nachreichen.
In vielen Fällen wird ein vorzeitiger Baubeginn möglich. Deutlich einfacher soll auch das sogenannte Repowering werden, wenn ältere Anlagen durch moderne ersetzt werden.
Der sogenannte Genehmigungsturbo der Ampel wurde überwiegend positiv aufgenommen. Die Zahl der Anträge für neue Projekte und der Genehmigung steigt mittlerweile spürbar. Kritik gibt es etwa an der Beschränkung der Maßnahmen auf die Erneuerbaren.
Aus der Industrie kam daher wiederholt die Forderung, das Gesetz als Blaupause zu nutzen, um die Verfahren für den Bau weiterer Anlagen zu vereinfachen.
Bürokratieabbau
Beim Dauerthema Bürokratieabbau gibt es zumindest Fortschritte. Das sogenannte vierte Bürokratieentlastungsgesetz passierte vor zwei Wochen den Bundesrat.
Entlastungen soll es etwa durch kürzere Aufbewahrungsfristen von Buchungsbelegen und den Wegfall der Hotelmeldepflicht für deutsche Gäste geben. Außerdem gibt es eine Reihe von Erleichterungen für Steuerberaterinnern und Steuerberater. Kritiker bezeichnen das Vorgehen der Ampel aber als zu kleinteilig.
Bei dem bei Unternehmern als „Bürokratiemonster“ verhassten Lieferkettengesetz ging Berlin – zumindest rhetorisch – auf die Wirtschaft zu. „Das kommt weg“, sagte Scholz beim Arbeitgebertag vergangene Woche. Auch Habeck hatte sich zuvor offen für Lockerungen gezeigt. Der FDP und Finanzminister Lindner war das Gesetz schon immer ein Dorn im Auge.
Allerdings wird das deutsche Lieferkettengesetz ohnehin bald durch ein europäisches ersetzt. Die „Ampel“ will dieses „möglichst bürokratiearm“ umsetzen. Sowieso verweist auch der maßgeblich für den Bürokratieabbau zuständige Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) gerne auf Brüssel: Gut 60 Prozent der bürokratischen Lasten in Deutschland stammten aus EU-Recht, argumentiert er. Er setze da auf die neue EU-Kommission.
Problemkind Autoindustrie
Auch hier spielen die Haushaltssorgen des Bundes eine wichtige Rolle: Die Umweltbonus genannte E-Auto-Kaufprämie war Ende vergangenen Jahres im Zuge der Haushaltskrise vorzeitig eingestellt worden. Der Einbruch der Absätze von E-Autos und in der Folge auch die Krise der deutschen Autoindustrie wird gemeinhin damit in Verbindung gebracht.
Um gegenzusteuern, beschloss die Bundesregierung etwa Steuervorteile für E-Dienstwagen und günstigere Abschreibungsbedingungen für gewerblich genutzte Elektrofahrzeuge. Die SPD spricht sich außerdem für die Einführung neuer Kaufanreize für E-Autos aus, Habeck begrüßte dies. Konkrete Pläne gibt es bislang nicht, wohl auch, weil nicht klar ist, wie diese finanziert werden könnten.
Steuern
In Forderungskatalogen von Wirtschaftsverbänden findet sich stets der Ruf nach einer niedrigeren Steuerlast. Die Ampelparteien kamen hier bislang auf keinen gemeinsamen Nenner.
Habeck sprach sich etwa für eine Reform der Unternehmenssteuer aus, die mit neuen Schulden zu finanzieren sei. Finanzminister Lindner lehnt dies strikt ab und forderte die Abschaffung des Solidaritätszuschlags, den auch Unternehmen bezahlen. Dies sieht wiederum die SPD kritisch.
Wachstumsinitiative
Die Ampelpartner verweisen häufig auf ihre sogenannte Wachstumsinitiative. Sie umfasst 49 Maßnahmen, etwa finanzielle Anreize für Überstunden, Verlängerungen von Maßnahmen für niedrigere Strompreise, eine bessere Betreuung von Kindern und eine Neuregelung der Steuerklassen.
Wirtschaftsexperten zufolge gehen viele der Ansätze in die richtige Richtung, das erhoffte Wirtschaftswachstum um 0,5 Prozentpunkte zweifeln sie jedoch an. Zudem steht die Umsetzung noch aus. (afp)
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