„Nicht mehr objektiv“: NDR-Mitarbeiter wehren sich gegen „politischen Filter“

Ein Skandal jagt den anderen beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk (ÖRR). Die rbb-Affäre um mutmaßliche Vetternwirtschaft ist noch nicht von der Bildfläche verschwunden, schon werden neue Missstände aufgedeckt. Im Fokus diesmal: der NDR.
Norddeutscher Rundfunk (NDR). Symbolbild.
Norddeutscher Rundfunk (NDR). Symbolbild.Foto: iStock
Von 26. August 2022

Sie ist das Herzstück des Journalismus: die unabhängige Berichterstattung. Doch gerade diese wird beim NDR angezweifelt – von internen Mitarbeitern. Mehrere Redakteure aus dem Rundfunkhaus in Kiel haben schwere Vorwürfe gegen die Senderleitung erhoben. Sie sprachen von „politischem Filter“ und „indirekter Zensur“, berichtet „Business Insider“ mit Verweis auf einen internen Bericht. Der NDR wies die Kritik zurück.

Kritik an Ministerpräsident Günther entfernt

Konkret geht es um einen Fall aus dem Jahr 2020 im Zusammenhang mit dem plötzlichen Rücktritt von Hans-Joachim Grote (CDU), ehemaliger Innenminister von Schleswig-Holstein. Bei der Abnahme eines Fernsehberichts darüber soll die Politikchefin Julia Stein mehrere Texttafeln mit Grotes Kritik an Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) entfernt haben.

Der für diese Berichterstattung zuständige Journalist vereinbarte anschließend ein Interview mit Grote, um die Hintergründe seines Rücktritts in Erfahrung zu bringen. Doch auch dieses wurde von der Redaktionsleitung unterbunden. Daraufhin wandte sich der Journalist an den Redaktionsausschuss, die Anlaufstelle für interne Beschwerden. Acht weitere NDR-Mitarbeiter taten es ihm gleich.

Mitarbeiter beklagten „Klima der Angst“

Die Kritik wiegt schwer: Die „Berichterstattung werde teilweise verhindert und kritische Informationen heruntergespielt“, zitierte „Business Insider“ den Untersuchungsbericht des Redaktionsausschusses. Den NDR-Führungskräften werde vorgeworfen, wie „Pressesprecher der Ministerien“ zu agieren, die kritischen Themen frühzeitig die Relevanz absprechen.

Kritisiert wurde auch die fehlende professionelle Distanz: Statt vom Ministerpräsidenten Daniel Günther oder seinem Stellvertreter Heiner Garg zu sprechen, sei schlicht von „Daniel“ oder „Heiner“ die Rede. Nach Informationen des „Business Insiders“ sprächen die Mitarbeiter auch von einem „Klima der Angst“ und „großem Druck“, nachdem sie sich mit ihren Beschwerden an den Redaktionsausschuss des NDR gewandt hätten.

Aus den „Stern“-Recherchen, über die „Focus online“ berichtet, ergaben sich weitere Fälle, die sich mit den Vorwürfen der Redaktionsmitarbeiter deckten. Demnach habe der NDR nicht über die Alkoholfahrt mit Unfallfolge von Hans-Jörn Arp, dem engen Vertrauten von Ministerpräsident Günther, berichtet. Ein großes Thema in den Medien wurde somit totgeschwiegen.

Kritisiert wurde zudem die einseitige Berichterstattung. Es sei auffällig, dass häufig nur die Regierung befragt werde, so ein Redaktionsmitarbeiter zum „Stern“. „Keine Stimme von der Opposition, keine kritische Stimme von Verbänden.“ Dies erwecke den Eindruck, dass Inhalte „gefiltert“ würden und die Redaktionsspitze „nicht mehr objektiv“ sei.

NDR verteidigt „unvoreingenommene“ Berichterstattung

In einer Stellungnahme wies der NDR die Vorwürfe zurück und verteidigte seine Berichterstattung als „unvoreingenommen und unabhängig“. Im Zusammenhang mit Grotes Rücktritt habe man ausführlich und kritisch „über die bestätigten und mutmaßlichen Umstände, die Widersprüche in den Darstellungen des Ministerpräsidenten sowie des ehemaligen Ministers und über die parlamentarische Aufarbeitung in vielen Facetten“ berichtet. Außerdem könne man nach persönlichen Gesprächen mit zahlreichen Mitarbeitern kein „Klima der Angst“ feststellen.

Dass der Interviewvorschlag des Journalisten abgeschlagen wurde, sieht der NDR in der unterschiedlichen journalistischen Bewertung einer tagesaktuellen redaktionellen Entscheidung begründet. „Dies hält der NDR für einen üblichen, normalen Vorgang im redaktionellen Tagesgeschäft.“ Dennoch nähmen die Verantwortlichen die Vorwürfe weiterhin ernst, der Austausch darüber dauere bis heute an.



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