Wolfgang Bosbach glaubt an ein Wiedererstarken der Union noch vor den Bundestagswahlen

Maskenaffäre und quälende K-Frage: Die Union steckt in einer Krise, für die keiner so richtig einen Ausweg kennt. Das langjährige CDU-Mitglied Wolfgang Bosbach ist jedoch zuversichtlich, dass es sich nur um eine Frage der Zeit handelt, bis die CDU wieder an Fahrt aufnimmt.
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Auch der frühere CDU-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Bosbach (68) ist nach eigenen Angaben von zahlreichen Anbietern von Corona-Schutzmasken kontaktiert und um Vermittlung gebeten worden.Foto: Oliver Berg/dpa/dpa
Von 16. April 2021

Epoch Times: Herr Bosbach, 2017 haben Sie nicht mehr für den Bundestag kandidiert und sich von Ihren politischen Ämtern zurückgezogen. Seitdem ist viel passiert und auf die Politik kamen völlig neue Herausforderungen zu. Wie beurteilen Sie die Politik der Bundesregierung in der Corona-Krise? 

Wolfgang Bosbach: Die bestand seit Anfang 2020 im stetigen Bemühen von Bund, Ländern und Gemeinden, die Folgen der Corona-Pandemie so weit wie möglich abzumildern, unser Gesundheitssystem nicht zu überlasten. Gleichzeitig musste man sich darum bemühen, die wirtschaftlichen, sozialen und gesellschaftlichen Folgen nicht zu dramatisch werden zu lassen. Nach unserer Kompetenzverteilung ist ja nicht der Bund in erster Linie zuständig. Da es sich um einen Katastrophenfall handelt, sind die Bundesländer zuständig und deswegen gab es auch das ständige Ringen zwischen dem Bund und den Ländern und der Länder untereinander um eine richtige Lösung.

Im Vergleich zu anderen Staaten, insbesondere auch zu unseren Nachbarstaaten, hat Deutschland die Krise relativ gut bewältigt mit zwei allerdings gravierenden Ausnahmen. Die erste Ausnahme betrifft das Thema Beschaffung von Schutzmaterialien, insbesondere Schutzmasken. Da waren wir überhaupt nicht vorbereitet und es hat sehr lange gedauert, bis wir das zur Verfügung stellen konnten, was wir aus medizinisch-hygienischen Gründen brauchen. Und das zweite betrifft das Thema Impfen, wobei das Unglück schon damit anfing, dass wir die Impfstoffbeschaffung der Europäischen Union überlassen haben. Diese hat sehr viel länger gebraucht als andere Länder, um entsprechende Verträge abzuschließen.

ET: Man bezeichnet Sie auch als ein Urgestein der CDU. 1972 sind Sie in die Partei eingetreten. Momentan sieht es gar nicht so gut aus in den Umfragewerten der Partei, sie verliert gerade Teile ihrer Wählerschaft. Kritiker sagen, es liege an einem seit Jahren vorangeschrittenen Linksruck der CDU. Was meinen Sie?

Bosbach: Dafür gibt es verschiedene Gründe. Ein Grund ist wohl tatsächlich, dass wir zumindest einen Teil unserer traditionellen Wählerschaft durch verschiedene Kurskorrekturen irritiert haben. Ein anderer, dass heute die Parteienvielfalt wesentlich größer ist als in den 70er Jahren. Damals waren drei Parteien im Bundestag vertreten, heute sind es sechs, beziehungsweise sieben. Erst kamen die Grünen, dann die SED/PDS/WASG/Linkspartei und zum Schluss noch die AfD ins Parlament. Es ist leider nicht zu vermeiden, dass dann eine große Volkspartei wie die Union Stimmen verliert – aber die SPD hat noch höhere Einbußen erlitten.

ET: An wen verliert die CDU und warum?

Bosbach: Hauptsächlich an die Grünen, aber auch an die AfD. Nur marginal an SPD oder FDP, wobei die Gründe unterschiedlich sind. Die Union hat es vor allem in den 70er und 80er Jahren versäumt, den Themen Natur- und Umweltschutz eine größere Beachtung zu schenken – obwohl wir den ersten Bundesumweltminister gestellt haben. Und exakt diese Themen haben im Laufe der Zeit eine immer größer werdende Bedeutung erlangt.

Außerdem haben die Grünen ihren Auftritt deutlich geändert: Das Schrille einer Claudia Roth ist an der Spitze ebenso wenig vertreten wie das Aggressive von Jürgen Trittin oder Joschka Fischer. Annalena Baerbock und Robert Habeck finden auch viele im bürgerlichen Spektrum als persönlich angenehm. Jedenfalls hat das politische System die Grünen mehr verändert als diese das System.

Bei der AfD war es wohl so, dass zunächst einige gedacht haben, dass das so eine Art konservativere Union sei. Aber spätestens nachdem die Mitgründer Lucke und Henkel die Partei fluchtartig verlassen haben, hätte eigentlich jedem klar sein müssen: Hier agieren nicht bürgerlich-konservative, sondern stramm rechtsradikale und nationalistisch ausgerichtete Personen. Jüngstes Beispiel: Der AfD-Beschluss zum Austritt aus der EU. Hätte es mit Lucke und Henkel nie gegeben, selbst Meuthen war ja entsetzt.

ET: Aber wie ernst ist es nun um die CDU bestellt? 

Bosbach: Nehmen wir zunächst mal den Zeitraum Frühjahr 2020 bis zum Jahreswechsel. In den neun Monaten hat die CDU deutlich an Zuspruch gewonnen. Die Bevölkerung hat das Krisenmanagement der Union als durchaus beachtlich angesehen. Wir haben die Bilder gesehen aus Italien, aus England, aus den USA – solche Bilder hatten wir bei uns in Deutschland nicht.

Da hat sich der Eindruck verfestigt, die Union kann Krise. Je schwieriger die Lage wurde, umso mehr sind die Umfragewerte auch wieder eingebrochen. Das hängt stark – aber nicht nur – mit dem Thema Impfen zusammen. Die sogenannte ‚Maskenaffäre‘ kam dann noch erschwerend hinzu.

Wir sehen in Ländern wie Israel, Großbritannien oder den USA eine enge Verknüpfung zwischen dem Impffortschritt und der Wiedergewinnung der Freiheitsrechte, also der Rückkehr in den Alltag, oder wenn Sie so wollen ‚in die Normalität‘. Wir liegen weltweit ungefähr auf Platz 35, was die Impfquote angeht. Und dann sagen natürlich viele für mich verständlicherweise: Wir sind eine der größten Industrienationen der Welt, Deutschland war immer stark in den Bereichen Organisation, Logistik, Technik – warum schaffen wir das nicht, was andere Länder auch schaffen können?

Vielen Menschen dauert es einfach zu lange, bis wir die Pandemie überwunden haben. Was uns im zweiten Halbjahr 2020 geholfen hat, nämlich Daumen hoch für das Krisenmanagement der Bundesregierung, das verlieren wir jetzt wieder an Vertrauen. Und je rascher wir wieder in unsere Normalität des Alltags zurückkehren und wirtschaftlich erstarken, um so mehr wird auch wieder Vertrauen zurückkehren in die Regierung und damit auch in die CDU. Sofern der Personenstreit jetzt nicht weiter anhält.

ET: Ein paar Worte zu den beiden Kanzlerkandidaten?

Bosbach: Ich hoffe, dass das jetzt schnell entschieden wird, sonst wird sich bei der Bevölkerung immer weiter der Eindruck verfestigen, die Union beschäftigt sich mehr mit sich selber als mit der Lösung von Problemen.

ET: Wer wird das Rennen machen?

Bosbach: Die Entscheidung liegt in erster Linie jetzt bei Armin Laschet. Wenn er an der Kanzlerkandidatur festhält, wird er es auch werden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es dann Markus Söder auf einen Machtkampf ankommen lassen wird – denn darauf würde es ja hinauslaufen.

ET: Was würden Sie der Bundesregierung raten, wie sie die Krise jetzt schnellstmöglich überwinden kann?

Bosbach: Entscheidend ist, dass wir beim Impfen viel schneller werden. Ich halte auch die Novellierung des Infektionsschutzgesetzes für richtig. Wir brauchen bundesweit einheitlich verbindliche Maßstäbe. Ich sehe allerdings zwei Probleme: Einmal die Zahl 100 als singulären, alleinigen Maßstab. Andere Parameter wie R-Wert, Belastung des Gesundheitssystems, Fortschritte beim Impfen werden gar nicht berücksichtigt. Das sehe ich kritisch, weil natürlich jede Planung ausgesprochen schwierig wird.

Innerhalb von Tagen kann aus der Zahl 80 100 werden und dann wird alles runtergefahren. Und dann nach kurzer Zeit sind wir dann wieder bei 90, dann wird wieder alles hochgefahren und dann sind wir wieder bei 103 und dann wird wieder alles runtergefahren. Also ich fürchte, dass wir dann in eine schwierige Lage kommen, in der wir permanent pendeln zwischen Öffnung und Schließung.

Die Frage, wie viele schwere Verläufe es denn bei den festgestellten Krankheitsfällen gibt und ob es sich um eine Clusterbildung oder ein diffuses Infektionsgeschehen handelt, wo wir gar nicht wissen, wer sich wann, wo, wie angesteckt hat, wird dabei ja gar nicht berücksichtigt. Hinzu kommt, dass von einer generellen Ausgangssperre auch Personen betroffen wären, die zum Beispiel durch Impfung weder selber gefährdet wären noch andere gefährden könnten. Auch denen einen Spaziergang nach 21 Uhr zu verbieten, ist verfassungsrechtlich sehr fragwürdig.

ET: Das mit der Öffnung und Schließung könnte man dann theoretisch ewig fortführen, oder?

Bosbach: Ewig nicht, weil wir ja bis Juni, Juli deutliche Impffortschritte haben werden in Richtung Herdenimmunität. Aber mit ein paar Wochen ist das natürlich nicht getan. Das wird länger dauern. Wir haben neun Nachbarländer. Davon haben nur zwei eine niedrigere Inzidenz als wir. Große Nachbarn wie zum Beispiel Frankreich liegen erheblich über unseren Zahlen. Die Grenzen sind offen, es geht permanent hin und her. Jeder Vergleich mit einem Inselstaat ist daher untauglich.

ET: Dann wären wir ja schon nah an den Bundestagswahlen und es könnte eng werden für die CDU, noch einmal an Wählergunst hinzuzugewinnen?

Bosbach: Die Bundestagswahlen sind erst im September und ich glaube, sobald sich die Lage verbessert, werden wir auch wieder Vertrauen und Zuspruch bekommen. Allerdings ist die Situation schon sehr ernst. Ich gehöre nicht zu denjenigen, die sich das schönreden. Wir haben ja auch zwei enttäuschende Wahlergebnisse erlebt in Baden-Württemberg und in Rheinland-Pfalz.

Also das waren für die CDU schon bittere Ergebnisse. Meine Befürchtung ist, wenn wir nicht rasch diese K-Frage entscheiden und wenn wir danach nicht geschlossen den neuen Spitzenmann unterstützen, egal ob Armin Laschet oder Markus Söder, dann wird es für uns schwer. Umgekehrt, wenn wir das schaffen, dann können wir auch wieder in die Erfolgsspur zurückkehren.

ET: Noch eine Prognose für die Wahlen? Könnte es am Ende eine schwarz-grüne Koalition auf Bundesebene geben?

Bosbach: Ich bin ja nicht dafür, dass wir jetzt Koalitionsspekulationen anstellen, sondern einen Unionswahlkampf machen. Ich bin auch nicht für ein Koalitionswahlprogramm. Ich bin für ein Unionswahlprogramm. Alles andere sehen wir danach. Also über die Frage, mit wem könnte die Union regieren, sollten wir uns am nächsten Tag unterhalten, nachdem gewählt worden ist. Erst dann wissen wir ja, was rechnerisch möglich ist.

Und dann kommt die Frage, was politisch inhaltlich möglich ist. Und da gebe ich dieselbe Antwort seit 1972: CDU und CSU sollten mit denjenigen politischen Partnern koalieren, mit denen wir unsere politischen Positionen am besten verwirklich können.

ET: Herzlichen Dank für das Gespräch. 

Das Interview führte Nancy McDonnell.



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