Jetstream laut Medien immer schwächer – Wissenschaftler uneins

Wird der Jetstream, der Einfluss auf länger andauernde Wetterextreme hat, schwächer oder stärker? Die Forscher sind sich uneins. Mögliche Einflüsse stammen sowohl aus der Arktis als auch den Tropen.
Wird der Jetstream stärker oder schwächer?
Animation des Jetstreams.Foto: NASA/Goddard Space Flight Center
Von 22. Februar 2022

Der Jetstream ist ein Starkwind, der in acht bis zwölf Kilometern Höhe wellenförmig und mit mehreren Hundert Kilometer pro Stunde rund um den Globus fegt. Er befindet sich in den mittleren Breiten und bewegt sich von West nach Ost. Durch seine horizontale Ausdehnung trennt er die kalten Polarluftmassen im Norden von den warmen subtropischen Luftmassen im Süden. Aus diesem Grund ist er maßgeblich für die Verlagerung von Hoch- und Tiefdruckgebieten verantwortlich. Doch wie steht es derzeit um den Jetstream – wird er wirklich schwächer?

2017 veröffentlichten die Forscher Michael Mann (Hauptautor des umstrittenen Hockeyschläger-Diagramms) und Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung eine Studie zum Jetstream. Darin warnten sie, dass die Jetstreamwellen im Zuge des Klimawandels ins Stocken geraten könnten. Dadurch würde ein Wechsel von Tief- und Hochdruckgebieten verhindert werden und Wetterextreme länger an einer Stelle verharren. Hauptursache sei dabei die sich stark erwärmende Arktis, da der immer kleiner werdende Temperaturunterschied zwischen Polarregion und Tropen den Jetstream schwäche.

Viele deutsche Medien übernahmen seither diese Hypothese und zogen den Jetstream auch als Ursache für die deutsche Flutkatastrophe im Sommer 2021 als Erklärung heran. So musste Claus Weber im Heute-Journal die Hypothese vorlesen, dass die starke Arktiserwärmung den Jetstream verlangsamt und daher das Hochwasser im Ahrtal mitverschuldete. Später kritisierten etliche Forscher, dass der Öffentlichkeit hier eine Vermutung als gesichertes Wissen verkauft wurde.

Kleber äußert sich kritisch zu der Jetstream-Kontroverse. So sei er schockiert, mit welcher Selbstverständlichkeit Urteile abgegeben werden, ohne dass recherchiert wurde. Doch der Widerspruch gegen die Potsdamer Jetstream-Hypothese kommt nicht nur von einzelnen Personen.

Unsicherheiten verschweigen …

Im September 2021 veröffentlichten Forscher um Matthew Osman eine Studie zum Jetstream während der letzten 1.250 Jahre. Darin berichten sie, dass sich der Jetstream noch voll und ganz innerhalb der natürlichen Schwankungsbreite bewege. Ein deutliches Anzeichen für eine Schwächung gebe es dabei nicht.

Wenig später veröffentlichte Andreas Frey in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ) den Artikel „Versagt der Puls des Wetters? Der Klimawandel schwäche den Jetstream, heißt es oft. Aber stimmt es denn?“. Darin analysiert Frey das Thema genauer und befragt auch kritisch gestimmte und selten von Medien angehörte Fachexperten. Einer von ihnen ist Volkmar Wirth, Atmosphärenphysiker und Jetstreamexperte an der Universität Mainz.

So erklärte dieser, dass es zwar richtig sei, dass sich die Arktis besonders stark erwärme, dies allein reiche aber nicht aus, um daraus einen geschwächten Höhenwind abzuleiten. Demnach gebe es noch einen wichtigen Gegenspieler, nämlich die höheren Luftschichten über den Tropen. Die hätten sich stärker erwärmt als über der Polarregion. Dies würde den Jetstream eher stärken als schwächen. Welcher der beiden Effekte am Ende dominiert, ist noch unklar, gibt Wirth zu bedenken. Die Klimamodelle ergäben ein uneinheitliches Bild.

… kritische Fragen umgehen

In seinem Artikel räumt Frey auch der anderen Seite Raum ein, die davon überzeugt ist, dass sich der Jetstream abschwäche und Extremwetter verursache. So wird unter anderem wiederum Rahmstorf genannt. Dieser schrieb in einer Spiegelkolumne 2020: „Schon jetzt verändern die Vorgänge in der Arktis auch bei uns das Klima“. Frey kritisiert, dass es Rahmstorf in dem Artikel versäumt habe, darauf hinzuweisen, dass es sich um eine heiß diskutierte Frage handelt.

Im Zuge seiner Recherchen fragte Frey bei Rahmstorf an, warum er bereits von einer Veränderung des Jetstreams durch die arktische Erwärmung ausgehe. Rahmstorf antworte, er könne – kurz vor dem Klima-Gipfel in Glasgow – dies aus Zeitgründen leider gerade nicht erläutern und verwies auf einen Kollegen.

Auch andere Forscher kritisieren die zu enge Sichtweise und zu schnell gezogenen Schlüsse. So bemängelt Douglas Maraun, Mitautor des Jetstream-Kapitels im aktuellen IPCC-Bericht, dass die Unterstützer der Hypothese zu simple Annahmen träfen. Außerdem würden die Befürworter vor allem Bodentemperaturen berücksichtigen, aber nicht die Vorgänge in der Höhe. Wenn sich die Annahmen von Maraun bestätigen, dann würde künftig der Jetstream nicht schwächer, sondern stärker werden.

Weitere Kritik kommt auch von Jochem Marotzke vom Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg. Er hält das Aussparen anderer Effekte wie der Erwärmung der Tropen in der Höhe für „intellektuelle Trägheit“. Man habe eine plausible und einfache Erklärung gefunden, und die möchte man offenbar nicht wieder verlieren.

Über den Autor:

Dr. Sebastian Lüning ist habilitierter Geowissenschaftler und publiziert regelmäßig in klimawissenschaftlichen Fachzeitschriften. Als Gutachter wirkte er an den IPCC-Berichten SR15, SROCC und AR6 mit. Zusammen mit Fritz Vahrenholt schrieb er die Bücher „Unerwünschte Wahrheiten: Was Sie über den Klimawandel wissen sollten“ und Unanfechtbar: Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutz im Faktencheck“. Auf YouTube moderiert Lüning zweimal wöchentlich die Nachrichtensendung „Klimaschau“.

Dieser Artikel erschien zuerst in der Epoch Times Wochenzeitung, Ausgabe Nr. 32, vom 19. Februar 2022 und im Original als Video unter dem Titel „Klimaschau #73: Der Jetstream ist gar nicht so verrückt wie lange angenommen“. (redaktionelle Bearbeitung ts)



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