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„Schuldenfallendiplomatie“

Chinas Entwicklung vom globalen Kapitalgeber zum Welt-Schuldeneintreiber

Die Belt-and-Road-China-Strategie zur Welt(handels)macht steht auch für strategische Kreditvergaben an Entwicklungsländer. Das stärkt die Verbreitung chinesischer Einflussgebiete und bringt zahlreiche geneigte Stimmgeber in der UNO – denn: Jedes Land hat eine Stimme. Das australische Lowy Institute gibt Einblicke.

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Die Eisenbahnstrecke zwischen China und Laos ist wesentlicher Bestandteil der Neuen Seidenstraße. Mit Kosten in Höhe von 5,9 Milliarden US-Dollar ist es größte öffentliche Infrastrukturprojekt, das jemals in Laos durchgeführt wurde.

Foto: Lauren DeCicca/Getty Images

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Lesedauer: 7 Min.

Das Lowy Institute in Sydney ist ein unabhängiger Thinktank, der sich mit internationalen politischen und wirtschaftlichen Fragen beschäftigt sowie Sicherheitspolitik. In einem aktuellen Bericht des Instituts wird vor einer großen Schuldenwelle gewarnt, mit der die ärmsten Länder der Erde in diesem Jahr konfrontiert sind. Der Grund dafür ist: Sie haben sich mit Chinas Belt-and-Road-Initiative (BRI) eingelassen – bekannt auch unter dem Namen „Neue Seidenstraße“.
Der kürzlich erschienene Report mit dem Titel „Peak repayment: China’s global lending“ beschäftigt sich mit den Tücken der globalen chinesischen Kreditvergabe und ihren Folgen. Studienführer Riley Duke hat dabei „Chinas Wandel vom führenden bilateralen Bankier zum obersten Schuldeneintreiber der Entwicklungsländer“ untersucht.
„Steigende Schuldentilgungen und ein drastischer Rückgang der Kreditvergabe haben Chinas Rolle in den Finanzen der Entwicklungsländer vom Kapitalgeber zum Schuldeneintreiber gewandelt“, erklärt der Forscher. Der zunehmende Druck der Schulden treffe vor allem die „ärmsten und verletzlichsten Länder der Welt besonders hart“, was durch den Rückgang der westlichen Entwicklungshilfe und Handelsbeziehungen noch verschärft werde.

Ärmste Länder der Welt mit Rekordschulden

Die wichtigsten Erkenntnisse der Studie weisen eine deutliche Warnung auf und deuten zugleich auf eine besorgniserregende Entwicklung hin. So werden die ärmsten Länder der Erde in diesem Jahr Rekordschulden von insgesamt 22 Milliarden US-Dollar an China zurückzahlen. Aus dem einstigen Kapitalgeber wird dadurch eine „Belastungsquelle für die Haushalte der Entwicklungsländer“.
Dem Lowy Institute zufolge übersteigen die alten Schuldenzahlungen für Belt-and-Road-Projekte von 2010 mittlerweile die neuen Kreditauszahlungen bei Weitem.
Obwohl China selbst ein großes Bankenproblem vor sich her schiebt – und dem Bericht zufolge deutlich weniger Kredite global vergibt –, investiert das Regime weiterhin in „strategische und ressourcenkritische Partner“ wie in seine Nachbarländer Pakistan, Kasachstan und die Mongolei. Weiterhin fließen chinesische Gelder auch in Länder, „die wichtige Mineralien oder Batteriemetalle exportieren“; Argentinien, Brasilien, die Demokratische Republik Kongo und Indonesien nennt die Studie.
Dabei kämpft China mit einem „selbst verschuldeten Dilemma“, wie Riley Duke es nennt. Der Forscher verweist darauf, dass es einen wachsenden diplomatischen Druck auf das Land gebe zur Umstrukturierung seiner „untragbaren Schulden“. Auch im Inland wächst der Druck, die „ausstehende Schulden, insbesondere gegenüber seinen quasi-kommerziellen Institutionen, einzutreiben“.
Von einem Rückgang des Zahlungsniveaus wird bis Ende des Jahrzehnts jedoch nicht ausgegangen. 22 dieser Rückzahlungsmilliarden betreffen die 75 ärmsten Länder der Welt. Infolgedessen sieht das Lowy Institute nicht nur eine wachsende Verschuldung dieser Länder, sondern auch „die Verdrängung wichtiger Ausgabenprioritäten wie Gesundheit, Bildung, Armutsbekämpfung und Klimaanpassung“.
Laut den Angaben entwickelte sich China seit Beginn des Jahrtausends innerhalb von rund 15 Jahren vom unbedeutenden Kreditgeber hin zum größten Anbieter neuer bilateraler Kredite an Entwicklungsländer.
2016 boomte die chinesische Kreditvergabe im Rahmen der Neuen Seidenstraße mit über 50 Milliarden US-Dollar an staatlich abgesicherten Krediten. Das war mehr, als alle westlichen Gläubiger zusammen vergeben haben, so der Bericht. Manche Länder schulden demnach mehr als 40 Prozent ihrer Gesamtlast dem kommunistischen Regime. Riley Duke:
„China ist in 53 Ländern der größte bilaterale Gläubiger und gehört in drei Vierteln aller Entwicklungsländer zu den fünf größten.“ China habe „einen überproportionalen Einfluss auf die Schuldentragfähigkeit der ärmsten und anfälligsten Länder der Welt“.
Duke verweist zudem auf den seit 2016 zu verzeichnenden Einbruch der Neukreditvergabe Chinas bei gleichzeitig starkem Anstieg der Schuldentilgungen. Nach der Pandemie hätten sich die neuen chinesischen Kreditvergaben bei rund 7 Milliarden US-Dollar pro Jahr eingependelt.
Dieser Wandel, so Duke, sei „gravierend“. Während die westlichen Länder (Pariser Club) in der Pandemie ihre Finanzierungen erhöht und antizyklische Unterstützung geleistet hätten, brach Chinas Kreditvergabe „genau dann ein, als sie am dringendsten benötigt wurde“. Dies habe zu großen Nettofinanzabflüssen geführt, „obwohl die Länder bereits unter starkem wirtschaftlichen Druck standen“, so der Experte.

Chinesisches Geld für globale Stimmen

Wie Duke weiter feststellt, spielen neue chinesische Kredite „auch bei diplomatischen Verhandlungen eine Rolle“. Das Regime nutze dies insbesondere als Instrument, um andere Länder zur Übernahme der „Ein-China“-Politik zu bewegen.
Während China sich damit in wichtigen internationalen Gremien, wie der UN-Generalversammlung oder dem UN-Menschenrechtsrat Macht verschafft – hier gilt, unabhängig von Größe oder Wirtschaftskraft „one country, one vote“ – bedeute diese Abhängigkeit für die Entwicklungsländer nicht nur eine hohe Schuldenlast, wie Duke erklärte, sondern behindere dort auch die Armutsbekämpfung und den Entwicklungsfortschritt, berge sogar „gleichzeitig wirtschaftliche und politische Instabilitätsrisiken“.
Bei der Frage, ob China die Schuldenzahlungen für geopolitischen Einfluss nutzen könnte, deutet Duke auf kritische Stimmen wie den indischen Professor für Strategische Studien, Brahma Chellaney, der dargelegt hat, dass Chinas Kreditboom in den 2010er-Jahren ein gezielter Versuch einer „Schuldenfallendiplomatie“ gewesen sei. Das Ziel:
„Länder in Schuldenprobleme zu treiben, um später geopolitische Zugeständnisse zu erzwingen.“
Angesichts Chinas Datenintransparenz verweist der Forscher darauf, dass die Schätzungen in seiner Analyse „wahrscheinlich das volle Ausmaß der staatlich geförderten Kreditvergabe Chinas“ unterschätzen würden – und die „chinesische Auslandskreditvergabe undurchsichtig“ bleibe.

Chinas Reaktion auf Lowy-Bericht

In einer ersten Reaktion des kommunistischen Regimes drehte die Sprecherin des chinesischen Außenministeriums, Mao Ning, die Kritik an der Schuldenpolitik Chinas um: „Eine kleine Zahl an Ländern“ wolle Peking dafür verantwortlich machen, dass Entwicklungsländer in Schulden versinken. „Aber diese Lüge kann die Wahrheit nicht verdecken“, so die Sprecherin. Es sei so, dass multilaterale Finanzinstitutionen und kommerzielle Gläubiger in Industrieländern die wichtigsten Gläubiger und Quellen des Drucks auf die Rückzahlung der Schulden in den Entwicklungsländern seien.
Chinas Neue Seidenstraße ist ein persönliches Prestigeprojekt von Staats- und Parteichef Xi Jinping auf dem Weg zu einem neuen, mächtigen China. Strategische Investitionen in Infrastrukturprojekte weltweit gehören ebenso dazu wie der Export der kommunistischen Staatsideologie.
Steffen Munter – Journalist und Autor. Er schreibt mit gesundem Menschenverstand über deutsche und internationale Politik, China und gesellschaftliche Entwicklungen.

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