Analyse
Löhne rauf, Jobs weg? Faktencheck zur Erhöhung des Mindestlohns
Die Mindestlohnkommission will die Lohnuntergrenze bis 2027 auf 14,60 Euro anheben – das sorgt für heftige Debatten. Besonders der Einzelhandel warnt vor Stellenabbau und Kostenexplosion. Epoch Times hat die Argumente geprüft und einem Faktencheck unterzogen. Eine Analyse.

Einzelhändler warnen vor einer Anhebung des Mindestlohns.
Foto: Georg Wendt/dpa
„Mein Verfassungsverständnis ist, dass ich die Verantwortung nicht einfach an Kommissionen delegiere. […] Am Ende hat der Gesetzgeber das Wort.“
Einzelhandel schlägt Alarm
„Der Einzelhandel kann im dritten Rezessionsjahr in Folge angesichts enger Margen und geringer Rücklagen weitere Kostensteigerungen nicht mehr schultern.“
Wie stichhaltig sind die Argumente des Einzelhandels?
Seit der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns in Deutschland im Jahr 2015 begleitete die Debatte über dessen Auswirkungen eine Vielzahl an wirtschaftlichen und politischen Entscheidungen. Bereits vor dem Start warnte eine Reihe von Ökonomen vor drastischen Arbeitsplatzverlusten. So prognostizierte das ifo-Institut im Jahr 2014, dass durch den neuen Mindestlohn bis zu 900.000 Jobs wegfallen könnten. Als dann im Januar 2015 der Mindestlohn eingeführt wurde, lag die Lohnuntergrenze noch bei 8,50 Euro.
Die düstere Prognose des Münchener Wirtschaftsinstituts bewahrheitete sich nicht. Eine Untersuchung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) aus dem Jahr 2022 ergab, dass bis zum Jahr 2020 lediglich rund 76.000 Beschäftigungsverhältnisse im Zusammenhang mit dem Mindestlohn weggefallen waren – und auch das nicht vorrangig durch Entlassungen, sondern durch einen Rückgang bei Neueinstellungen. Gleichzeitig fanden viele der betroffenen Arbeitnehmer eine neue Beschäftigung, oft in größeren und produktiveren Unternehmen. Dabei fand die Studie auch, dass es „nachteilige Effekte auf die Beschäftigung […] hauptsächlich in Ostdeutschland sowie in Betrieben, die einem hohen Wettbewerbsdruck ausgesetzt sind“ gab.
Diese Entwicklung weist auf einen tiefgreifenden strukturellen Effekt hin. Der Mindestlohn wirkte nicht nur als Lohnuntergrenze, sondern auch als ein Katalysator für Marktveränderungen. Eine Studie des Wirtschaftswissenschaftlers Christian Dustmann aus dem Jahr 2021 belegte, dass insbesondere kleinere, weniger wettbewerbsfähige Betriebe unter dem Druck der Lohnuntergrenze schließen mussten.
Ausgangslage anders als vor zehn Jahren
Allerdings ist die wirtschaftliche Ausgangslage heute eine andere als vor zehn Jahren. Während die Einführung des Mindestlohns 2015 in einer Phase des wirtschaftlichen Aufschwungs erfolgte, befindet sich Deutschland derzeit in einer konjunkturell angespannten Lage. Es droht das dritte Rezessionsjahr in Folge, und viele Unternehmen stehen unter Kostendruck. Vor diesem Hintergrund wirken die Sorgen der Arbeitgeber – insbesondere aus dem Einzelhandel – deutlich plausibler als noch vor einigen Jahren. Eine IAB-Studie vom Oktober 2024 verdeutlicht das: Bei einer Erhöhung des Mindestlohns von 12,41 auf 14 Euro gaben knapp 20 Prozent der befragten Unternehmen an, innerhalb eines Jahres Stellen abbauen zu müssen.
Doch auch hier gilt es, zwischen Prognose und Realität zu unterscheiden. Die genannten Werte beruhen auf Einschätzungen der Unternehmen, nicht auf tatsächlichen Entwicklungen. Die Studie beruht nach eigenen Angaben auf einer Stichprobe von 1.322 Betrieben aus der IAB-Stellenerhebung. Erfahrungen aus der Vergangenheit zeigen aber, dass Betriebe oftmals flexibler auf steigende Lohnkosten reagieren als zunächst angenommen. Maßnahmen wie Prozessoptimierung, Digitalisierung oder die Anpassung interner Arbeitsstrukturen führten in der Vergangenheit häufig dazu, dass erwartete Einschnitte abgemildert oder ganz vermieden werden konnten.
Mindestlohn hat eine soziale Dimension
Nicht zu vernachlässigen ist zudem die soziale Dimension des Mindestlohns. Denn unabhängig von konjunkturellen Schwankungen bleibt sein zentraler Zweck bestehen: Er soll Erwerbstätige vor Armut schützen. Laut EU-Definition, auf die sich unter anderem auch das „Statistische Bundesamt“ bezieht, gilt als armutsgefährdet, wer über weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens verfügt. Im vergangenen Jahr betraf das in Deutschland rund 17,6 Millionen Menschen – also 20,9 Prozent der Bevölkerung. Eine alleinlebende Person galt 2024 laut dem Statistischen Bundesamt als armutsgefährdet, wenn sie über weniger als 1.378 Euro netto pro Monat verfügte.
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