Berliner Polizei in der Kritik – wer entscheidet, was Hass ist?

Ist Hassrede eine Straftat? Die Berliner Polizei ist offenbar dieser Meinung – und droht Menschen auf Twitter mit einem Hausbesuch. Der Gegenwind ließ nicht lange auf sich warten. Nun ist die Kommentarfunktion gesperrt. Ist der deutsche Rechtsstaat in Gefahr?
Polizisten bei einem Einsatz Foto: geogif/iStock
Polizisten bei einem Außeneinsatz.Foto: iStock
Von 7. Dezember 2022

Die Polizei Berlin hat am 30. November mit einem Tweet für Aufregung in den sozialen Medien gesorgt. Sie leitete eine Ergebnismeldung des Bundeskriminalamts über 91 polizeiliche Maßnahmen weiter, die anlässlich des „8. bundesweiten Aktionstags gegen Hasspostings“ veröffentlicht worden war.

Der Retweet enthält folgenden Satz: „‚Die Würde des Menschen ist unantastbar‘ – auch im Netz, sonst klopft unser #LKA demnächst mal bei Ihnen. #HassistkeineMeinung“.

Wer entscheidet, was Hass ist?

Rund 1.000 Twitter-User reagierten überwiegend kritisch. Der Regisseur und Corona-Maßnahmenkritiker Dietrich Brüggemann kommentierte: „Liebe @PolizeiBerlin_E, ich finde diesen Tonfall wirklich hochproblematisch. Vom Inhalt mal ganz abgesehen, auch der beißt sich mit der FDGO. So. War das jetzt schon Hass? Klopft ihr jetzt auch an meiner Tür? Wer entscheidet darüber? Und seht ihr, was daran problematisch ist?“

Der Twitterer André beurteilt den Tweet als „lächerlich“. Seine Begründung: „Wenn dem so wäre, dann wären Ungeimpfte von Euch geschützt worden.“ Und Sabine Schindler schrieb: „Drohung und Nötigung ist eine Straftat, liebe Polizei. Sie haben geschworen, die Bevölkerung! zu schützen, nicht die Agenda des WEFs oder einzelner Politiker. Wo sind die aufrechten Beamten geblieben, die den Menschen in diesem Land dienen wollen und Gutes tun?“

Die Reaktion der Berliner Polizei: „Wir leben die freie Meinungsäußerung, aber niemand möchte in einer Gesellschaft leben, in der man vermeintlich anonym & ungestraft gegen Menschen hetzen & Hass verbreiten kann. Deshalb werden wir alle strafrechtlich relevanten Antworten konsequent verfolgen. #HassistkeineMeinung“.

„Juristischer Unsinn“

Das brachte den Gesetzeshütern erneut über 700 überwiegend kritische Reaktionen ein: „Juristischer Unsinn, verteilt von @polizeiberlin. Denn natürlich ist ‚Hass‘ eine Meinung und strafrechtlich komplett irrelevant, solange keine einschlägigen Straftatbestände verletzt werden. Dann ist es aber kein ‚Hass‘, sondern z.B. Beleidigung oder Volksverhetzung“, antwortete der User „Darkhorse“.

Andere Twitternutzer posteten Videos von Polizeiaktionen, die sich gegen Demonstranten zur Corona-Politik gerichtet hatten, wieder andere stellten öffentlich gemachte Aussagen von Maßnahmen- und Impfpflichtbefürworten ein, denen man ebenfalls Hassrede unterstellen könnte.

Vorläufiger Zwischenstand: Die Polizei Berlin sperrte die Kommentarfunktion. Begründung: „Wir werden der #Hassrede hier keine weitere Plattform bieten.

Reitschuster: „Hass nicht illegal“

Braucht es in Deutschland wirklich Aktionstage mit Hausdurchsuchungen wegen vermeintlicher Hasspostings im Internet? Der freie Journalist Boris Reitschuster positioniert sich in seinem Artikel „‚Klopf, klopf, klopf‘ – wie Berlins Polizei Angst schürt“ klar dagegen. Hass möge „zwar unschön“ sein, „aber eben nicht illegal“.

Der Tweet der Berliner Polizei markiere eine „Grenzüberschreitung“ und „Zynismus, wie im DDR-Stil“, meint Reitschuster. Womöglich handele es sich sogar um „Amtsmissbrauch“. Die Begründung:

„Im Artikel 5 Grundgesetz steht: ‚Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten.‘ Und dann: ‚Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze‘. Dass ‚Hass‘ vom Recht auf freie Meinungsäußerung ausgenommen ist, steht da nicht. Die Berliner Polizei pervertiert hier also – ganz im Geiste Merkels und der DDR – das Grundgesetz, indem sie eine Emotion gleichsetzt mit Straftaten.“

Rechtsstaat in Gefahr?

Auch die „Neue Zürcher Zeitung“ (NZZ) sieht das Verhältnis zwischen Staatsmacht und Bürgern in Deutschland längst angeschlagen und „rechtsstaatliche Prinzipien“ in Gefahr.

Autorin Fatina Keilani beanstandet in ihrem Kommentar „Wie dauernder Ausnahmezustand den freien Bürger klein halten soll – und weshalb sich das rächen könnte“ allerdings weniger den Umgang der Polizei mit vermeintlichen Hassrednern, sondern fokussiert sich auf die Reaktionen, mit denen „Klimaextremisten“ rechnen müssen.

Deren Grundrechte seien bedroht. So habe etwa der frühere deutsche Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) auf Twitter Justizminister und Innenministerin aufgefordert, „diese Klima-Kriminellen“ einfach wegzusperren. Keilani fragt: „Braucht es wirklich nur etwas Klebstoff und Kartoffelbrei, damit rechtsstaatliche Prinzipien über Bord gehen?“

„Schleichende Erosion der Werteordnung“

Der Jurist Hans-Jürgen Papier, ehemaliger Präsident des Bundesverfassungsgerichts, sieht den Rechtsstaat schon länger auf dem absteigenden Ast. Bereits im März 2021 warnte er in einem Interview mit der Zeitung „Welt“ vor einer „schleichenden Erosion“ der „Werteordnung unserer Verfassung“.

Mit Beginn der Corona-Krise seien Abweichungen von dieser Werteordnung festzustellen gewesen, die sich niemand zuvor habe vorstellen können, so Papier. Dabei seien Grundrechte „Freiheitsrechte gegenüber dem Staat, die jeder innehat und die für jeden gelten“.

Die „Menschen dieses Landes“ seien „freie Bürger“, die „über unveräußerliche und unentziehbare Freiheitsrechte“ verfügten, aber „keine Untertanen“.



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