Fasten: Zwischen religiösem Verzicht und modernen Ideologien

Es ist die Zeit der Besinnung und des Verzichts: Mit dem Aschermittwoch hat traditionell die Fastenzeit begonnen – aber nicht nur für Christen. Der Wunsch nach Selbstoptimierung ist in der breiten Gesellschaft vorhanden, wenn auch mit unterschiedlichen Motiven.
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Für Christen hat die Fastenzeit am 22. Februar 2023 begonnen.Foto: iStock
Von 6. März 2023

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Ein würzig, leicht rauchiger Duft von gebratenem Fleisch und Zwiebeln zog durch das ganze Treppenhaus. „Schmorbraten“, vermutete Manuel Widmer. „Der Nachbar tischt heute wohl wieder auf.“ Er wedelte mit der Hand durch die Luft und atmete tief ein.

Fleisch steht in den nächsten Wochen nicht mehr auf seinem Speiseplan. Dafür hat sich Widmer ganz bewusst entschieden. Auch auf Alkohol will er verzichten. Denn seit Aschermittwoch, 22. Februar, gibt es für die Christen die Fastenzeit.

Fasten als Gesundheitstrend

40 Tage lang üben sich die Gläubigen im Verzicht und erinnern sich dabei an die Leidensgeschichte Jesu und an seine Kreuzigung. Im Zentrum stehen die Besinnung auf den eigenen Glauben, die innere Reinigung und die Vorbereitung auf Ostern – auf die Auferstehung Jesu.

Früher war die offizielle Fastenordnung der katholischen Kirche sehr streng – mit zahlreichen Regeln, Verboten und auch Strafen. So waren beispielsweise feierliche Hochzeiten und Tanz während der Fastenzeit nicht erlaubt. Gefastet wurde im Christentum bereits seit dem 2. Jahrhundert.

In einer Phase, in der sich immer mehr Christen von der Kirche abwenden, gibt es heute kaum noch konkrete Vorschriften. Mit dem Wandel der Zeit zeigt sich auch das Fasten in Deutschland im völlig neuen Gewand. Der religiöse Aspekt wird zunehmend entkoppelt.

Stattdessen schiebt sich der Gesundheitsfaktor in den Vordergrund. Viele sehen das Fasten als eine Gelegenheit, um ein paar überschüssige Kilo loszuwerden. Bei dem einen oder anderen Trend ist auch eine politische Note deutlich erkennbar.

Kirche ruft zum Klima-Fasten auf

Der Klassiker beim Fasten ist der Verzicht auf Süßigkeiten, Fleisch oder Alkohol. 63 Prozent der Befragten halten es gesundheitlich für sinnvoll, mehrere Wochen gezielt auf Genussmittel oder Konsumgüter zu verzichten, wie eine Umfrage der Krankenversicherung DAK ergibt.

Und da immer mehr Menschen ihr Bewusstsein für den Klimawandel schärfen, verzichten einige auch gerne auf Lebensmittel mit langen Transportwegen. Das betrifft etwa die Avocado aus Peru oder den Apfel aus Neuseeland.

Die Kirche hat passend zum Trend die Aktion „Klima-Fasten“ initiiert. In jeder Fastenwoche steht ein Thema im Fokus. So lautet das Motto der ersten Woche etwa „Energie wertschätzen“. „Energie ist wertvoll und wir sollten damit sparsam und bewusst umgehen“, so der Appell.  In einer anderen Woche rückt der bewusste Umgang mit Rohstoffen in den Mittelpunkt. Plastik-Fasten ist angesagt.

Von Jammer-Fasten bis Tempo-Fasten

Wer im Alltag viel nörgelt und sich ständig über andere beschwert, für den gibt es das Jammer-Fasten. Inzwischen sind dazu zahlreiche Impulse im Internet zu finden, wie beispielsweise den Fokus auf das Positive richten, auf die Gedanken und Gefühle achten oder bewusste Worte wählen.

Im digitalen Zeitalter stehen immer mehr Menschen unter dem Zwang schneller, besser, flexibler und leistungsfähiger zu sein. Der Drang nach Entschleunigung wächst. Einmal einen Gang zurückschalten, die Hektik im Alltag reduzieren und sich Zeit für sich selbst nehmen. Die Idee des Tempo-Fastens ist geboren.

Weniger beliebt ist hingegen der zeitweise Verzicht auf das Smartphone oder auf Facebook, Twitter und andere soziale Netzwerke. 19 Prozent der Befragten würden sich laut der DAK-Studie auf einen „Digital Detox“ einlassen. Im Jahr 2014 lag der Wert noch bei 31 Prozent.

Eine Frage der Willensstärke

Menschen tendieren offenbar dazu, sich stets optimieren, kultivieren und verbessern zu wollen. Bei dem einen oder anderen fehlt vielleicht die Willensstärke, das auch umzusetzen, was er in seiner persönlichen Entwicklung für wünschenswert hält. Stichwort „sich verbessern“. Aber was heißt hier „besser“?

Früher war es der Glaube an Gott, der den Maßstab für eine ganze Gesellschaft vorlegte. Heute orientieren sich vor allem junge Menschen an Stars und Idolen. Andere schauen auf die Politik, lassen sich von der Informationsflut aus den Medien führen oder passen sich den aktuellen sozialen Bewegungen an. Wiederum andere sind noch auf der Suche nach dem inneren Kompass.

Wie unterschiedlich das Fasten heute auch praktiziert wird, so haben alle Formen des Verzichts doch eines gemeinsam: Sie fordern die Selbstkontrolle und Willensstärke heraus – wenn auch nur für 40 Tage.

Die Symbolzahl 40

Warum 40 Tage? Diese Zahl hat in der Bibel einen hohen Symbolwert und wird mehrfach erwähnt. So heißt es laut Überlieferung, dass Jesus selbst nach seiner Taufe 40 Tage in der Wüste gefastet und gebetet hat, bevor er sein öffentliches Wirken begann. Auch der Prophet Elija soll 40 Tage ohne Nahrung durch die Wüste gewandert sein.

An einer anderen Bibelstelle steht geschrieben, dass es bei der Sintflut 40 Tage und Nächte geregnet hat. Das Volk Israel wanderte nach dem Auszug aus Ägypten 40 Jahre durch die Wüste und Moses war 40 Tage auf dem Berg Sinai, bis er die Zehn Gebote von Gott erhielt.

Zählt man die traditionelle Fastenzeit von Aschermittwoch bis Karsamstag, sind es allerdings 46 Tage. Dies kommt daher, dass die Sonntage nicht mitgerechnet werden, da Christen an jedem Sonntag die Auferstehung Christi feiern.

Ein Anlass auch für Manuel Widmer, das Menü für den nächsten Sonntag zu überdenken – vielleicht doch ein Schmorbraten?



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