Grundsicherung
Bürgergeldreform: Verschärfen oder besser ganz neu anfangen?
Die geplante Bürgergeldreform wird den Steuerzahler kaum entlasten. Während der CDU-Wirtschaftsrat weitere Kürzungen und eine unbezahlte Tätigkeitspflicht für Empfänger vorschlägt, würde das Ifo-Institut am liebsten den gesamten Sozialleistungskatalog reformieren. Für den Arbeitsmarkt erwarten die meisten Bürger ohnehin keine großen Effekte.

Die neue Grundsicherung soll den Bundeshaushalt entlasten und gleichzeitig mehr Menschen in Arbeit bringen. Experten bezweifeln, dass beide Ziele erreicht werden (Symbolbild).
Foto: Sebastian Kahnert/dpa
In Kürze:
- Bundesarbeitsministerium legt regierungsintern den Gesetzentwurf zur Bürgergeldreform zur Abstimmung vor.
- Größere Entlastungen für den Bundeshaushalt nicht zu erwarten
- CDU-Wirtschaftsrat will künftige Grundsicherungsbezieher für „nicht-entlohnte Tätigkeiten“ heranziehen
- ifo-Institut würde Reform des gesamten deutschen Sozialleistungsangebots favorisieren
- YouGov-Umfrage: 63 Prozent befürworten neue Grundsicherung, 58 Prozent erwarten keine Effekte für den Arbeitsmarkt
Der Generalsekretär des CDU-Wirtschaftsrats, Wolfgang Steiger, wünscht sich Nachbesserungen beim Gesetzentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS), auf dessen Grundlage das Bürgergeld in eine „Grundsicherung für Arbeitssuchende“ transformiert werden soll.
Nach Angaben der „Allgemeinen Zeitung“ (AZ) handelt es sich aus Sicht von Steiger zwar um einen „Schritt in die richtige Richtung“, dieser gehe aber nicht weit genug. Steiger habe sich dafür ausgesprochen, die „übermäßigen Erhöhungen der Grundsicherung in den Jahren unter der Ampelkoalition“ rückgängig zu machen.
BMAS-Chefin Bärbel Bas (SPD) hatte Ende August zunächst lediglich eine erneute Nullrunde beim Bürgergeld für das Jahr 2026 durchgesetzt.
CDU-Wirtschaftsrat: Druck über obligatorische „nicht-entlohnte Tätigkeiten“ aufbauen
Wolfgang Steiger empfahl der Bundesregierung nun, künftig „standardmäßig“ nachzuprüfen, ob die Empfänger überhaupt arbeitswillig seien, indem man sie „für nicht-entlohnte Tätigkeiten“ heranziehe.
„Wer sich hier verweigert, dem sollte die Grundsicherung komplett gestrichen werden“, zitiert die AZ den CDU-Wirtschaftsratsgeneralsekretär.
Ein solches Vorgehen sei aus seiner Sicht als „Beitrag zur Haushaltskonsolidierung“ des Bundes zu verstehen, der „Spielräume zur Entlastung der Leistungsträger“ schaffen könne: Wenn es gelänge, rund ein Viertel der 3,9 Millionen erwerbsfähigen Bürgergeldempfänger in Arbeit zu bringen, würde der Staatshaushalt nach Berechnungen des CDU-Wirtschaftsrats damit jährlich um rund 30 Milliarden Euro entlastet.
Ifo-Institut will Sozialleistungskatalog entrümpeln und reformieren
Prof. Clemens Fuest (57), der Präsident des Münchener ifo-Instituts, plädierte in der „Bild“ dafür, Bürgergeld und Wohngeld zusammenzulegen und die Grenzen für das selbst erzielte Einkommen nach ifo-Ideen zu ändern. Über sämtliche Sozialtransfers hinweg könne dies „das öffentliche Budget um 4,5 Milliarden Euro entlasten und das Arbeitsangebot um 150.000 Vollzeitstellen erhöhen“.
Vorausgegangen war eine Analyse des Leiters des ifo-Zentrums für Makroökonomik und Befragungen, Prof. Andreas Peichl. Nach Durchforstung der gesetzlichen Grundlagen hatte er laut „Focus“ mehr als 500 verschiedene Sozialleistungen in Deutschland gefunden (Liste als PDF-Datei). Die Sozialgesetzbücher allein enthielten schon 3.246 Paragrafen – vom Kurzarbeitergeld bis zur Beratung zur HIV-Präexpositionsprophylaxe.
Referentenentwurf noch nicht publiziert
Das aktuelle Bürgergeld war erst Anfang 2023 als Nachfolger der Hartz-IV-Bezüge eingeführt worden. Der neue Gesetzentwurf für die Umwandlung hin zu einer Grundsicherung ist noch nicht öffentlich einsehbar. „Zum Referentenentwurf finden derzeit regierungsinterne Gespräche statt“, erklärte eine Sprecherin des BMAS auf Nachfrage der Epoch Times. Sobald die Ressortabstimmung eingeleitet werde, werde man das Papier auf der Website des Ministeriums publizieren. „Die weitere zeitliche Ausgestaltung bleibt abzuwarten“, so die Sprecherin.
Nach Informationen der AZ soll die Reform noch im laufenden Jahr zumindest vom Bundeskabinett auf den Gesetzgebungsweg gebracht werden.
Die enthaltenen Verschärfungen für Leistungsberechtigte waren am 9. Oktober im Koalitionsausschuss von Union und SPD verabredet worden.
Als Anreiz für die Arbeitsaufnahme sollen unter anderem strengere Regeln für die Maximalmiete und das eigene „Schonvermögen“ dienen. Vor allem die ebenfalls geplanten härteren Sanktionen für Mitwirkungsverweigerer hatten in den vergangenen Tagen für Diskussionen gesorgt: Wer Termine im Jobcenter mehrmals versäumt, dem sollen nach Vorstellungen von Bas zumindest zeitweise alle Leistungen gestrichen werden.
Laut Bas-Entwurf kaum Spareffekte zu erwarten
Falls der Referentenentwurf unverändert verabschiedet werden sollte, würde der Bundeshaushalt 2026 laut „Bild“ nur um 86 Millionen Euro entlastet werden. Das gehe aus den Berechnungen des Entwurfs hervor.
Nach Informationen der „Bild“ wurde die jährliche Sparsumme 2027 auf nur noch 69 Millionen berechnet, bevor schon 2028/29 sogar mit 10 beziehungsweise 9 Millionen Mehrausgaben gegenüber der alten Bürgergeldregelung kalkuliert werde. Der Grund dafür liege im zwar erhofften, aber steigenden Vermittlungsaufwand für die Arbeitsagentur.
Bas selbst hatte bereits am 9. Oktober eingeräumt, dass der Sparbetrag ihrer Reform „sehr klein“ sein werde. Der Regierung gehe es auch eher darum, „die Menschen in Arbeit zu bringen“, erklärte sie ihren Ansatz. Anfang September hatte Kanzleramtsminister Thorsten Frei (CDU) es noch für „sehr realistisch“ gehalten, durch einen verschärften Maßnahmen- und Regelkatalog 5 Milliarden einsparen zu können.
Mehrheit der Bürger: Grundsicherung zwar gerechter, aber ohne Belang für Arbeitsmarkt
Und was sagen die Bürger zu der von Bas erdachten Reform des Bürgergelds? Nach einer repräsentativen YouGov-Umfrage unter 2.256 Wahlberechtigten im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur befürworteten 63 Prozent die neue Grundsicherung. 21 Prozent waren dagegen. Gefragt wurde zwischen dem 10. und 13. Oktober.
Mit 54 Prozent glaubt nur eine knappe Mehrheit, dass die Grundsicherung für mehr Gerechtigkeit sorgen werde. Abermals jeder Fünfte (20 Prozent) vermutet das Gegenteil. 26 Prozent konnten dazu nichts sagen.
An einen spürbaren Effekt für den Arbeitsmarkt aufgrund der neuen Mitwirkungspflichten oder härterer Sanktionen glauben nur 25 Prozent. Mit 58 Prozent geht eine deutliche Mehrheit von Wirkungslosigkeit aus.
(Mit Informationen der dpa)
Patrick Reitler, geboren in den späten Sechzigerjahren am Rande der Republik. Studium der Komparatistik, Informationswissenschaft und Sozialpsychologie. Seit der Jahrtausendwende als Journalist hauptsächlich in Online-Redaktionen beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk und als Fußballkommentator unterwegs. Seit Ende 2022 freier Autor. Bei Epoch Times vorwiegend für deutsche Politik zuständig.
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