Kritik an Ruhs-Rauswurf
NDR verteidigt Entscheidung zum „Klar“-Format - ÖRR wegen Meinungsvielfaltsstreit vor Gericht
Der NDR-Fernsehprogrammdirektor Frank Beckmann hat den Entschluss verteidigt, die Journalistin und „Klar“-Macherin Julia Ruhs aus ihrer Moderatorenrolle zu entlassen: Inhalte seien wichtiger als Gesichter. Dass auch andere Präsentatoren zum Zug kommen sollten, sei „sowieso so geplant“ gewesen.

NDR-Fernsehprogrammdirektor Frank Beckmann will künftig für mehr Meinungspluralität im Programm sorgen. Dazu gehörten im Fall der Reportagereihe „Klar“ auch unterschiedliche Moderatoren. (Symbolbild)
Foto: Kimimasa Mayama/epa/dpa
In Kürze:
- NDR Programmdirektor Fernsehen Frank Beckmann hält an Austausch von Julia Ruhs als „Klar“-Moderatorin fest
- Beckmann: Sendung dreht sich um Themen, nicht um Moderatoren – künftig mehr Meinungspluralität und Nähe zum Zuschauer angestrebt
- CDU-General Carsten Linnemann will Rundfunkbeitrag einfrieren
- FDP-Vize Wolfgang Kubicki fordert Kündigung des Staatsvertrags mit dem NDR
Nach der massiven Kritik am Rauswurf der Journalistin und „Klar“-Moderatorin Julia Ruhs durch den „Norddeutschen Rundfunk“ (NDR) hat sich am Abend des 18. Septembers Frank Beckmann zu Wort gemeldet, der verantwortliche Fernsehprogrammdirektor des NDR.
Er könne „überhaupt nicht nachvollziehen“, dass Ruhs auf ihrem X-Kanal von „Cancel Culture“ gesprochen habe und die beiden Ministerpräsidenten Daniel Günther (CDU) und Markus Söder (CSU) Kritik an der Entscheidung geäußert hätten, gab Beckmann in einem hausintern geführten Interview zu verstehen (Audio).
Laut Beckmann sind derzeit sowohl vonseiten des NDR als auch vonseiten des kooperierenden „Bayerischen Rundfunks“ (BR) jeweils drei neue Ausgaben geplant. Der NDR mache also „doppelt so viel“. Damit werde man „das Thema ‚KLAR‘ und das Thema Meinungsvielfalt sogar eher verbreitern“.
Das Ziel von „Klar“ sei von Anfang an gewesen, einen „Beitrag zur Meinungspluralität“ zu schaffen.
Beckmann sieht keinen Nachteil für Julia Ruhs
Der NDR-Fernsehprogrammdirektor argumentierte, dass Julia Ruhs ja noch als Moderatorin für die drei geplanten „Klar“-Ausgaben des BR in Erscheinung treten werde. Damit werde sie „in genauso vielen Sendungen auftauchen wie in der Vergangenheit“.
Nach Beckmanns Darstellung war die Sendung „sowieso so geplant, dass wir sie auch mit mehreren Moderatoren präsentieren können“. Nicht ein bestimmter Moderator oder Präsentator sollte „im Mittelpunkt stehen“, sondern die Themen. Nachdem man die drei ersten „Klar“-Sendungen habe Revue passieren lassen, sei „für uns eigentlich eher logisch“ gewesen, die Sendung „mit mehreren Köpfen“ präsentieren zu können, „wenn man über das Thema Meinungspluralität“ rede.
Es sei eine „inhaltliche“ Entscheidung des NDR gewesen, künftig nicht mehr alleine Ruhs alle Folgen präsentieren zu lassen. Das sei „das Einzige, was wir ihr versagt haben“.
Vorsatz: Mehr Nähe zum Zuschauer und „alle Meinungen“ abbilden
Die Ansicht mancher Kritiker, dass es im öffentlich-rechtlichen Rundfunk an Meinungsvielfalt fehle, wies Beckmann mit einem „Nein“ zurück. Handlungsbedarf schien er dennoch zu sehen:
„Ich finde, erstens, wir können an vielen Stellen ja besser werden und wir müssen auch immer besser werden. Wir müssen auch immer gucken, wo wir Zielgruppen haben, die sich auch unterrepräsentiert fühlen. Und wir müssen auch gucken, ob wir an irgendeiner Stelle im Programm Dinge haben, wo wir sie ein Stückchen stärker ins Schaufenster und sichtbarer und hörbarer auch machen, diese Themen. Und das haben wir uns vorgenommen.“
Dabei handele es sich allerdings nicht um eine „Aufgabe, die wir nur für ein einziges Format haben“, sondern um eine Aufgabe, welcher sich der NDR bereits seit vielen Jahren verschreibe, wie Beckmann betonte. Diese gelte es, „in Zukunft noch weiter und noch stärker in unseren Fokus“ zu nehmen, „um einfach auch noch ein Stückchen näher an die Zuschauerinnen und Zuschauer, an die Zuhörerinnen und Zuhörer zu kommen“. Der NDR mache sein Programm schließlich für alle seine Beitragszahler. „Und deswegen müssen wir auch alle Meinungen auch abbilden bei uns im Programm“, sagte Beckmann.
Die Tatsache, dass Hunderte von Ruhs’ NDR-Kollegen aus anderen Redaktionen seit der Ausstrahlung des „Klar“-Piloten im April gegen die Newcomerin und ihr Format „Klar“ protestiert hatten, blieb im Interview mit Beckmann unerwähnt.
ÖRR vor Gericht: Anonyme Klägerin vs. BR
Die Frage, ob der öffentlich-rechtliche Rundfunk (ÖRR) seinen gesetzlichen Auftrag strukturell verfehlt, ein der Vielfaltssicherung dienendes Programm anzubieten, wird am 1. Oktober übrigens auch das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig beschäftigen. Sollten die Richter in dem Revisionsverfahren zu der Auffassung gelangen, dass tatsächlich eine strukturelle Verfehlung des Programmauftrags durch den ÖRR besteht, könnte die Pflicht zur Beitragszahlung mittelfristig auf der Kippe stehen.
Die Epoch Times hatte bereits mehrfach über die Klage einer anonymen ÖRR-Kritikerin berichtet, deren Anwälte sich in Leipzig gegen den BR durchsetzen wollen.
Der Öffentlich-Rechtliche unter Druck
Der Umgang mit Julia Ruhs beim NDR könnte den Beitragspflichtgegnern ebenso in die Hände spielen wie die Debatte um despektierliche Äußerungen mancher ÖRR-Mitarbeiter gegen den vor wenigen Tagen erschossenen amerikanischen Influencer Charlie Kirk.
Die Debatte um die Meinungsvielfalt im ÖRR zieht unterdessen immer weitere Kreise. Während sich zahlreiche auch hochrangige Politiker aus allen Parteien nun öffentlich für mehr Meinungsoffenheit starkmachen, sprach etwa der frühere „Tagesschau“-Redakteur, Epoch Times-Gastautor und Bestsellerautor („Inside Tagesschau“) Alexander Teske die Verflechtungen zwischen Politik und Medien an. Auf seinem X-Kanal wandte er sich direkt an den schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Daniel Günther.
Teske wies Günther darauf hin, dass es in Schleswig-Holstein ausgerechnet seine Partei gewesen sei, die mit den Grünen Jessica Leutert, eine Frau, in den Landesrundfunkrat entsandt hatte, welche im Programmausschuss des NDR persönlich Stellung gegen Julia Ruhs und das Sendeformat „Klar“ bezogen habe. „Als CDU eine Grüne zu schicken, wirft für mich Fragen auf“, schrieb Teske.
Linnemann will Rundfunkbeitrag einfrieren
CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann plädierte dafür, den Rundfunkbeitrag „auf dem jetzigen Niveau bis auf Weiteres“ einzufrieren. Der ÖRR müsse „seine Strukturen verschlanken“, forderte Linnemann im „Welt“-Interview (Video auf „Welt.de“).
Der Ausschluss von Ruhs beim NDR sei „bitter“ und bedeute einen „neuen Tiefpunkt in Sachen Debattenkultur in Deutschland“. Dabei hätten schon heute viele Bürger das Gefühl, nicht mehr alles sagen zu dürfen, weil sie andernfalls befürchteten, „in eine bestimmte Ecke gestellt“ zu werden.
„Wenn wir das Meinungsspektrum in Deutschland einengen, wenn wir nicht mehr die Breite an Meinungen zulassen, funktioniert Demokratie nicht“, so der CDU-Generalsekretär. Abgrenzen müsse man sich allerdings von „Extremisten, egal ob von rechts, von links oder islamistisch geprägt“. Diese hätten „in Deutschland nichts verloren“.
Kubicki für Ende des Staatsvertrags mit dem NDR
Der frühere Bundestagsvizepräsident und FDP-Parteivize Wolfgang Kubicki (FDP) ging noch einen Schritt weiter. Er sprach sich dafür aus, dass „die Staatsverträge über den NDR gekündigt werden“. Dafür werde er seine „ganze Macht“ einsetzen, denn nur so sei „eine Reform wirklich möglich“.
Der Jurist bezeichnete es als „unglaublich, dass ausgerechnet der öffentlich-rechtliche Rundfunk das Meinungsspektrum versucht zu verengen, weil einigen Mitgliedern dort die Meinung anderer nicht passt“. Dies sei „das genaue Gegenteil von Rundfunkfreiheit nach dem Grundgesetz“ (Video auf „Welt.de“).
Der Unionsfraktionsvorsitzende Jens Spahn nannte die NDR-Entscheidung auf seinem X-Account „sehr problematisch“. Wenn die Meinungsvielfalt gerade beim „gebührenfinanzierten Rundfunk“ eingeschränkt werde, sei dieser „nicht mehr in der Lage, die Probleme unserer Gesellschaft anzusprechen“. Dadurch bekomme der ÖRR „ein Rechtfertigungsproblem“.
Klingbeil: Unterschiedliche Meinungen machen „unsere Demokratie reicher“
Bundesfinanzminister und SPD-Parteichef Lars Klingbeil schlug eher versöhnliche Töne an: „Wir müssen aushalten, dass es unterschiedliche Meinungen gibt, dass es auch kontroverse Meinungen gibt“, sagte Klingbeil auf einer Veranstaltung der „Bild“. Dies müsse sich auch in den Medien widerspiegeln. Meinungen auszuhalten, die man selbst vielleicht nicht teile, mache „unsere Demokratie reicher“.
Heidi Reichinnek, die Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag, bezeichnete es im „Spiegel“-Interview als „wirklich hochproblematisch, wenn auf Druck von irgendeiner Seite etwas abgesetzt“ werde. Aus ihrer Sicht hätten Medien „nicht die Aufgabe, Meinung zu machen“. Sie sollten vielmehr „Austausch und Information ermöglichen“, und zwar „möglichst neutral, damit die Leute auch was davon mitnehmen“ (Video auf „Spiegel.de“).
Wolfram Weimer, der Gründer des konservativen Magazins „Cicero“ und heute parteiloser Kulturstaatsminister der Bundesregierung, gab zu bedenken, dass „in weiten Teilen der Bevölkerung“ der Eindruck bestehe, die Sender des ÖRR würden „politisch einseitig berichten“. Dies sei auch angesichts der Beitragspflicht, die dem ÖRR jährlich 8,7 Milliarden Euro einbringe, „ein Problem“. Immerhin lebten die Sender „von großer Akzeptanz“, so Weimer.
Nach Eklat um Julia Ruhs: Tanit Koch steigt ein
Nach dem aus Teilen der Bundes- und Landespolitik heftig kritisierten Aus für die dezidiert konservative Moderatorin Julia Ruhs in den vom „Norddeutschen Rundfunk“ (NDR) verantworteten Ausgaben des Fernsehmagazins „Klar“ hat der Sender eine Nachfolgelösung gefunden.
Die Journalistin Tanit Koch werde künftig die vom NDR verantworteten Folgen von „Klar“ moderieren und auch redaktionell an dem Format mitarbeiten, teilte der Sender am Freitag in Hamburg mit.
Koch arbeitet als Autorin beim Magazin „Focus“, davor war sie unter anderem Chefredakteurin der „Bild“-Zeitung und der Zentralredaktion des Privatsenders RTL. Außerdem leitete sie 2021 die Wahlkampfkommunikation für den damals bei der Bundestagswahl unterlegenen Unionskanzlerkandidaten Armin Laschet (CDU).
Das Magazin „Klar“ lief bisher mit drei Pilotfolgen, die alle von Ruhs moderiert wurden. Neue Folgen sind erst für 2026 geplant – die Sendung soll dann häufiger und laut NDR mit mehreren Moderatorinnen laufen.
Patrick Reitler, geboren in den späten Sechzigerjahren am Rande der Republik. Studium der Komparatistik, Informationswissenschaft und Sozialpsychologie. Seit der Jahrtausendwende als Journalist hauptsächlich in Online-Redaktionen beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk und als Fußballkommentator unterwegs. Seit Ende 2022 freier Autor. Bei Epoch Times vorwiegend für deutsche Politik zuständig.
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