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Meisterwerk der Antike

„Geflügelter Sieg“: Die Geheimnisse der Nike von Samothrake

Obwohl die gebrochene und aus Schutt und Staub aufgestiegene Nike von Samothrake ein weltberühmtes Meisterwerk ist, birgt die über 2.000 Jahre alte geflügelte Siegesgöttin noch heute viele Geheimnisse.

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Die Nike von Samothrake gehört zu den berühmtesten Kunstwerken, die im Pariser Louvre ausgestellt sind.

Foto: Gemeinfrei

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Lesedauer: 11 Min.

Der Louvre in Paris zieht jedes Jahr Millionen Besucher an. Zu seinen fünf größten Kunstwerken gehört die „Nike von Samothrake“, eine antike griechische Statue aus der Zeit um 190 v. Chr. Mit ihrer lebendigen Haltung auf einem angedeuteten Schiffsbug am oberen Ende der Daru-Treppe des Museums ist die Nike ein Zeugnis klassischer Schönheit, Bewegung und Anmut.
Die geflügelte Frau war erstmals 1884 im Louvre zu sehen. Seitdem weckt sie die Fantasie des Publikums und zieht es in ihren Bann. Für Wissenschaftler ist die weltberühmte Statue dagegen schwer fassbar und wurde immer wieder umfassend restauriert.
Nike von Samothrake (Frontansicht)

Die Nike von Samothrake ist eine der berühmtesten Statuen aus der griechischen Antike.

Wer ist die geflügelte Frau?

Die Nike von Samothrake ist eine Statue der gleichnamigen griechischen Göttin Nike. Sie ist die Verkörperung des Sieges in militärischen Schlachten sowie sportlicher und künstlerischer Wettbewerbe.
Verehrt wurde sie seit der Antike und war bei den Römern unter dem Namen Victoria bekannt. Diese göttliche Verkörperung des Sieges findet sich in verschiedenen Bereichen der Klassischen Welt wieder – darunter Statuen, Gemälde, Schmuck und Münzen.

Diese griechische Silbermünze aus dem 3. Jh. v. Chr. zeigt die Siegesgöttin Nike auf dem Bug eines Schiffes.

Die monumentale Statue im Louvre ist samt Schiffsbug 3,28 Meter hoch – die Göttin selbst 2,45 Meter. Außerdem ist sie aus Marmor von Paros, einer Kykladeninsel, gefertigt. Parischer Marmor ist reinweiß, feinkörnig, halbtransparent und makellos und somit einer der hochwertigsten griechischen Marmore.

Die fragmentierte Nike von Samothrake

Der „geflügelte Sieg“ wurde auf Samothrake gefunden, einer felsigen Insel in der nördlichen Ägäis nahe der türkischen Meerenge der Dardanellen. Sie war einst im Heiligtum der großen Götter aufgestellt, einem Komplex mit einem Dutzend Tempeln und anderen heiligen Gebäuden. Um dorthin zu gelangen, mussten die Gläubigen, die aus der gesamten griechischen Antike kamen, einen niedrigen Hügel der Bergreihe Saos erklimmen.
Ursprünglich war die Statue in großer Höhe angebracht, damit sie von Besuchern aus der Ferne, wahrscheinlich auch vom Meer aus, gut gesehen werden konnte. Der Louvre stellte das Werk am oberen Ende der Daru-Treppe auf, um diesen Augenblick zu verdeutlichen.
Nike von Samothrake im Louvre

Die Nike von Samothrake ist im Louvre auf der Daru-Treppe aufgestellt.

Foto: Martin Bureau/AFP via Getty Images

Wer die Nike vor rund 2.000 Jahren erschaffen hat, ist derzeit unbekannt. Dafür wissen Historiker heute ganz genau, wo die Statue einst aufgestellt war, was bei nicht vielen antiken griechischen Statuen der Fall ist.
Viele Wissenschaftler glauben, dass die Statue zum Gedenken an einen Seesieg geschaffen wurde – aber die genaue Schlacht ist unbekannt. Jahrhunderte nach ihrer Entstehung fiel sie von ihrem Sockel und zersprang in viele Teile. Die Nike blieb lange Zeit verloren, bis ein Mann sie 1863 wieder ausgrub.
Der französische Diplomat und Amateurarchäologe Charles Champoiseau (1830–1909) entdeckte die Nike von Samothrake in 110 Fragmenten. Später kam die Statue nach Paris, wo sie Restauratoren nach den Kriterien des 19. Jahrhunderts wieder zusammensetzten.

Das Heiligtum der großen Götter auf Samothrake umfasst mindestens 20 größere und kleinere Bauten – darunter einen Brunnen, wo die Statue der Nike aufgestellt war (Nummer 9).

Stück für Stück zum „Sieg“

Ihr gesamter rechter Flügel, dessen ursprünglicher Zustand sich nur aus den kürzlich entdeckten Bruchstücken erschließen lässt, besteht aus Gips. Die modernen Restauratoren brachten ihn symmetrisch zum erhaltenen linken Flügel an. Heute würden derartige Maßnahmen, die rein auf Spekulationen beruhen, nicht mehr durchgeführt werden. Dennoch beschloss der Louvre, die Statue so aufzustellen.
Bei einer späteren Ausgrabung in den 1870er-Jahren wurde der Sockel der Statue gefunden. Dieser besteht aus einer Grundplatte und dem realistisch gestalteten Bug eines Kriegsschiffes aus grauem Rhodos-Marmor. Kopf und Arme der Nike von Samothrake sind bis heute verschollen.
Nike von Samothrake (Seitenansicht)

Die Statue selbst ist aus weißem Parischen Marmor gefertigt, während der Schiffsbug aus grauem Rhodos-Marmor ist.

Die überlebensgroße Figur ist in einer luftigen und zugleich anschmiegsamen langen Tunika – einem sogenannten Chiton – sowie einem Mantel gehüllt und besitzt große gefiederte Flügel. Sie veranschaulicht die Merkmale der hellenistischen Kunst, die für ausdrucksstarke Bewegungen bekannt ist.
In den Jahren 1875 und 1950 folgte mit der Entdeckung der rechten Handfläche mit Daumen und Ringfinger weiterer Teile der Statue. Die 27 Zentimeter lange rechte Hand ist mit der Handfläche nach oben gerichtet – ein Zeichen des Sieges.
Jene Entdeckungen liefern Historikern wichtige Informationen, denn bis dato gingen sie davon aus, dass die Nike einen Lorbeerkranz oder eine Trompete in der Hand hielt. Diese sind typische Attribute der Siegesgöttin und auf vielen anderen Darstellungen der Nike zu sehen.

Darstellung der Siegesgöttin auf einer griechischen Keramik. Die Nike wird immer mit Trompeten oder Siegeskränzen dargestellt.

Alles in allem zeigt die Statue jenen Moment, in dem die vom Wind umhüllte, fliegende Siegesgöttin auf dem Bug eines Schiffes landet, um den Sieg zu verkünden. Abgerundet wurde dieser Anblick von einer Art Brunnenbecken, das die Statue in der Antike umgab und möglicherweise das Meer darstellte.

Glanzvolle Entdeckungen

2013 begann der Louvre mit einem 18-monatigen Restaurierungsprojekt, das zeitlich mit dem 150. Jubiläum zur Entdeckung der Nike von Samothrake zusammenfiel. Die Kosten beliefen sich auf vier Millionen Euro. Ein Viertel davon wurde über Crowdfunding finanziert, was erstmalig in der Geschichte des Louvre war.
Die Marmorplatten strahlten wegen Staub und Schmutz nicht mehr in ihrem früheren Glanz. Durch das Projekt erhielt die Statue ihren ursprünglichen weißen Farbton zurück. Bonna Wescoat, eine Archäologin der Emory University, die Ausgrabungen in Samothrake durchführt, war maßgeblich an der Restaurierung beteiligt. Sie erklärte gegenüber dem „Emory News Center“:
„Die Statue hat sich von einem dunklen, senfähnlichen Braun in ein wunderschönes, durchscheinendes Weiß verwandelt. Als das Licht aus den Fenstern in den Raum fiel, wo die Restauratoren des Louvre sie restaurierten, konnte man durch Teile der Statue hindurchsehen. Sie leuchtet einfach; es ist bemerkenswert.“
Restaurierung der Nike von Samothrake

Mitarbeiter des Louvre bei der Restaurierung der Nike von Samothrake.

Foto: Matthieu Alexandre/AFP via Getty Images

Die Restauratoren leisteten weitere wichtige Arbeiten. So bauten sie sieben Fragmente der Statue ein, die bereits Teil der Sammlung des Louvre waren. Andere kürzlich entdeckte Stücke, darunter Teile des Schiffsbugs und des rechten Flügels, verbleiben in ihrer Heimat Griechenland.
Doch die Forscher scannten die Fragmente von der Insel Samothrake dreidimensional ein, ließen diese drucken und integrierten sie so dennoch in der frisch restaurierten Statue. Eines der reizvollsten Details ist, dass das Team eine Haarlocke um den Hals der Nike freilegte, die seit den 1800er-Jahren durch Gips verdeckt war.

Die offenen Geheimnisse der Nike von Samothrake

Trotz der vielen Neuentdeckungen bleiben einige Fragen offen. Unter anderem jene, ob sich die Nike ursprünglich in einem geschlossenen Raum befand oder schutzlos über dem Heiligtum thronte und mit ihren Flügeln den Winden der Ägäis ausgesetzt war.
Interessanterweise unterscheiden sich die Hauptfedern der Statue von denen anderer antiker griechischer Kunstwerke und sogar von denen echter Mittelmeervögel. Wescoat glaubt, dass sich der fehlende rechte Flügel stark von dem bekannten linken unterscheidet. Sie vermutet, dass er die Auswirkungen des Windes auf echte Federn widerspiegeln sollte.
Die 2.215 Jahre alte Nike von Samothrake ist ein Meisterwerk und eine der berühmtesten Statuen, die aus dem antiken Griechenland erhalten sind. Sie ist zwar nicht mehr vollständig, aber das tut ihrer ewigen Schönheit und ihrem Geheimnis keinen Abbruch.
Bis heute ist das Bild der Nike ein wichtiger Bestandteil unserer visuellen Kultur. Die Göttin ist auf vielen olympischen Medaillen des 20. und 21. Jahrhunderts zu sehen, darunter auch auf den jüngsten für die Olympischen Sommerspiele 2024 in Paris.

Auf den Medaillen für die Olympischen Sommerspiele 2024 in Paris ist die Nike dargestellt.

Foto: Thomas Samson/AFP via Getty Images

Auf der Vorderseite der Medaille steht präsent die Nike inmitten des Panathinaiko-Stadions in Athen. Im Hintergrund – links und rechts neben der Siegesgöttin – erheben sich der Athener Parthenon auf der Akropolis und der Pariser Eiffelturm. Die Nike auf den Medaillen wirkt stolz und triumphierend – genau wie die geflügelte Siegerin im Louvre.
Dieser Artikel erschien im Original auf theepochtimes.com unter dem Titel: „The Wind Beneath Her Wings: ‚Winged Victory of Samothrace‘“. (redaktionelle Bearbeitung kms)

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