Fritz Vahrenholt: Die größten Fehler der Energiewende
In einem Gastkommentar spricht der ehemalige Hamburger Umweltsenator Prof. Fritz Vahrenholt unter anderem über Erwärmung und sinkende Temperaturen, das Pariser Klimaabkommen und vermeintliche Entwicklungsländer sowie über die staatlich verordnete Deindustrialisierung Deutschlands.
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Das Energieeffizienzgesetzt zwingt Deutschland zum Energie sparen. Damit einher geht ein Schrumpfen von Wirtschaft und Wohlstand.
Die globalen Mitteltemperaturen sind im Januar 2025 deutlich gefallen. Die Abweichung vom langjährigen Mittel der Satellitenmessungen beträgt nur noch 0,46 Grad Celsius. Damit setzt sich der seit September rückläufige Trend fort. Seither haben sich die Abweichungen von +0,96 Grad Celsius (September) schrittweise (Oktober +0,73; November +0,64; Dezember +0,62) halbiert.
Die Temperaturen im Januar 2025 überstiegen das langfristige Mittel um +0,46 Grad Celsius. Der langfristige Trend liegt weiter bei +0,15 Grad Celsius pro Jahrzehnt.
In den letzten 45 Jahren betrug die durchschnittliche Erwärmung 0,15 Grad Celsius pro Jahrzehnt, das entspräche 1,5 Grad in 100 Jahren. Das erklärte Ziel der Klimapolitik der UNO, Europas und Deutschlands ist es, die Erwärmung nicht über 1,5 bis 2 Grad Celsius ansteigen zu lassen. Die allein auf CO₂ abzielenden Maßnahmen stellen sich dabei zunehmend als untauglich, aber eben auch als unangemessen heraus.
Revidierter Beschluss des Bundesverfassungsgerichts nötig
Nach dem Ausstieg der USA aus dem Pariser Klimaabkommen sind nur noch die EU, Australien, Kanada, Südkorea, Japan und Großbritannien als Industrieländer übrig geblieben, die nach dem Pariser Abkommen zu Emissionsminderungen verpflichtet sind. Die genannten Staaten sind jedoch nur für ein Achtel der anthropogenen CO₂-Emissionen verantwortlich. Der deutsche Anteil beträgt 1,5 Prozent. Damit ist das Pariser Klimaabkommen wirkungslos, weil durch eine Ländergruppe mit einem Anteil von 12,5 Prozent des globalen CO₂-Ausstoßes die Reduktionsziele nicht erreicht werden können.
Das Bundesverfassungsgericht, das die CO₂-Reduktionsziele in Deutschland an dieses Abkommen gekettet und mit haarsträubenden Fehlern eine Nullemission für 2050 festgeschrieben hat, kann daher an seiner Position nicht mehr festhalten, ohne Deutschland weiter massiv zu schaden. Die Gelegenheit für das Bundesverfassungsgericht, diesen Beschluss zu revidieren, ist jetzt gegeben: Denn das Gericht kann die veränderte Erkenntnislage bei den neu eingereichten Klagen von Luisa Neubauer, Greenpeace, BUND und DUH berücksichtigen, die eine Verschärfung des deutschen Klimaschutzgesetzes verlangen.
Wenn das Bundesverfassungsgericht seinen damaligen Beschluss nicht revidiert, bleibt nichts anderes übrig, als dass die Bundesregierung und der Deutsche Bundestag den neuen Gegebenheiten Rechnung tragen und dem Beispiel der USA und Argentiniens folgen und ebenfalls aus dem Pariser Klimaabkommen austreten, solange China und arabische Ölstaaten sich unter dem Etikett der „Entwicklungsländer“ vor CO₂-Reduktionen in ihren Ländern drücken können.
Energieeffizienzgesetz: Das Deindustrialisierungsprogramm der Regierung
Der parlamentarische Untersuchungsausschuss zum Kernenergieausstieg der Ampelregierung hat zutage gefördert, dass das von Bundeskanzler Olaf Scholz im Herbst 2022 verfügte „Machtwort“, die letzten drei Kernkraftwerke bis zum 15. April 2023 weiterlaufen zu lassen, ein abgekartetes Stück war.
Als Preis für das Stillhalten der Grünen erzwangen diese vom Bundeskanzler, dass das umstrittene Energieeffizienzgesetz der Ampel durch den Bundestag gewunken werden sollte. Dieses Gesetz, das ohne Übertreibung als das deutsche Deindustrialisierungsgesetz bezeichnet werden kann, wurde dann tatsächlich am 19. April 2023 durch das Bundeskabinett verabschiedet, Ende September 2023 vom Bundestag beschlossen und trat am 1. Januar 2024 in Kraft.
Meister der Effizienz: In den vergangenen 20 Jahren wuchs die deutsche Wirtschaft gemessen am BIP um 87 Prozent. Dennoch blieb der Energieverbrauch konstant.
Angesichts dieser Entwicklung ist es höchst unwahrscheinlich bis völlig ausgeschlossen, dass die Wirtschaft weiter wachsen kann, wenn der Endenergieverbrauch halbiert wird. Das BIP wird schrumpfen. Der Bundeskanzler, die SPD und die FDP sind von den Grünen durch das Energieeffizienzgesetz auf einen Schrumpfkurs für unser Land geführt worden.
Keine Künstliche Intelligenz in Deutschland
Dieses Energieeffizienzgesetz ist ein wahres Monstergesetz planwirtschaftlicher Prägung und wird Deutschland, wie wir es kennen, zerstören. Daher ist es überraschend, dass über dieses grüne Deindustrialisierungsgesetz und seine zwingend notwendige Aufhebung in der nächsten Legislaturperiode nicht diskutiert wird.
Hierin wird auf 75 Seiten minutiös festgelegt, wie viel Prozent in jedem Bundesland Jahr für Jahr an Energie einzusparen ist und welche Einsparziele die Industrie und Haushalte zu erfüllen haben. Als ob in einem Land der Energiehöchstpreise nicht bislang jeder in Industrie und Haushalten versucht hat, Energie einzusparen.
Aber es ist viel schlimmer: Wir wissen alle, dass der Energieverbrauch in den nächsten Jahren durch den Einsatz künstlicher Intelligenz, Aufbau von Rechenzentren und zunehmender Digitalisierung steigen wird. Daher wird in den USA alles mobilisiert, um den steigenden Energieverbrauch mit sicherer und preiswerter Energie zu befriedigen, seien es Kernkraftwerke oder fossile Kraftwerke.
Der Bundesregierung fällt mit ihrem Energieeffizienzgesetz nur ein, wie man es den Betreibern von Rechenzentren in Deutschland schwerer machen kann: So sollen seit Anfang 2024 die Hälfte des Stromverbrauchs der Rechenzentren aus erneuerbaren Energien und ab 2027 – das ist in zwei Jahren – 100 Prozent aus erneuerbaren Energien stammen.
Was machen die Betreiber von Rechenzentren bei Dunkelflaute in Deutschland? Sie werden einen Bogen um Deutschland machen. Der Gesetzgeber kümmert sich nicht darum, Rechenzentren mit möglichst preiswerter Energie zu versorgen, sondern regelt, dass Rechenzentren mit hohem Kostenaufwand die Abwärme nutzen sollen. Auf diese Weise wird der Boom, der durch Künstliche Intelligenz erzeugt werden wird, an Deutschland vorbeigehen.
Erneuerbare-Energien-Gesetz und Energieeffizienzgesetz gehören abgeschafft
Mit dem Energieeffizienzgesetz spart sich die Bundesrepublik auf Geheiß der Regierung – oder Teilen davon – zum wirtschaftspolitischen Zwerg. Indes wird der Rest der Welt ihren Wohlstand im Einklang mit wachsendem Energieverbrauch steigern. Künstliche Intelligenz wird daran einen Anteil haben.
Aufstrebende neue Wirtschaftszweige (Mobilität, künstliche Intelligenz) und Wachstum in alten Sektoren (Industrie und Gebäude) werden den Energieverbrauch erhöhen. In Deutschland verbietet das Energieeffizienzgesetz dies.
Der Zusammenhang zwischen Energieverbrauch und Wohlstand wird auch an anderer Stelle deutlich und ist aus der Geschichte bekannt: In allen Ländern der Erde gibt es eine parallele Entwicklung zwischen Wohlstand, Energie- und Stromverbrauch. Auf diesen Zusammenhang bezieht sich auch die lesenswerte Broschüre des neuen US-Energieministers Chris Wright, „Bettering human lives“ – menschliches Leben verbessern.
Entwicklung, Wohlstand und technologischer Fortschritt gehen weltweit mit zunehmendem Energieverbrauch einher. Das Energieeffizienzgesetz soll den Energieverbrauch Deutschlands halbieren. Damit einher geht der Verlust von Wohlstand auf das Niveau von Mauritius, Brasilien und Thailand, knapp unterhalb des weltweiten Durchschnitts. Beide Achsen logarithmisch, Kreisgröße zeigt Einwohnerzahl, Farben zeigen Einkommensgruppen.
Ungeachtet dessen setzt(e) die Parlamentsmehrheit mit dem Energieeffizienzgesetz auf das falsche Pferd. Das Gesetz hat auch nichts mit Energieeffizienz zu tun, sondern ist ein planwirtschaftliches Einspargesetz. Es ist ein Weniger-Energieverbrauch-Gesetz und ein Weniger-Wohlstand-Gesetz.
Wie sehr Deutschland auf dem Holzweg ist, zeigt eine weitere Grafik von McKinsey, die die Produktionsbedingungen für Solarenergie und Windenergie weltweit vergleicht:
Deutschland (im Feld unten links) ist weder mit reichlich Sonnenenergie- noch reichlich Windkraftpotenzial gesegnet. Formen und Farben entsprechen Weltregionen.
Dargestellt sind oben gute Solareinstrahlung und rechts gute Windverhältnisse. Die schlechtesten Bedingungen findet man im Quadranten unten links (rot). Und dort finden wir Deutschland – jenes Land, das 100 Prozent seiner Energieversorgung aus erneuerbaren Energien erzeugen will. Jetzt versteht man, dass 100 Prozent erneuerbare Energien in Deutschland nur zusammengehen können mit einem „Energieverarmungsgesetz“ (Energieeffizienzgesetz). Beides gehört ersatzlos gestrichen, wenn es Deutschland wieder besser gehen soll. Folgende Fehler sind dafür zu beheben:
Solar- und Windenergie erfordern einen massiven Ausbau der Übertragungs- und Verteilnetze. Die Festlegung der Bundesregierung, die Hochspannungsgleichstromkabel unterirdisch zu verlegen, führt zu achtfachen Kosten. Nach Angaben des Bundesrechnungshofs kostet der Netzausbau aufgrund des Ausbaus von Solar- und Windenergie 460 Milliarden Euro, wodurch die Netzkosten explodieren. Industrie und Gewerbe, die heute bereits 4 Cent/kWh Netzkosten zuzüglich des Strompreises bezahlen müssen – in den USA liegen die Stromkosten insgesamt bei 3,5 Euro-Cent/kWh – müssen im Jahr 2030 mit 10 Cent/kWh Netzkosten rechnen. Die CDU wollen dies durch Subventionen aus Steuermitteln begrenzen, die Grünen durch Schulden (150 Milliarden Euro in vier Jahren).
Die Bundesregierung setzt auf zwei Energieträger: Solar und Wind. Das macht kein anderes Land der Welt. Um Flauten – etwa ein Drittel des Jahres weht in Deutschland praktisch kein verwertbarer Wind – und Dunkelheit bei Nacht und im Winter entgegenzuwirken, sollen 40 bis 50 Gaskraftwerke entstehen. Die Mehrkosten dieser für Wasserstoff geeigneten Kraftwerke sollen die Stromkunden zahlen. Weil die Wasserstoffelektrolyse durch grünen Strom und die spätere Rückverstromung dreiviertel der Energie verschlingt, ist dieser „Schildbürger-Strom“ viermal so teuer wie der Ausgangsstrom.
Die Grünen verfolg(t)en die Idee, durch Umgestaltung der Netzgebühren die Güterproduktion in Zeiten zu verlagern, in denen die Sonne scheint und der Wind weht. Die Regelung wäre umgesetzt worden, wenn die Ampelregierung nicht geplatzt wäre.
Die Energiewende hat das Ziel, den CO₂-Ausstoß Deutschlands mit Wohlstandsverlusten und Arbeitsplatzverlusten bis 2045 auf Null zu bringen. Bereits heute werden 57 Prozent der anthropogenen CO₂-Emissionen von Pflanzen und Ozeanen aufgenommen. Will man also den CO₂-Gehalt der Atmosphäre nicht weiter ansteigen lassen, reicht eine Halbierung der Emissionen. Dies müsste aber weltweit passieren und nicht nur in Deutschland und Europa.
Die CO₂-Emissionen pro Kopf in China (8,8 t) sind höher als in Deutschland (8,2 t). Bezogen auf das Bruttosozialprodukt emittiert China bei der Erzeugung von Gütern dreimal so viel CO₂ wie Deutschland. Jeder Arbeitsplatz, der in Deutschland bleibt, spart somit Emissionen. China muss seine Emissionen nicht reduzieren, denn es gilt nach den Regularien der UNO als Entwicklungsland. Allein im vergangenen Jahr sind die Emissionen Chinas um 640 Millionen Tonnen gestiegen. Damit übersteigt allein der Zuwachs die Gesamtemission Deutschlands.
Die EU hat mit Unterstützung Deutschlands ein Emissionshandelssystem für CO₂ eingeführt, das wie eine CO₂-Steuer in Höhe von derzeit 72 €/t CO₂ wirkt. Der Strompreis eines Braunkohlekraftwerks steigt auf diese Weise von 3 auf 10 Cent/kWh um über 200 Prozent, der Strompreis eines Gaskraftwerks um 50 Prozent. Zudem hat die Bundesregierung Erdgas, Heizöl, Benzin, Diesel für Bürger und Gewerbe mit einer Abgabe von 55 €/t CO₂ belegt. Das verteuert Dieselkraftstoff um 18 Cent pro Liter sowie Erdgas um 1,2 Cent/kWh. Letzteres führt zu einer Verteuerung unseres Erdgaspreises um etwa 20 Prozent.
Um ein weiteres Abstürzen der Wirtschaft zu verhindern, müssten die CO₂-Abgaben befristet massiv reduziert oder gar ausgesetzt werden. Ebenso ist es für die CO₂-Strafzahlungen für Verbrennerautos zu fordern. Dies müsste mindestens so lange gelten, bis unsere Hauptwettbewerber China ein vergleichbares Niveau der CO₂-Besteuerung erreicht hat.
Das deutsche Erdgasnetz, 550 000 km lang, etwa 270 Milliarden Euro wert, soll bis 2045 stillgelegt oder herausgerissen werden. Dazu verfügte die Ampelregierung die Verkürzung der Abschreibung von Gasnetzen bis zum Jahre 2045. Dadurch erhöhen sich die Gasnetzgebühren ab diesem Jahr um bis zu 20 Prozent.
In Deutschland besteht ein Fracking-Verbot, obwohl unter der norddeutschen Tiefebene preiswertes Gas mindestens für die nächsten 30 Jahre liegt. Stattdessen importieren wir teureres Fracking-Gas mit höheren CO₂-Emissionen aus den USA.
Die CO₂-Abscheidung bei Kohlekraftwerken, die günstiger ist als die Zahlung der CO₂-Abgabe, ist nach wie vor in Deutschland verboten. An der Entwicklung ist Deutschland maßgeblich beteiligt.
Die zivile Kernenergieforschung in Deutschland ist eingestellt worden. Sie ist politisch nicht gewollt und erhält keine Förderung.
Das deutsche Energieeffizienzgesetz schreibt die Halbierung des Energieverbrauchs fest mit einem jährlichen Rückgang um 50 TWh und führt zu einem wirtschaftlichen Schrumpfen Deutschlands.
Prof. Dr. Fritz Vahrenholt ist promovierter Chemiker, SPD-Politiker, Manager, Wissenschaftler und Buchautor. Seit 1976 arbeitete er unter anderem im Umweltbundesamt, als Staatsrat bei der Umweltbehörde und als Umweltsenator in Hamburg. Er war Vorstand für erneuerbare Energien der Deutschen Shell AG sowie Gründer und Vorstand des Windenergie-Anlagenbauers REpower Systems.
Seit 1999 ist er Honorarprofessor im Fachbereich Chemie der Universität Hamburg. Sein Bestseller „Seveso ist überall“ (1978) war eines der wirkmächtigsten Bücher in den Anfangsjahren der Umweltbewegung. 2020 erschien sein Bestseller „Unerwünschte Wahrheiten“ und 2021 folgte „Unanfechtbar – Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutz im Faktencheck“. www.vahrenholt.net
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