Philine Conrad: „Haben Sie nicht auch den Eindruck, irgendetwas stimmt nicht in unserem Land?“

Um das Thema „Kirche und Kultur nach Corona“ ging es in einem Streitgespräch der Internationalen Martin-Luther-Stiftung im Erfurter Rathaus. Die Schauspielerin Philine Conrad forderte in ihrer Eröffnungsrede, das Unrecht der Corona-Zeit und die Spaltung der Gesellschaft endlich wahrzunehmen. Am Ende stand ein Plädoyer für die Menschlichkeit.
Titelbild
Die Schauspielerin Philine Conrad verwandelte ihr Begrüßungsstatement zu einer Podiumsdiskussion in Erfurt in ein Plädoyer für die Menschlichkeit.Foto: Niklas Berg
Epoch Times28. Juli 2023

Am 18. Juli 2023 hat im Festsaal des Erfurter Rathauses die Diskussionsrunde „Kirche und Kultur nach Corona. Analyse, Debatte und Konsequenzen“ stattgefunden.

Eingeladen hatte der Vorsitzende der Internationalen Martin-Luther-Stiftung, Dr. Thomas A. Seidel. Er moderierte die teils hitzige Debatte. Auf dem Podium saßen:

  • Philine Conrad (Schauspielerin, Schriftstellerin, Malerin und Regisseurin, Köln)
  • Dr. med. Kirsten Jung (Erfurter Medizinerin)
  • Landesbischof Friedrich Kramer (Evangelische Kirche Mitteldeutschland)
  • Prof. Dr. Rochus Leonhardt (evangelischer Theologe und Ethiker)

Die Podiumsteilnehmer waren gebeten worden, zunächst zu beschreiben, welche besonderen Erfahrungen, Einsichten oder Begebenheiten sie während der „Corona-Jahre“ mit großer Kraft und Intensität bewegt, beschäftigt und beeinflusst hatten.

Die Epoch Times veröffentlicht im Folgenden mit freundlicher Genehmigung der Autorin das Eingangsplädoyer von Philine Conrad (PDF).

***

Ich freue mich, dass ich zu dieser Gelegenheit eingeladen wurde und hier sprechen darf. Vielen Dank!

Mein Thema ist die Kunst, die Kultur, das verbindende Element der Gesellschaft, das Tor zu Emotionen, Gefühlen, gesellschaftlicher und persönlicher Reflexion, Auseinandersetzung, Lebendigkeit, Muße und Hingabe – zusammengefasst: das Leben.

Ich bin ein „Blinddarm“. Ein „Leugner“. Ein „Nazi“.

Ich möchte mich einmal vorstellen: Ich bin ein „Blinddarm“. Ein „Leugner“. Ein „Nazi“ – „rechts“, „unsolidarisch“ und „egoistisch“.

Ich bin „dumm“, ein „Aasgeier“ und „Verweigerer“. Und ich bitte um Verständnis, ich unterscheide nicht mit Sternchen zwischen Aasgeiern und Aasgeierinnen. Das Geschlecht spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle. Ich bin eine „dumme Sau“, „zu kennzeichnen“ und soll „Sticker tragen“. Ich bin ein „Gefährder“, ein „Mörder“ und ein „Todesengel“. Ich bin ein „Gegner“. Gegen was? Ich bin ein „Muffel“. Eine „dunkle Gestalt“. Und soll „in einem Loch verschwinden, aus dem ich rausgekrochen bin“. Ich bin ein „Sozialschädling“. Und „bekloppt“. Sie kennen die Gründe für diese Bezeichnungen.

Irgendetwas läuft gerade verdammt schief

Guten Abend. Da bin ich. Und mit Ihnen zusammen in einem Raum. Das finde ich wunderbar. Denn das war lange Zeit nicht möglich. Ich durfte nicht rein. Dabei spreche und diskutiere ich gerne und tausche mich mit Neugier mit anderen aus. Dass das nicht ging, war ernüchternd, isolierend und schade.

Nein, ich denke nicht, dass wir uns zurück in eine Freiheit geimpft haben (Jens). Im Gegenteil. Ich persönlich spüre eine Enge, Scheren im Kopf, verschlossene Herzen und die Eigenermächtigung, auf der richtigen Seite zu stehen. Man hat uns getrennt. 60 Millionen gegen 20 Millionen. ¾ gegen ¼. Und das geht über das Thema Corona hinaus. Es ist ein Brennglas der aktuellen Zeit. Die Themen tauschen sich aus. Doch ich möchte Sie fragen: Haben Sie nicht auch den Eindruck, irgendetwas stimmt nicht in unserem Land? Irgendetwas läuft gerade verdammt schief.

Aber hier geht es nicht um mich. Hier geht es um die Gesellschaft. Das Miteinander. Und wie wir miteinander umgehen. Vor allem aber geht es um die Kunst – als Spiegel der Gesellschaft. Sie sollte hinweisen und warnen, wenn sich eine Gemeinschaft voneinander entfernt. Doch sie war still. Das Schweigen war lauter als die Schreie der gebärenden Frauen unter FFP2-Masken. Das Schweigen war lauter, als die hungernden Menschen auf den Straßen, die vor verschlossenen Essensausgaben standen. Das Schweigen war lauter als die Warteschlangen an kalten Regentagen vor den Krankenhäusern oder die Menschen, die im Winter zu Gottesdiensten vor den Kirchen auf kalten Steinen knieten. Das Schweigen war lauter, als die Unruhe der Kinder, die im Kölner Dom auf ihre Spritze warteten. Das Schweigen war lauter als die Rufe der Menschen, die alleine hinter Plexiglas in ihren Betten starben.

Wenn Unmenschlichkeit als „neue Normalität“ proklamiert wird

Möglicherweise fühlen Sie bereits jetzt eine starke Ablehnung gegenüber meiner Worte. Das ist in Ordnung. Ich bin nicht gekommen, um zu gefallen. Und auch nicht für Applaus. Ich bin gekommen, weil mir unsere Gesellschaft seit 3 Jahren verdammt wichtig geworden ist. Vor allem, wenn uns Unmenschlichkeit als „neue Normalität“ proklamiert wird.

Ich empfinde Traurigkeit und Mitgefühl. Für unser gesamtes Land. Für beide Länder, die wir einmal waren. Es zeigen sich Unterschiede. Der politische Geist ist aktiv. In einigen Teilen mehr als in anderen. Ich habe Mitgefühl, denn wir sind ein traumatisiertes Volk. Eine traumatisierte Gesellschaft. Und das haben die letzten Jahre, Monate und Wochen gezeigt. Wir tragen Hass, Abwertung und Arroganz in uns. Das ist schmerzhaft zu beobachten.

Worte und Taten passen nicht zusammen

Sie bemerken, mein Text ist aufgeladen. Ich möchte nicht polarisieren. Es geschieht von ganz allein, indem ich benenne, dass etwas falsch läuft in unserem Land. Natürlich ist das meine Ansicht. Sie dürfen gerne eine andere haben. Doch meine bekommen Sie nicht. Und ich werde sie auch nicht ändern, wenn sie Ihnen missfällt.

Ich bin verwundert und irritiert über unsere Gesellschaft und was sie gezeigt hat die letzten 3 Jahre. Nicht, DASS diese Dinge geschehen sind. Sondern dass dazu geschwiegen und gegen andere Auffassungen gehetzt, verleumdet und verachtet wurde. Dass Grundwerte und Überzeugungen verletzt werden. Dass Worte und Taten nicht zusammenpassen.

Wie finden wir wieder zueinander?

Was aber hilft uns, wieder Unterhaltungen zu führen – Sie wissen schon. Zwei Menschen tauschen sich aus, jeder mit einer eigenen Haltung. Eine Unter – Haltung.
Wie finden wir wieder zueinander?

Ich denke: Musik, Konzerte, Theater, Filme, Tanz – das, was über ein Jahr verboten war, bis heute eingeschränkt ist und wir unseren Beruf nicht mehr ausüben konnten, teilweise bis heute nicht können: Gemeinsames Erleben mit unbekannten Menschen in einem Raum. Kurzum: Nähe. Das Eintauchen in tiefere Sphären des Bewusstseins. Begreifen, dass man ohneeinander nicht kann, und es ein „ohneeinander“ nicht geben wird.

Und das geht nicht per Video-Stream.

Ich freue mich jedenfalls, jeden Einzelnen von Ihnen hier zu sehen. Jedes einzelne, offene, neugierige und wissbegierige Gesicht. Das ist Schönheit. Das ist Leben. Und vielleicht gibt es ja den einen oder anderen hier, der sich von meinen Worten sogar angesprochen fühlt.

Ich freue mich auf das Gespräch.

***

Anmerkung: Die aufgezählten Begriffe nach der ersten Zwischenüberschrift sind Zitate aus gängigen großen deutschen Medien/Zeitungen und Aussagen von Politikern. Alle Bezeichnungen wurden öffentlich so genannt, verlesen oder niedergeschrieben.

Philine Conrad hat ihr Plädoyer auch für ihren YouTube-Kanal eingesprochen:

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Die ganze Diskussionsrunde der Internationalen Martin-Luther-Stiftung im Erfurter Rathaus inklusive eines bemerkenswert kritischen Grußwortes der Thüringer Ministerpräsidentin a. D. Christine Lieberknecht ist nachsehbar unter folgendem Link:

https://us06web.zoom.us/rec/share/579CDuYc_eaJkfIgJ94or7SbGYqZeVf-kz_04g7US8gIAoJ92s6ujhgIkz-TsMVP.IZ8rL6JL-Cdgj91c?startTime=1689699183000

Kenncode: Nb394=al

Mehr zur Debatte „Kirche und Kultur nach Corona. Analyse, Debatte und Konsequenzen“ erfahren Sie auch auf der Website der Internationalen Martin-Luther-Stiftung.

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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