Cum-Ex-Skandal: Star-Jurist verklagt Olaf Scholz

Hat Olaf Scholz die Hamburger Warburg-Bank im Cum-Ex-Skandal geschützt? Einer der bekanntesten deutschen Strafverteidiger glaubt, dass dies so sein könnte und hat Anzeige gegen den Bundeskanzler erstattet. Im schlimmsten Fall droht dem SPD-Politiker Gefängnis.
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Olaf Scholz.Foto: MICHAEL KAPPELER/POOL/AFP via Getty Images
Von 26. Februar 2022

Gerhard Strate ist bekannt für medienwirksame Auftritte. Der Hamburger Rechtsanwalt und Strafverteidiger vertrat unter anderem den Porsche-Enkel und früheren Volkswagen-Patriarchen Ferdinand Piëch in der Dieselaffäre, an der Seite des Finanzunternehmers Carsten Maschmeyer stritt er gegen die Bank Sarasin und gegen Dirk Jens Nonnenmacher, Ex-Chef des Skandal-Finanzhauses HSH Nordbank, stellte er selbst Anzeige.

Nun nimmt der 71 Jahre alte Vollblut-Jurist mit Bundeskanzler Olaf Scholz den mächtigsten Mann im Staate ins Visier. Die 38 Seiten umfassende Anzeige liegt der Epoch Times vor. Strate beschuldigt Scholz der Beihilfe zur Steuerhinterziehung sowie einer falschen uneidlichen Aussage. 

Hintergrund: 2016 forderten Hamburger Finanzbeamte von der dort angesiedelten Privatbank M.M. Warburg für das Steuerjahr 2009 47 Millionen Euro zurück, die mutmaßlich aus illegalen Cum-Ex-Geschäften stammten. Doch die Behörde änderte ihre Meinung und verzichtete auf das Geld – kurz nachdem sich Scholz als Bürgermeister Hamburgs mit den Inhabern des Finanzhauses getroffen hatte. Mit seinem Nachfolger Peter Tschentscher und damaligem Finanzsenator, der ebenfalls von Strate angezeigt wurde, habe er seine „schützende Hand“ über die Bank gehalten, lautet jetzt der Vorwurf. Die Politiker hätten sich zu „Gehilfen der Steuerhinterzieher aus der Warburg Bank“ gemacht.

Scholz: „Das wäre eine politische Dummheit – und dazu neige ich nicht“

Hinter Cum-Ex-Geschäften verbergen sich dubiose Aktiendeals, mit der sich die traditionsreiche Bank über Jahre Steuergutschriften verschafft hat. Investoren, Banken und Aktienhändler hatten den Staat über Jahre um Milliarden Euro geschröpft. Dabei wurden Aktien mit („cum“) und ohne („ex“) Dividendenanspruch um den Stichtag der Dividendenzahlung hin- und hergeschoben. Banken, Börsenhändler und Berater ließen sich mit diesen Deals über Jahre hinweg Kapitalertragsteuer erstatten oder anrechnen, die zuvor niemand gezahlt hatte.

Der Bundesgerichtshof wertet diesen Griff in die Staatskasse als Steuerhinterziehung in besonders schwerem Fall. Experten taxieren den Schaden zulasten der Steuerzahler allein bei der 1798 gegründeten Privatbank auf mehr als sieben Milliarden Euro. 

Im April vergangenen Jahres erklärte Scholz vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft die Diskussion um die mutmaßliche Affäre für beendet. „Ich habe mich nicht in das Steuerverfahren Warburg eingemischt. Das wäre eine politische Dummheit – und dazu neige ich nicht“, so der SPD-Politiker. Bei anderslautenden Vermutungen handele es sich um „haltlose Schauermärchen“ aus politischen Gründen.

Dass Scholz doch eine politische Dummheit begangen haben könnte, legte ein siebenseitiges Dokument nahe, das Abgeordnete der Hamburgischen Bürgerschaft im August 2021 in den Untersuchungsausschuss gebracht hatten. Am 7. September, knapp drei Wochen vor der Bundestagswahl, kam die Hamburger Staatsanwaltschaft nach eineinhalb Jahren Vorermittlungen zu dem Schluss, dass sich keine zureichenden Verdachtsmomente für Straftaten ergeben hätten. Das Verfahren wurde eingestellt. Es hätten sich keine zureichenden Verdachtsmomente für Straftaten ergeben, argumentierte die Staatsanwaltschaft – und es gebe keinen Anlass, gegen Scholz und Verantwortliche der Hamburger Finanzverwaltung zu ermitteln.

Doch der Fall ist nicht abgeschlossen.

Trotz Bedenken die „Augen geschlossen und immer weitergemacht“

Mittlerweile ist Scholz Bundeskanzler und zählt zu den beliebtesten Politikern des Landes. Die Anzeige gegen ihn und Tschentscher könnte eine neue Wendung in die Cum-Ex-Affäre bringen. Denn der Jurist Strate, der auch im Verfassungsrechtsausschuss der Bundesrechtsanwaltskammer sitzt, bekam jüngst Schützenhilfe aus Bonn.

Das dortige Landgericht hat einen ehemaligen Manager der M.M. Warburg-Gruppe wegen Steuerhinterziehung in zwei besonders schweren Fällen zu einer Haftstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Richter sahen es als erwiesen an, dass der frühere Geschäftsführer einer Warburg-Tochter an Cum-Ex-Geschäften beteiligt war. Ausschlaggebend für die Strafzumessung war der hohe Steuerschaden von mehr als 100 Millionen Euro. 

Brisant: Eine Finanzbeamtin, die im Verfahren in Bonn als Zeugin aufgerufen wurde und unter dem Verdacht der Begünstigung, Strafvereitelung, Geldwäsche und Untreue steht, könnte nun auch Scholz und Tschentscher in Erklärungsnöte bringen. Zudem hat ein ehemaliger Geschäftsführer von Warburg-Invest, eine Tochterfirma der Hamburger Warburg-Bank, am 13. Verhandlungstag des dritten Cum-Ex-Prozesses in Bonn überraschend eingeräumt, an diesen Deals mitgewirkt zu haben und trotz Bedenken die „Augen geschlossen und immer weitergemacht“ zu haben.

Strate macht in seinem Schriftsatz auch der Hamburger Staatsanwaltschaft schwere Vorwürfe, weil sie bisherige Strafanzeigen gegen Scholz und Tschentscher wegen angeblich nicht zureichender Verdachtsmomente nicht verfolgt habe. 

„Trotz des sowohl von Dr. Tschentscher als auch Olaf Scholz betonten konsequenten Kampfes der Hamburger Steuerverwaltung gegen Cum-Ex-Geschäfte hielten sie über die Warburg Bank ihre schützende Hand“, schreibt Strate in seiner Anzeige – und fragt: „Warum wurden die Beschuldigten eines Ermittlungsverfahrens, bei dem es um Steuerhinterziehung im Rahmen von Cum-Ex-Gestaltungen in vielfacher Millionenhöhe geht, dreimal bis Ende 2017 vom Bürgermeister im Bürgermeisterzimmer empfangen und die Finanzbehörde mit Unterstützung des Finanzsenators zur Remonstration gegen die Weisung aus Berlin ermutigt? Und die Gespräche des Bürgermeisters mit den (von der Kölner Staatsanwaltschaft) Beschuldigten bleiben – auch vor diesem speziellen Hintergrund – bei ihm völlig erinnerungslos?“ Das sei „nicht ansatzweise glaubhaft.“

Kommt Tschentscher ins Stolpern, hat dies auch Sogwirkung auf Scholz

„Eine völlige Erinnerungslosigkeit – wie sie Olaf Scholz für sich in Anspruch nimmt – ist eine Erscheinung, die in der Aussage- und Gedächtnispsychologie nur im Rahmen einer sog. Posttraumatischen Belastungsstörung gelegentlich diagnostiziert wird. Dafür gibt es hier keine Anhaltspunkte.“

Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher könnte die Anzeige in ein politisches Dilemma bringen, glaubt der Investigativ-Journalist Oliver Schröm, der seit acht Jahren an der Aufdeckung des Cum-Ex-Skandals mitgewirkt hat. Nimmt die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen auf, muss sie nämlich auch einen Antrag auf Aufhebung der Immunität stellen. Anfang Mai muss sich der SPD-Politiker Tschentscher im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss in Hamburg erklären. Wäre er dann Beschuldigter, hätte er das Recht, die Aussage zu verweigern. Doch dies wäre politisch fatal für ihn, weil es einem Schuldeingeständnis gleichkäme. „Und kommt Peter Tschentscher ins Stolpern, hat es natürlich auch Sogwirkung auf Olaf Scholz“, unterstrich Schröm in einem Interview mit dem „NDR“.

Mit Blick auf den Bundeskanzler ist die Lage für den Autor des Buches „Die Cum-Ex-Files. Der Raubzug der Banker, Anwälte und Superreichen – und wie ich ihnen auf die Spur kam“ eindeutig: „Bei Scholz liegen die Indizien alle offensichtlich auf dem Tisch“, sagte der Investigativ-Journalist, der für „Panorama“ arbeitet, dem „Cicero“. „Deshalb lehne ich mich auch aus dem Fenster und sage: Wir haben einen Kanzler, der ein Lügner ist.“

Sollten dies auch die Richter in einem möglichen Strafverfahren so sehen, droht Scholz scharfer Gegenwind: Beihilfe zur Steuerhinterziehung kann in schweren Fällen mit einer mehrjährigen Haftstrafe belegt werden. Das Strafmaß auf eine falsche uneidliche Aussage: Gefängnis zwischen drei Monaten bis fünf Jahren.



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