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Rom bewilligt Transfer

Drahtzieher bei Nord-Stream-Anschlag? Serhij K. wird nach Deutschland überstellt

Der Oberste Gerichtshof Italiens hat entschieden, dass der Ukrainer Serhij K. nach Deutschland überstellt werden darf. Die Bundesanwaltschaft verdächtigt ihn, eine zentrale Rolle bei dem Anschlag auf die Nord-Stream-Pipelines im September 2022 gespielt zu haben.

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Das Symbolbild zeigt einen Teil der Landanlagen der Nord-Stream-Pipelines, die ursprünglich russisches Gas von Russland nach Deutschland transportieren sollten. Nach der unterseeischen Sprengung vom 26. September 2022 wurde nichts mehr geliefert.

Foto: Stefan Sauer/dpa

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Lesedauer: 5 Min.


In Kürze:

  • Kassationsgericht in Rom entscheidet: Der Ukrainer Serhij K. darf nach Deutschland ausgeliefert werden.
  • Serhij K. wird verdächtigt, einer der Drahtzieher bei der Zerstörung der Nord-Stream-Pipelines gewesen zu sein.
  • Die Überführung nach Deutschland wird in den nächsten Tagen erwartet.

 
Der Ukrainer Serhij K. darf nun doch an die deutschen Behörden überstellt werden. Das entschied am 19. November 2025 der Oberste Gerichtshof Italiens, die Corte Suprema di Cassazione in Rom, wie der Anwalt von K. mitteilte. Die „Deutsche Presse-Agentur“ (dpa) berichtete darüber.
Nach Einschätzung der Bundesanwaltschaft könnte Serhij K. einer der Drahtzieher sein, die für die Zerstörung von drei der vier unterseeischen Nord-Stream-Gasröhren in der Ostsee verantwortlich sind. Sollte er in Deutschland verurteilt werden, drohen ihm bis zu 15 Jahren Haft.
Laut dpa könnte K. bereits in wenigen Tagen der deutschen Polizei überstellt und in die Bundesrepublik geflogen werden. Als Gerichtsstand käme voraussichtlich Hamburg infrage.

Der Vorwurf: Verfassungsfeindliche Sabotage

Generalbundesanwalt Jens Rommel (FDP) geht davon aus, dass der 49-jährige Tatverdächtige die Sprengstoffexplosionen vom 26. September 2022 unweit der Ostseeinsel Bornholm herbeigeführt und sich damit der verfassungsfeindlichen Sabotage schuldig gemacht haben könnte.
Die beiden älteren der insgesamt vier Röhren hatten Gas von Russland nach Deutschland geliefert. Die beiden jüngeren Leitungen („Nord Stream 2“) gingen nie in Betrieb, da der damalige Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) die Zertifizierung der rund 11 Milliarden Euro teuren Infrastruktur bereits zwei Tage vor Kriegsbeginn verweigerte.
Nach dem Anschlag blieb nur eine der vier Pipelines intakt. Lieferungen finden aufgrund des Ukraine-Kriegs derzeit nicht statt.
K. soll laut Ermittlern mit einer proukrainischen Gruppe aus Tauchern und Sprengstoffspezialisten zusammengearbeitet haben. Diese sollen mutmaßlich mithilfe der gemieteten Segeljacht „Andromeda“ Sprengsätze an den vier Unterseepipelines angebracht und gezündet haben.

K.s Anwalt wehrte sich gegen Auslieferung

K. befindet sich seit Mitte August 2025 in Untersuchungshaft in einem norditalienischen Hochsicherheitsgefängnis. Er war zuvor auf Grundlage eines europäischen Haftbefehls festgenommen worden, während er mit seiner Familie Urlaub an der Adriaküste bei Rimini machte. Zunächst hatte ein Berufungsgericht in Bologna der Auslieferung zugestimmt.
Nachdem K.s Verteidiger Nicola Canestrini Einspruch eingelegt hatte, stoppte die Corte Suprema di Cassazione am 15. Oktober vorläufig die Auslieferung. Der Anwalt hatte eine Verletzung der Rechte seines Mandanten während des Verfahrens moniert. Das Gericht verwies den Fall an ein neu zusammengesetztes Richterteam zurück, das einen neuen Beschluss fassen sollte.
Ende Oktober bestätigte Bologna erneut die Auslieferung. K.s Anwalt legte Revision ein. Der Kassationshof in Rom ordnete eine erneute Anhörung für den 19. November an.
Nach dem zweiten Auslieferungsbeschluss begann Serhij K. laut dem Portal Onvista einen Hungerstreik, den er nach etwa einer Woche wieder beendete. Mit seinem Protest wollte er nach Angaben seines Anwalts auf die Haftbedingungen aufmerksam machen. Der Veganer leidet an Zöliakie und einer Bauchspeicheldrüsenentzündung und erhielt in der Untersuchungshaft keine geeignete Ernährung.

Polnisches Gericht prüft Auslieferung von Wolodymyr Z.

Der Fall des 46-jährigen ukrainischen Tauchers Wolodymyr Z. ähnelt dem von K. Der zweite mutmaßliche Drahtzieher im Nord-Stream-Fall wurde Ende September 2025 in Pruszkow bei Warschau festgenommen.
Ein Gericht in Warschau lehnte Mitte Oktober einen Auslieferungsantrag der deutschen Behörden ab und setzte die Untersuchungshaft aus. Nach Angaben der „Tagesschau“ soll ein polnisches Gericht am Freitag, 21. November, entscheiden, ob Wolodymyr Z. doch noch nach Deutschland überstellt wird.

Nord-Stream-Pipelines: Täter weiterhin unklar

Gut drei Jahre nach der Zerstörung der Nord-Stream-Pipelines in der Ostsee ist weiterhin unklar, wer für den Anschlag verantwortlich ist. Ermittlungen laufen international, eine abschließende Klärung steht aus.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj betont, dass sein Land nicht beteiligt war. Verschiedene Staaten haben sich bemüht, internationale Untersuchungen zu initiieren, bisher ohne endgültiges Ergebnis. Experten diskutieren zudem die technische Umsetzbarkeit des Anschlags.
Am 8. Februar 2023 sorgte der Journalist Seymour Hersh mit einem Bericht über mögliche Verantwortlichkeiten der USA für internationale Aufmerksamkeit. Die Vorwürfe werden jedoch kontrovers diskutiert und offizielle Stellen wiesen sie zurück.
Unmittelbar nach dem Anschlag nahmen Norwegen, Polen und Dänemark neue Gasleitungen in Betrieb, um die Energieversorgung sicherzustellen.
Patrick Reitler, geboren in den späten Sechzigerjahren am Rande der Republik. Studium der Komparatistik, Informationswissenschaft und Sozialpsychologie. Seit der Jahrtausendwende als Journalist hauptsächlich in Online-Redaktionen beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk und als Fußballkommentator unterwegs. Seit Ende 2022 freier Autor. Bei Epoch Times vorwiegend für deutsche Politik zuständig.

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