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Globaler Überblick: Anzahl von Atomwaffen pro Land
Seit Hiroshima sind Atomwaffen ein zentrales Machtinstrument der internationalen Politik. Unsere Analyse zeigt, wie unterschiedlich Staaten mit ihrem nuklearen Arsenal umgehen – aufgeschlüsselt nach Ländern und Motiven. Der weltweite Trend bleibt alarmierend: Die Abrüstung stagniert, neue Risiken wachsen.

Russland verfügt gemeinsam mit den USA über die meisten Atomraketen weltweit. (Archivbild)
Foto: -/YNA/dpa
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In Kürze:
Im Kalten Krieg gab es weltweit über 60.000 nukleare Sprengköpfe.
Offiziell haben derzeit neun Staaten 12.241 Atombomben, 2017 waren es noch mehr als 17.000.
Russland hat mehr einsatzbereite Sprengköpfe als die USA. Zusammen besitzen beide Länder mehr als 90 Prozent aller Sprengköpfe.
Intransparenz besteht bei den Ländern Indien, Pakistan, Israel und Nordkorea.
Als 1945 zwei Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki fielen, veränderte sich die Welt schlagartig. Zum ersten Mal hatte der Mensch eine Waffe geschaffen, die ganze Städte in Sekunden auslöschen konnte – und deren bloße Existenz seither die internationale Politik bestimmt. Während der Kalte Krieg von der Logik gegenseitiger Vernichtung geprägt war, hoffen viele heute auf Abrüstung und nukleare Kontrolle. Doch die Realität ist ernüchternd: Rüstungskontrollverträge geraten ins Wanken, und neue Technologien drohen, das fragile Gleichgewicht zu kippen.
Vom Manhattan-Projekt zur globalen Abschreckung
Die Geschichte der Atomwaffen begann in den 1930er-Jahren mit der Entdeckung der Kernspaltung. Im Zweiten Weltkrieg führten wissenschaftlicher Wettlauf und militärische Dringlichkeit zum Manhattan-Projekt der USA – dem Bau der ersten Atombombe. Am 6. August 1945 wurden Hiroshima und drei Tage später Nagasaki zerstört. Der Kalte Krieg sah ein nukleares Wettrüsten zwischen den Supermächten USA und Sowjetunion mit Spitzenwerten von über 60.000 Sprengköpfen weltweit. Der Atomwaffensperrvertrag von 1968 sollte die Weiterverbreitung stoppen, konnte sie jedoch nicht verhindern. Heute stehen Atomwaffen im Spannungsfeld zwischen Abschreckung, geopolitischer Macht und dem Wunsch nach Abrüstung.
Neun Atommächte – unterschiedliche Motive
Gegenwärtig verfügen neun Staaten offiziell oder de facto über Atomwaffen. Im Besitz der neun Atomwaffenstaaten befinden sich nach Angaben der Federation of American Scientists (FAS) aktuell 12.241 Atomwaffen. Das ist im Vergleich zu 2023 ein Rückgang. Nach Angaben des „SIPRI Yearbook 2023“ gab es im Januar 2023 weltweit schätzungsweise 12.500 Atombomben. Im Jahr 2013 waren es laut „SIPRI Yearbook 2013“ noch mehr als 17.000 Atomwaffen. Insbesondere die USA und Russland reduzierten in den vergangenen Jahren ihre Waffenbestände. Zusammen besitzen auch heute noch Russland und die USA fast 90 Prozent aller Atomwaffen auf der Welt.
Die fünf im Atomwaffensperrvertrag (NPT) anerkannten Atommächte – USA, Russland, China, Frankreich und Großbritannien – sehen sich in besonderer Verantwortung. Vier weitere Länder – Indien, Pakistan, Israel und Nordkorea – besitzen ebenfalls nukleare Kapazitäten, jedoch ohne völkerrechtliche Anerkennung oder Transparenz.
USA: Als erstes Land, das eine Atomwaffe entwickelte und einsetzte, sehen sich die Vereinigten Staaten bis heute als Führungsmacht in nuklear-strategischen Fragen. Das Arsenal wurde seit dem Kalten Krieg drastisch reduziert, aber gleichzeitig technisch modernisiert. Aktuell verfügt das Land laut FAS über rund 5.177 nukleare Sprengköpfe, etwa 1.670 davon gelten als einsatzbereit.
Russland: Das größte Arsenal weltweit befindet sich in russischer Hand – 5.459 Sprengköpfe sind nach Schätzungen der Federation of American Scientists gelagert, davon etwa 1.718 einsatzbereit. Russland investiert massiv in neue Trägersysteme, darunter Hyperschallwaffen und nukleare Unterwasserdrohnen. Die strategische Bedeutung der Atomwaffen hat unter Präsident Putin wieder zugenommen – auch als Signal an den Westen.
China: Mit einem vergleichsweise kleinen, aber schnell wachsenden Arsenal von etwa 600 Sprengköpfen, wovon 24 Bomben als einsatzbereit geschätzt werden, setzt Peking auf einen „minimum deterrence“-Ansatz, strebt aber zunehmend eine Zweitschlagfähigkeit an. Satellitenbilder, so schreibt SIPRI, zeigen den Bau neuer Siloanlagen, was auf eine strukturelle Aufrüstung hinweist.
Frankreich und Großbritannien: Beide Staaten halten kleinere Arsenale (jeweils unter 300 Sprengköpfen) vor. Frankreich setzt auf die sogenannte „Force de frappe“ als nationale Unabhängigkeitssäule. Großbritannien betreibt seine Nuklearwaffen in enger Kooperation mit den USA. Im britischen Verteidigungsweißbuch unter dem Titel „Global Britain in a Competitive Age: The Integrated Review of Security, Defence, Development and Foreign Policy“ von 2021 wurde die Obergrenze der Sprengköpfe sogar wieder angehoben.
Wörtlich heißt es dort auf Seite 76 ins Deutsche übersetzt:
„In Anerkennung des sich wandelnden sicherheitspolitischen Umfelds, einschließlich der zunehmenden Bandbreite technologischer und doktrinärer Bedrohungen, wird das Vereinigte Königreich auf einen Gesamtvorrat an Nuklearwaffen von nicht mehr als 260 Sprengköpfen hinarbeiten.“
Davor lag die Obergrenze für britische Atomwaffen bei 225 Sprengköpfen.
Indien und Pakistan: Die beiden südasiatischen Rivalen testeten erstmals 1974 beziehungsweise 1998 Atomwaffen. Heute verfügen sie jeweils über rund 170 (Pakistan) und 180 (Indien) Sprengköpfe. Während Indien offiziell einer „No first use“-Politik folgt, behält sich Pakistan den Erstschlag vor – eine brisante Asymmetrie, besonders angesichts wiederkehrender Grenzkonflikte.
Israel: Offiziell schweigt Israel zu seinem Atomprogramm, doch nach Einschätzung der IAEA und vieler Experten verfügt das Land über etwa bis zu 90 Sprengköpfe. Strategisch soll die nukleare Ambiguität potenzielle Gegner abschrecken, ohne diplomatische Verwicklungen zu provozieren.
Nordkorea: Seit dem ersten Test 2006 arbeitet Pjöngjang an der Entwicklung atomwaffenfähiger Interkontinentalraketen. Schätzungen gehen von rund 50 Sprengköpfen aus. Tests, Drohungen und propagandistische Inszenierungen gehören zur Strategie der Machterhaltung – international bleibt das Land weitgehend isoliert.

Die tatsächlichen Zahlen bleiben unsicher. Einige Staaten geben keine offiziellen Informationen preis, andere differenzieren nicht zwischen gelagerten, transportierten und deaktivierten Sprengköpfen. Geheimhaltung ist Teil der Strategie.
Abrüstung – ein Projekt in der Krise
Nach Jahrzehnten vorsichtiger Abrüstung ist die internationale Kontrolle nuklearer Waffen in einer kritischen Phase. Der New-START-Vertrag zwischen den USA und Russland, der 2010 in Kraft trat, läuft 2026 aus – ohne Nachfolge in Sicht.
Der New-START-Vertrag (New Strategic Arms Reduction Treaty) ist ein bilaterales Abrüstungsabkommen zwischen den USA und Russland, das am 8. April 2010 unterzeichnet und am 5. Februar 2011 in Kraft gesetzt wurde. Ziel des Vertrags ist es, die Zahl der strategischen, einsatzbereiten Atomsprengköpfe auf jeweils maximal 1.550 pro Land zu begrenzen. Außerdem dürfen beide Seiten zusammen höchstens 800 Trägersysteme (Interkontinentalraketen, U-Boot-gestützte Raketen und schwere Bomber) besitzen, davon maximal 700 stationiert und einsatzbereit.
Der Vertrag sieht zudem gegenseitige Kontrollen vor, darunter bis zu 18 Inspektionen pro Jahr sowie einen regelmäßigen Austausch von Daten über die jeweiligen Nukleararsenale. Die Vertragslaufzeit betrug ursprünglich zehn Jahre und wurde 2021 um fünf Jahre verlängert. Der New START ist das letzte große Rüstungskontrollabkommen zwischen den beiden größten Atommächten.
Der INF-Vertrag, einst ein Meilenstein der Abrüstung, wurde 2019 von den USA aufgekündigt. Der INF-Vertrag (Intermediate-Range Nuclear Forces Treaty) war ein bilaterales Abrüstungsabkommen zwischen den USA und der Sowjetunion (später Russland), das am 8. Dezember 1987 unterzeichnet und am 1. Juni 1988 in Kraft gesetzt wurde.
Der Vertrag verpflichtete beide Seiten, alle boden- beziehungsweise landgestützten Nuklearraketen mit mittlerer (1.000–5.500 Kilometer) und kürzerer Reichweite (500–1.000 Kilometer) sowie deren Abschussvorrichtungen und Infrastruktur innerhalb von drei Jahren zu vernichten und keine neuen herzustellen. Er bezog sich ausschließlich auf landgestützte Raketen; see- und luftgestützte Systeme waren nicht betroffen. Die Abrüstung dieser beiden Reichweitenbereiche wird auch als „doppelte Nulllösung“ bezeichnet. Der Vertrag enthielt zudem Kontroll- und Verifikationsmaßnahmen vor Ort.
Mit dem Atomwaffenverbotsvertrag (TPNW), der 2021 in Kraft trat, entstand ein neuer Impuls – doch keiner der Atomwaffenstaaten hat ihn unterzeichnet.
Länder, die freiwillig verzichteten
Es gibt auch Beispiele für einen anderen Weg: Südafrika entwickelte in den 1980er-Jahren sechs Atombomben, entschied sich jedoch nach dem Ende der Apartheid für vollständige Abrüstung – ein bis heute einzigartiger Vorgang. Auch Kasachstan, Belarus und die Ukraine gaben nach dem Zerfall der Sowjetunion ihre Nuklearwaffen ab. Im Gegenzug sicherten Russland, die USA und Großbritannien in den Budapester Memoranden (1994) den jungen Staaten territoriale Integrität zu – eine Garantie, die spätestens seit der Annexion der Krim durch Russland als gebrochen gilt.
Zugleich beobachten Rüstungskontrollbehörden mit Sorge, dass immer mehr Staaten auf zivile Nukleartechnologie setzen, die sich unter bestimmten Bedingungen auch militärisch nutzen lässt. Der Iran etwa reichert Uran mittlerweile auf bis zu 60 Prozent an – technisch gesehen ein gefährlicher Schritt in Richtung waffenfähiges Material. Das 2015 geschlossene Atomabkommen ist de facto ausgesetzt.
Wachsende Gefahr in einer zunehmend instabilen Welt
Atomwaffen sind wieder ins Zentrum der weltpolitischen Realität gerückt – nicht als abstraktes Gleichgewicht des Schreckens, sondern als konkrete Drohung in einer zunehmend instabilen Ordnung. Solange Staaten auf nukleare Abschreckung setzen, bleibt das Risiko ihres Einsatzes bestehen – sei es durch menschliches Versagen, technisches Versagen oder politische Eskalation.
Der Weg zu einer atomwaffenfreien Welt ist lang, steinig – und politisch umstritten. Doch gerade angesichts neuer Risiken wächst der Druck, diplomatische Kanäle offenzuhalten, neue Kontrollmechanismen zu etablieren und Vertrauen wiederherzustellen. Denn eines ist sicher: Ein nuklearer Krieg darf nie geführt werden – und kann nicht gewonnen werden.
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