Kein Fortschritt in der Freilassung von Julian Assange – Wie ernst nimmt der Westen die Pressefreiheit?

Heute ist Tag der Pressefreiheit. Wie ernst ist es dem Westen mit der Pressefreiheit wirklich? Ein prominentes Beispiel ist der Fall des WikiLeaks-Gründers Julian Assange, der seit über vier Jahren im Londoner Sicherheitsgefängnis Belmarsh auf seine Auslieferung in die USA wartet.
Ein Bild von Julian Assange wird auf ein Gebäude in der Leake Street im Zentrum Londons projiziert, in Erinnerung an seine Verhaftung 2019.
Julien Assange wartet seit über vier Jahren in einem Londoner Hochsicherheitsgefängnis auf seine Auslieferung in die USA.Foto:  Facundo Arrizabalaga/dpa
Von 3. Mai 2023

Heute ist Tag der Pressefreiheit. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) wies auf Twitter darauf hin, dass nicht überall auf der Welt Pressefreiheit selbstverständlich ist. Dabei verweist der Minister auf Russland. „Dort sitzt mit Evan Gershkovich bereits seit einem Monat ein US-amerikanischer Journalist wegen seiner Berichterstattung in Haft. Wir dürfen nicht müde werden, dieses Unrecht zu kritisieren.“

Ein zwiespältiges Licht auf die Pressefreiheit im Westen

Die Reaktionen unter dem Tweet von Lindner sind allerdings sehr unterschiedlich. So verweisen verschiedene Kommentatoren auf Julien Assange. Tatsächlich wirft der Fall Assange ein zwiespältiges Licht auf die westliche Pressefreiheit. Seit nun über vier Jahren sitzt der Gründer der Enthüllungsplattform „WikiLeaks“ im Londoner Sicherheitsgefängnis Belmarsh und wartet dort auf die Auslieferung in die USA. Dort erwartet ihn ein Verfahren wegen angeblichem Geheimnisverrats. Schon jetzt stehen mögliche 175 Jahre Haft im Raum, sollte Assange in den USA verurteilt werden. An ein faires Verfahren glaubt niemand so richtig. Bevor er in das Hochsicherheitsgefängnis verlegt wurde, war er qasi sieben Jahre in der ecuadorianischen Botschaft in London eingesperrt. Die schwedische Justiz warf Assange eine Vergewaltigung vor und bemühte sich um seine Auslieferung. Nach neun Jahren wurden die Ermittlungen dann eingestellt, ohne dass es zu einer Anklage gekommen ist. Der Bewegungsradius des australischen Investigativjournalisten wurde in den letzten Jahren immer enger gezogen. Der Protest blieb bisher leise.

Baerbock lässt Engagement für Freilassung vermissen

Im Jahr 2021 wurde beispielsweise die heutige Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) auf der Onlineplattform „Abgeordnetenwatch.de“ gefragt, wie sie zum Fall Assange stehen würde. „Wir verfolgen den Umgang mit WikiLeaks und Julian Assange sehr aufmerksam und setzen uns bei der Bundesregierung mit Nachdruck dafür ein, dass sie sich bei den jeweiligen Regierungen klar für die Einhaltung seiner grundlegenden Menschenrechte aussprechen.“, antwortete damals das „Team Baerbock“. Aufgrund der Verstöße gegen die grundlegenden Freiheitsrechte der Europäischen Menschenrechtskonvention im Umgang mit Julien Assange schließe man sich der Resolution der Parlamentarischen Versammlung des Europarates vom Januar 2020 und dem Appell des UN-Sonderbeauftragten Nils Melzer an und fordern die sofortige Freilassung von Assange.

Heute ist Baerbock Außenministerin – Bewegung in der Freilassung von Assange hat es allerdings nicht gegeben. Auch hat man bisher kein klares Statement der Bundesregierung zu dem Fall, geschweige denn öffentliche Initiativen für die Freilassung vernommen. Die letzte Initiative aus Deutschland stammt aus dem Mai vergangenen Jahres.

Brief von 37 Bundestagsabgeordneten

Damals forderten 37 Bundestagsabgeordnete der Grünen, FDP, SPD und der Linken in einem offenen Brief an 24 britische Parlamentsabgeordnete, die Auslieferung von Assange an die USA zu stoppen. Entstanden war der Brief damals unter anderem auf Initiative von Max Lucks (Grüne) zum letzten weltweiten Tag der Pressefreiheit. Zu den Unterzeichnern gehörten unter anderem der Grünen-Außenpolitiker Jürgen Trittin, Linken-Parteichefin Janine Wissler, Derya Türk-Nachbaur (SPD) oder der FDP-Politiker Peter Heidt.

Freilassung wäre ein gutes und wichtiges Signal für die Pressefreiheit

Das Schicksal von Julien Assange wirft Fragen auf. Wie ernst nimmt es der Westen heute noch mit der Pressefreiheit? In einem gestern in der „taz“ veröffentlichten Interview äußerte sich auch die Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) zur Inhaftierung von Julien Assange.

„Julian Assange hat über Wikileaks Kriegsverbrechen und Verbrechen der US-Armee gegen die Menschlichkeit veröffentlicht. Wie ich finde: Zu Recht!“, so Roth. Die Öffentlichkeit müsse über solche Verbrechen erfahren können. „Ich kann mir kein Sicherheitsinteresse vorstellen, das im Fall solcher Verbrechen überwiegen könnte.“

Auf rechtsstaatlicher Ebene sei es derzeit Aufgabe der Gerichte, diesen Fall juristisch zu beurteilen. Hier müsse klar sein, dass die Menschenrechte von Julian Assange gewahrt bleiben – dies gelte ebenso für seinen Anspruch auf ein faires Verfahren vor US-amerikanischen Gerichten als auch auf menschenwürdige Haftbedingungen in Großbritannien. „In demokratischen Staaten muss auch psychische Folter ausgeschlossen sein. Berichte wie die des ehemaligen UN-Sonderbeauftragten für Folter, Nils Melzer, wonach Julian Assange in der britischen Einzelhaft die für Opfer psychischer Folter typischen neurologischen, kognitiven und emotionalen Symptome zeige, bereiten mir deshalb Sorge“, betont die Grünen-Politikerin.

Einer konkreten Forderung nach der Freilassung von Julien Assange weicht Roth dann aber im Interview aus. Auf die Frage, ob Roth auch die Freilassung von Assange fordere, wie es zuvor der mexikanische und brasilianische Präsident gemacht haben, sagt Roth, dass sie das Thema sehr ernst nehme und es stetig verfolge. „Dennoch gehört zum Verständnis von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit auch dazu, dass ich mich, als Teil der Exekutive, nicht zu anhängigen Gerichtsverfahren in anderen demokratischen Rechtsstaaten äußere, wozu ich Großbritannien und die USA zähle“, so Roth. Allerdings: „Eine Freilassung von Assange wäre ein gutes und wichtiges Signal für die Pressefreiheit.“



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