Libyen-Gipfel: Merkel und Maas sprechen von Erfolg – in der Region selbst überwiegt die Skepsis

Als Erfolg europäischer Diplomatie und des Multilateralismus präsentieren deutsche Regierung und Leitmedien die Einigung der Teilnehmer am Berliner Libyen-Gipfel auf ein gemeinsames Schlussdokument. Die rivalisierenden Akteure hielten zueinander demonstrativ Distanz.
Titelbild
Kanzlerin Angela Merkel und Außenminister Heiko Maas auf dem Libyengipfel.Foto: MICHAEL KAPPELER/POOL/AFP via Getty Images
Von 20. Januar 2020

Am Sonntagabend (19.1.) einigten sich die Teilnehmer an der Libyen-Konferenz in Berlin auf ein gemeinsames Schlusskommuniqué. Wie Bundeskanzlerin Angela Merkel im Rahmen einer gemeinsamen Pressekonferenz mit UN-Generalsekretär Antonio Guterres bekanntgab, seien in der Hauptstadt „sehr intensive und ernsthafte Verhandlungen geführt“ worden.

Merkel zeigte sich zuversichtlich, einen Beitrag dazu geleistet zu haben, dass „wir einen neuen politischen Anlauf, einen neuen politischen Impuls geben im Bemühen, im Libyen-Konflikt Hoffnung für die Menschen und Hoffnung auf Frieden zu erzeugen“.

Bildung eines 5+5-Militärrats und Ende fremder Waffenlieferungen sollen helfen

Insgesamt waren Vertreter der fünf ständigen Mitglieder des UN-Weltsicherheitsrats, Ägypten, die Vereinigten Arabischen Emirate, Italien, Kongo, die Türkei und Algerien auf der Konferenz vertreten, dazu Repräsentanten der Arabischen Liga, der Afrikanischen Union der EU. Die Teilnehmer waren sich einig, so Merkel, dass es in dem Konflikt „keine Chance auf eine militärische Lösung gibt“. Eine solche hatte zuletzt der in Libyen einflussreiche General Khalifa Haftar zu erzwingen versucht, nachdem er aus zuvor bereits geführten Verhandlungsprozessen ausgestiegen war und in den von ihm kontrollierten Gebieten die Ölexporte gestoppt hatte.

Merkel erklärte, sie habe bereits im Vorfeld der Konferenz von beiden relevanten militärischen Rivalen, Khalifa Haftar von der Libyschen Nationalarmee (LNA), und der „Regierung der nationalen Einheit“, Fayez Al-Sarraj, im nichtöffentlichen Rahmen Zusagen hinsichtlich eines Waffenstillstands erhalten.

Wie die emiratische Zeitung „The National“ berichtet, gehört zu den wesentlichen Bedingungen für dessen Aufrechterhaltung ein Ende fremder Waffenlieferungen in die Bürgerkriegsregion. Zudem solle ein „Fünf-zu-fünf-Militärrat“ gebildet werden, der paritätisch von beiden Konfliktparteien beschickt wird und Gespräche zu Erzielung eines dauerhaften Friedens aufnehmen soll.

„Vorsichtiges Lächeln“ – und Fehlen der Hauptakteure

Merkel und Außenminister Heiko Maas wurden bereits am Sonntagabend nicht müde, die Fortschritte bei den Gesprächen nicht nur als ihren persönlichen Erfolg, sondern auch jenen der Europäer und des Multilateralismus insgesamt zu präsentieren. Auch die Europäer hatten im Bürgerkrieg teilweise unterschiedliche Parteien unterstützt.

Dazu kam die zuletzt intensive Hilfe der Türkei für die Einheitsregierung, mit der Ankara bei Gelegenheit auch ein neues Abkommen über den jeweiligen Festlandsockel schloss, während Khalifa Haftar auf die Rückendeckung Ägyptens, der Golfmonarchien Saudi-Arabien und Vereinigte Arabische Emirate sowie der Russischen Föderation zählen konnte.

Nun, so Merkel laut dpa, habe sie „das Gefühl, dass die Europäer näher beieinander“ seien als noch zwei Jahre zuvor. Nicht ganz so zuversichtlich bezüglich der Erfolgsbilanz des Gipfels zeigte sich „The National“. Im Laufe des letzten Tages seien die Erwartungen bezüglich dessen, was die Gespräche erreichen könnten, heruntergeschraubt worden.

Es sei ein „vorsichtiges Lächeln“ auf dem offiziellen Gipfelfoto zum Abschluss bei den Teilnehmern zu bemerken, die Führer der rivalisierenden Akteure in Libyen seien jedoch „in vielsagender Weise“ dem Gruppenfoto ferngeblieben. Zuvor hätten sich Haftar und Al-Sarraj wiederholt geweigert, sich im gleichen Raum wie der jeweils andere aufzuhalten. Auch die beiden mächtigsten geopolitischen Akteure, die auf die Entwicklung in Libyen Einfluss nehmen, Russlands Präsident Wladimir Putin und sein türkischer Amtskollege Recep Tayyip Erdoğan, äußerten sich zurückhaltend.   

Erdoğan: „Türkei wird Früchte ihrer Bemühungen ernten“

Putin hatte es jedoch bereits im Vorfeld des Gipfels als wichtigen Schritt bezeichnet, dass sich beide Konfliktparteien in Moskau eingefunden hatten, um über eine Waffenruhe zu sprechen. Russlands Außenminister Sergej Lawrow nannte, wie die „Hürriyet“ berichtete, in einem ersten Statement nach Ende des Gipfels in Berlin diesen „sehr hilfreich“. Zuvor war eine neue Eskalation befürchtet worden, nachdem Haftar eine „Entscheidungsschlacht“ um die Hauptstadt Tripoli angekündigt hatte. Daraufhin hatte die Türkei angekündigt, selbst Milizen zu schicken, um die international anerkannte Regierung zu unterstützen.

Laut „Daily Sabah“ zeigte Erdoğan sich im Vorfeld der Berliner Gespräche zuversichtlich, dass die Türkei „schon bald die Früchte ihrer Bemühungen in Libyen ernten“ werde. Demgegenüber zeigten sich auf dem Gipfel Putin und Erdoğans Erzfeind, der ägyptische Staatschef Abdel Fattah al-Sisi, in demonstrativer Einigkeit.

Der Außenminister der Vereinigten Arabischen Emirate, Dr. Anwar Gargash, unterstrich die Wichtigkeit einer arabischen Präsenz beim Berliner Gipfel. Auf Twitter schrieb er:

„Die Präsenz Ägyptens, Algeriens, der Emirate und der Arabischen Liga ist eine erforderliche Garantie dafür, dass die arabische Dimension gegenwärtig und stark bleibt beim Versuch, im arabischen Bruderland Frieden und Stabilität zu erreichen. Die Marginalisierung der arabischen Rolle, wie sie in Syrien aufgetreten war, erwies sich als grausame Lektion, die sich nicht wiederholen wird.“

LNA rückt an weiteren Ölfelder vor

Großbritanniens Premierminister Boris Johnson erklärte gegenüber „Sky News UK“ seine grundsätzliche Bereitschaft, Teil einer friedenserhaltenden Mission zu werden, wenn ein verbindlicher Waffenstillstand zustande kommen sollte. US-Außenminister Mike Pompeo unterstrich das Interesse der Amerikaner an einem Ende der Kampfhandlungen in Libyen:

Amerika hat dort ein Antiterror-Interesse. Der Energiesektor in Libyen eröffnet wichtige Chancen.“

Pompeo hofft, dass die Wiederaufnahme der Ölförderung in den von Haftar kontrollierten Gebieten als Folge der Gespräche ebenfalls auf die Tagesordnung kommt.

Die Situation in Libyen selbst bleibt gespannt. Wie „The National“ berichtet, war der Gipfel in Berlin überschattet durch eine Intervention der LNA-Truppen an den großen Ölfeldern El-Sharara und El-Feel im Süden des Landes.



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