Löst sich das bestehende Weltfinanzsystem auf?

Alasdair Macleod, Mitglied der Londoner Börse, hat eine einfache Lösung für ein besseres Weltfinanzsystem: Banken und anderen Kreditanbietern sollte endlich der Status der beschränkten Haftung aberkannt werden. Ein Exklusivinterview zur aktuellen Finanzlage.
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Ein Empfangsschalter an der Londoner Börse am 29. August 2019 in London, England.Foto: Chris J. Ratcliffe/Getty Images
Von 9. Mai 2022

Börsenkenner Alasdair Macleod ist überzeugt, dass die Entstehung eines neuen Bankensystems nicht von Dauer sein wird – solange Regierungen die Kontrolle über das Geld behalten. Ob nun aufgrund von „demokratischen“ Forderungen oder eines reinen Fehlverhaltens, Regierungen scheinen niemals der Versuchung widerstehen zu können, eine Währung als eigene Geldquelle zu verwenden.

Doch auch andere Dinge sollten geschehen. Regierungen müssen damit aufhören, beständig in ihre Volkswirtschaften einzugreifen, um deren Anteil an der Produktion von Waren und Dienstleistungen auf ein absolutes Minimum zu beschränken. Sie müssen freien Märkten freien Lauf lassen und die Währungsstabilität an die Spitze der nationalen Prioritäten setzen.

Banken und anderen Kreditanbietern sollte zudem endlich der Status der beschränkten Haftung aberkannt werden, schlägt Alasdair Macleod vor. In einem solchen Fall würde die Wahrscheinlichkeit sinken, dass Banken und andere Kreditgeber ihre Bilanzen über alle Maßen in Relation zu ihrem gehaltenen Eigenkapital ausweiten würden.

Eine solch einfache Maßnahme hätte den Vorteil, Kredite ohne die damit einhergehenden Exzesse, deren Zeuge wir in der Vergangenheit wurden, zur Verfügung zu stellen. Ferner würde ein Großteil der aktuellen Bankenregulierung auf diese Weise ad acta gelegt werden können, weil diese schlichtweg überflüssig wäre. 

Am 28. April sprach Wirtschaftsfachmann Roman Baudzus mit Alasdair Macleod über die aktuelle Lage. Macleod ist seit über 40 Jahren anerkannter Börsenmakler und Mitglied der Londoner Börse. Seine Erfahrung umfasst Aktien- und Anleihemärkte, Fondsmanagement, Unternehmensfinanzierung und Anlagestrategie.

Sie waren einer derjenigen, die zeitig gewarnt hatten, dass das aktuelle Corona-Regime und die damit verbundenen Lockdowns unsere Welt in eine Hyperinflation führen könnten. Wie sehen Sie die aktuellen Entwicklungen?

Aus meiner Sicht ist es wichtig, zuerst einmal zu definieren, was allgemein als Hyperinflation bezeichnet wird. Es handelt sich hierbei um den Zusammenbruch der Kaufkraft einer Währung, entweder weil die zugrunde liegende Geldmenge dieser Währung und die darauf basierenden Kredite expandiert wurden, oder weil eine breite Öffentlichkeit das Vertrauen in hiervon betroffene Währungen als Tauschmittel verloren hat.

Im Falle der Weimarer Republik wurde die damalige Papiermark zerstört, indem diese Währung damals als Finanzierungsquelle für den Staat genutzt wurde. Diese Situation geriet ab einem bestimmten Zeitpunkt außer Kontrolle, bis eine breite Öffentlichkeit jedwedes Vertrauen in die Stabilität der Papiermark einbüßte.

Aus Sicht der heutigen Situation verhält es sich anders. Wir stehen heute vor einer kombinierten Wirtschafts-, Währungs- und Bankenkrise, die uns in einem weit schnelleren Tempo zu überwältigen droht.

Ein Großteil des Problems besteht darin, dass die Geld- und Kreditinflation über den Zeitraum der vergangenen vierzig Jahre eine Finanzblase angeheizt hat, die in sich zusammenbrechen wird. Vergleichen lässt sich die aktuelle Situation mit dem, was John Law in Frankreich zwischen den Jahren 1718 und 1720 Frankreich tat. Der Unterschied zu damals ist, dass unsere heutige Krise global ist. [Der Schotte Law trieb mit grenzenloser Vermehrung der Geldmenge und ungedeckter Aktien Frankreich in den Börsencrash von 1720, fast alle Franzosen verarmten. Ergänzung d. Red.]

Wird es zu einer Verschlimmerung der globalen Lieferkettenkrise kommen?

Das geschieht bereits. Es genügt, nach China zu blicken, wo sich die Metropole Shanghai in einem Lockdown befindet. Die hieraus resultierenden Auswirkungen werden über den Sommer hinausreichen. Auf eine ganz besondere Weise verschärfen sich die Bedenken im Getreide- und Weizensektor, was weitläufige Lebensmittelknappheiten zur Folge haben wird.

Es fällt mir nicht leicht, es an dieser Stelle auszusprechen, doch gegen Ende dieses Jahres rechne ich in einigen Regionen mit dem Ausbruch einer Hungersnot. 

Wir befinden uns also bereits in einer Systemkrise.

Ja, definitiv. Blicken Sie einfach auf die wachsende Anzahl an kollabierenden Währungen, inklusive des Euros.

Die Europäische Zentralbank weigert sich trotz allem nach wie vor, ihren Einlagenzinssatz von dessen aktuellen Niveau von -0,5 Prozent anzuheben, während Deutschlands Produzentenpreise mit einer Rate von über 30 Prozent durch die Decke schießen. Hierbei handelt es sich schlichtweg um einen absoluten Wahnsinn!

Mittlerweile sind Pläne der Eurasischen Wirtschaftsunion unter Federführung der Russischen Föderation bekannt geworden, die darauf abzielen, ein alternatives Finanzsystem aus der Taufe zu heben.

Es handelt sich hierbei um eine Zusammenarbeit, welche sowohl von der Russischen Föderation als auch von China ausgeht und geleitet wird. Beide Nationen erkennen, dass sich die jeweilige Kaufkraft des US-Dollars und anderer westlicher Währungen infolge der dort zuvor verfolgten Geldpolitiken zu reduzieren beginnt.

Irgendwann, und dies wahrscheinlich schon sehr bald, werden die Zinsen im US-Dollar-Raum und anderen westlichen Währungsräumen noch stärker steigen müssen, als es die Akteure an den globalen Finanzmärkten zurzeit vorwegnehmen und bereits einpreisen.

Die hieraus resultierenden Auswirkungen im Bereich der Vermögenspreise werden sehr negativ sein. Das Ziel im Hinblick auf die Schaffung eines neuen Finanzsystems auf dem asiatischen Kontinent ist, diesem Schicksal selbst zu entgehen, indem die Währungen der federführenden Nationen auf lose Weise mittels Rohstoffen – anstelle von Finanzvermögenswerten – unterlegt und abgesichert werden.

Könnte sich das bestehende Weltfinanzsystem auflösen?

Anzeichen hierfür sehen wir bereits. In der letzte Aprilwoche beobachteten wir eine Flucht aus dem japanischen Yen, dem Euro und sogar dem britischen Pfund Sterling hinein in den US-Dollar. Das zeigt, dass das Smart Money inzwischen eskalierende Systemrisiken in jenen Finanzsystemen sieht, die diesen Währungen zugrunde liegen.

In dieser keynesianischen geprägten Welt flüchten Vermögensverwalter rund um den Globus eher in Richtung des US-Dollars, um Risiken zu entgehen – anstatt in Gold zu investieren. Doch der US-Dollar ist keineswegs abgeschottet von den enormen Risiken, die von Banken- und Währungskrisen ausgehen – sowohl im Yen- als auch im Euroraum.

Vielmehr erweckt es den Eindruck, als ob auch die mit dem US-Dollar in Verbindung stehende Kaufkraft zusammen mit allen in US-Dollar denominierten Finanzvemögensanlagen unterminiert wird.

Würde eine Art neuer Petro-Rubel entstehen, falls die Russische Föderation sich dazu entscheiden sollte, den Rubel an Rohöl oder Erdgas zu koppeln?

Ich bin mir nicht sicher, ob eine solche Vorgehensweise Ziel der Russischen Föderation ist. Russlands Präsident Wladimir Putin fokussiert sein Handeln eher darauf, aus dem Finanzkonflikt mit Amerika und der NATO als Sieger hervorzugehen.

Aus dieser Sicht werden weder Putin noch Chinas Machthaber Xi Jinping ein Interesse daran haben, dass die bestehenden Konflikte mit dem Westen vollkommen außer Kontrolle geraten werden.

Wer allerdings die aktuellen Entwicklungen berücksichtigt, kann sich keineswegs sicher sein, dass es nicht doch zu einem solchen Ereignis kommen wird. Sowohl Russland als auch China werden den im Rückwärtsgang befindlichen Hegemonialstatus des US-Dollars genauestens beobachtet haben. Daher bin ich davon überzeugt, das beide Länder in der Zukunft ihren bilateralen Handel auf Basis ihrer eigenen Währungen abwickeln werden, anstatt sich eines durch die US-Regierung in Form einer Waffe missbrauchten US-Dollars zu bedienen. 

Wenn man die Rolle des US-Dollars als Weltreservewährung berücksichtigt, dann zerstören die Amerikaner gerade das allgemeine Vertrauen in ihre eigene Währung – und nicht Russland oder China.

Es erweckt den Eindruck, als ob die 51-jährige Dominanzperiode nach der einstigen Erschaffung des Systems von Bretton Woods zu einem Ende kommt, sodass wir dem Beginn einer neuen Ära im Währungsbereich entgegenblicken.

Könnte die Welt zu einem Goldstandard zurückfinden?

Mit ziemlicher Sicherheit werden sowohl Regierungen als auch Zentralbanken heftigen Widerstand gegen eine solche mögliche Entwicklung leisten. Es lässt sich allerdings keineswegs ausschließen, dass sich Regierungen und Zentralbanken letztlich durch eben jene Ereignisse, die sie auf Basis ihrer Fiskal- und Geldpolitik selbst verursacht haben, dazu gezwungen sehen werden.

Über die vergangenen Jahrzehnte ist es zu einer ungesehenen Expansion der Geldmengen und Kredite gekommen. Diese Situation gipfelt jetzt in einer Finanz- und Wirtschaftssanktionierung gegenüber dem weltweit größten Exporteur von Energieprodukten und Rohstoffen. Aus dem Blickwinkel der westlichen Währungen handelt sich um nichts anderes als das Begehen eines Selbstmordes.

Bevor die Welt zu einem Goldstandard zurückkehrt, müssen die Dinge allerdings erst noch so schlimm werden, dass keynesianisch orientierte und sozialistischen Maßnahmen zuneigende Regierungen ableben.

Und selbst in einem solchen Fall erwarte ich nicht, dass hierauf automatisch ein echter Goldmünzen-Tauschstandard folgen wird. Die politischen und wirtschaftlichen Folgen, die aus einem Währungs- und Systemzusammenbruch resultieren, könnten uns noch eine ganze Weile begleiten.

Wie können oder sollten sich Sparer und Halter von Papiervermögenswerten in einem solchen Umfeld verhalten?  

Es ist ganz einfach. Sparer und Halter von Papiervermögenswerten sollten sich aus diesen Anlagen verabschieden. Physisches Gold und Silber erweisen sich als die beste Versicherung gegen das, was uns nun bevorstehen wird. Ich glaube persönlich nicht, dass der Euro diese Krise überleben wird.

Deshalb ist es insbesondere aus dem Blickwinkel von Einwohnern der Eurozone immens wichtig, auf physisches Gold, Silber und andere Sachwerte zu setzen. Andernfalls wird es kein Entkommen geben.



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