
Trump: „Es geht vor allem um die Krim“ – hat Merz einen eigenen Plan?
Zum 80. Jahrestag des Sieges über Deutschland ordnete Putin drei Tage Waffenstillstand an. Selenskyj spricht von „Manipulation“. Trump will nur noch über die Krim sprechen. Künftiger deutscher Außenminister Wadephul will die Ukraine mit Russland „auf Augenhöhe bringen“. Zum Stand der Verhandlungen über die Ukraine.

Eine Brücke über die Meerenge von Kertsch verbindet seit Jahren die von Russland annektierte Krim mit dem russischen Festland. (Archivbild)
Foto: Ulf Mauder/dpa
0:00
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj warf Wladimir Putin „Manipulation“ vor, nachdem der russische Staatschef anlässlich des 80. Jahrestages des Sieges über Nazideutschland einen vorübergehenden Waffenstillstand in der Ukraine angekündigt hatte. Laut zahlreichen Medien, darunter die „Moscow Times“, habe der Kreml bekannt gegeben, dass der Waffenstillstand am 8. Mai um Mitternacht russischer Zeit (22 Uhr deutscher Zeit am 7. Mai) beginnen und bis zum Ende des 10. Mai dauern soll. Im Mittelpunkt der Kampfpause sollen die russischen Feierlichkeiten zum Ende des Zweiten Weltkriegs stehen. Wie die staatliche russische Nachrichtenagentur „TASS“ verbreitete, glaube der Kreml, dass „die Ukraine diesem Beispiel folgen“ sollte.
Selenskyj: Putin täuscht
Doch Selenskyj hat Russlands Ankündigung umgehend infrage gestellt. Er bezeichnete laut „The Kyiv Independent“ Putins dreitägigen Waffenstillstandsvorschlag als „Manipulation“ und wiederholte seine Forderung nach einem 30-tägigen bedingungslosen Waffenstillstand. Selenskyj weiter: „Aus irgendeinem Grund soll jeder bis zum 8. Mai warten, bevor er das Feuer einstellt – nur um Putin Ruhe für seine Parade zu verschaffen. Russland hat konsequent (alle Vorschläge) abgelehnt und manipuliert weiterhin die Welt, indem es versucht, die Vereinigten Staaten zu täuschen. Wir legen Wert auf Menschenleben, nicht auf Paraden.“
Putin hatte zuvor am Osterwochenende einen 30-stündigen Waffenstillstand in der Ukraine angekündigt. Doch wurde dieser offenbar nicht eingehalten. Selenskyj beklagte, russische Truppen hätten den angeblichen „Waffenstillstand fast dreitausendmal gebrochen“.
Will Merz die Krim für die Ukraine zurückholen?
In einem auf Englisch geführten Exklusivinterview mit dem staatlichen deutschen Auslandssender „Deutsche Welle“ bekräftigte der designierte deutsche Außenminister Johann Wadephul (CDU) am 29. April die deutsche Unterstützung für die Ukraine. Die neue Bundesregierung werde zudem versuchen, „der Trump-Administration klarzumachen, dass es in ihrem Interesse ist, eine sehr starke Ukraine zu haben“.
Es müsse jedoch für alle, auch für den russischen Präsidenten Putin, klar sein, dass Deutschland an der Seite der Ukraine stehe, sagte der CDU-Politiker. Deutschland wolle der Ukraine die Möglichkeit bieten, „mit Russland auf Augenhöhe“ zu sein, betonte Wadephul.
Bislang hat der designierte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) lediglich angekündigt, er wolle – anders als sein Vorgänger – der Ukraine die weitreichenden Taurus-Marschflugkörper der Bundeswehr liefern. Als mögliches Ziel nannte er konkret die für Russland wichtige Krim-Brücke. Experten schätzen, dass es für deren Zerstörung mindestens 20 Taurus bedürfe. Die Ukraine-Politik von Merz könnte also möglicherweise auf die von Russland seit 2014 annektierte Halbinsel Krim zielen.
Im Rahmen eines Friedensabkommens soll nach Putins Willen die Ukraine die illegale Annexion der Krim durch Russland jedoch offiziell anerkennen. Dies hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj stets zurückgewiesen, unter anderem mit Hinweis auf die ukrainische Verfassung. Seit geraumer Zeit sieht sich Selenskyj jedoch von Trump unter Druck gesetzt, die Halbinsel aufzugeben. Stellt sich Merz bezüglich der Krim explizit an Selenskyjs Seite, gerät er damit in direkte Konfrontation sowohl mit den USA als auch mit Russland.
Warum die Krim wichtig ist
Die Halbinsel Krim ist von entscheidender Bedeutung, ob und wie der Krieg in der Ukraine beendet werden kann. Die Krim war lange Zeit in russischem Besitz. Erst 1954 wurde sie von dem sowjetischen Führer Nikita Chruschtschow an die damalige Sowjetrepublik Ukraine übergeben. Nach dem Zerfall der Sowjetunion erklärte die Ukraine 1991 ihre Unabhängigkeit und ist seitdem ein souveräner Staat, inklusive der umstrittenen Halbinsel. Diese bekam allerdings eine Autonomie mit einer eigenen Verfassung und einem eigenen Parlament. 1994 schraubte eine ukrainische Verfassungsreform die Autonomierechte der Krim deutlich zurück.
In den Jahren 2013 und 2014 kam es über mehrere Wochen zu einem Volksaufstand in der Ukraine, der schließlich den moskaufreundlichen Präsidenten Viktor Janukowitsch aus dem Amt zwang. Während der unklaren innenpolitischen Lage in der Ukraine nutzte Wladimir Putin die Gelegenheit, die Krim mit russischen Truppen zu besetzen und wieder für Russland zu beanspruchen.
Strategisch ist das umstrittene Gebiet von großer Bedeutung, da auf der Halbinsel die Kontrolle über die Schifffahrt im Schwarzen Meer ausgeübt werden kann. Vor allem die für die Ukraine wichtigen Getreidelieferungen nach Afrika und in die arabische Welt wurden bis zum Ausbruch des Krieges überwiegend über das Schwarze Meer abgewickelt.
Im Vorfeld der russischen Invasion im Februar 2022 stationierte Moskau weitere Truppen und Waffen auf der Krim. Dadurch war es russischen Streitkräften möglich, in den ersten Kriegswochen rasch weite Teile der Südukraine zu erobern. Deshalb sieht sich die Ukraine im Fall eines Friedensabkommens dennoch weiterhin von der Krim her bedroht. Und Selenskyj weiß: Sollte er als territoriales Zugeständnis die Abtretung der Krim formal anerkennen, wäre es für die Ukraine unmöglich, die Halbinsel jemals wieder zurückzubekommen.
Was sagen die Einwohner der Krim?
Rund 2 Millionen Menschen leben auf der Krim. In einem Referendum von 1994 sprachen sich 78 Prozent für eine weitgehende Unabhängigkeit und knapp 83 Prozent für eine doppelte Staatsbürgerschaft Ukraine/Russland aus.
In der Folge der Maidan-Unruhen fand eine weitere Volksabstimmung auf der Halbinsel statt. Diese wurde organisiert von der prorussischen Übergangsregierung und war nach ukrainischem Recht illegal. Bei einer hohen Beteiligung stimmten 97 Prozent der Bevölkerung für einen Beitritt zur Russischen Föderation. Die Abstimmung wird von den meisten Staaten nicht anerkannt.
Rund 12 Prozent der Krimbewohner waren bis zu Beginn des Ukraine-Krieges sogenannte Tataren; das ist eine turksprachige Ethnie. Unter den Sowjets wurden sie wegen angeblicher Kollaboration mit den Nazis teilweise deportiert. Aufgrund dieser Erfahrung lehnten viele von ihnen die Annexion der Krim im Jahr 2014 ab. Einige Krimtataren haben sich freiwillig im „Krimbataillon“ den ukrainischen Streitkräften angeschlossen.
Trump: „Krim bleibt bei Russland“
In einem Interview mit dem amerikanischen Magazin „Time“ am 25. April hatte der US-Präsident zum Ausdruck gebracht:
„Es ist Bidens Krieg. Es ist nicht mein Krieg. Ich habe nichts damit zu tun. Mit mir hätte es diesen Krieg nie gegeben.“
In Anspielung darauf, dass Russland die Krim während der Amtszeit des Präsidenten der Demokraten, Barack Obama, besetzt hat, gab sich Trump überzeugt: „Wenn ich Präsident gewesen wäre, wäre die Krim [von den Russen] nicht eingenommen worden.“ Nun aber sehe er die Angelegenheit folgendermaßen: „Die Krim bleibt bei Russland. Und Selenskyj versteht das.“ Außerdem ist Trump überzeugt: „Ich glaube, ich bin der Einzige, der diese Sache verhandeln kann.“
Tom Goeller ist Journalist, Amerikanist und Politologe. Als Korrespondent hat er in Washington, D.C. und in Berlin gearbeitet, unter anderem für die amerikanische Hauptstadtzeitung „The Washington Times“. Seit April 2024 schreibt er unter anderem für die Epoch Times.
Aktuelle Artikel des Autors
08. Mai 2025
Von der Niederlage zum Tag der Befreiung
Kommentare
Noch keine Kommentare – schreiben Sie den ersten Kommentar zu diesem Artikel.
0
Kommentare
Noch keine Kommentare – schreiben Sie den ersten Kommentar zu diesem Artikel.