Abschaffung der Freigrenze
Temu, Shein, Amazon: EU plant Zoll auch auf Pakete unter 150 Euro
Auf Temu, Shein und auch Amazon sind oftmals sehr günstige Produkte zu bestellen, die auch zollfrei in die EU kommen. Das könnte sich ändern.

Noch können Waren unter 150 Euro zollfrei in die EU importiert werden.
Foto: Wolf von Dewitz/dpa
Müssen Shein, Temu, AliExpress und Co. künftig mehr Zollabgaben auf ihre Sendungen in die EU bezahlen?
Bei einem Treffen in Brüssel stimmen Bundesfinanzminister Lars Klingbeil und seine Amtskollegen der EU-Länder heute ab 10:30 Uhr darüber ab, ob künftig auch Abgaben für günstige Waren gelten sollen, die bislang oft kostenfrei in die EU eingeführt werden können.
Mit dem von der Bundesregierung unterstützten Vorstoß soll etwa gegen Wettbewerbsverzerrung und Betrug vorgegangen werden. Es sei ein ganz wichtiges Signal dafür, „dass wir keine Ramschware aus China wollen, dass wir unsere Märkte schützen“, sagte Vizekanzler Klingbeil jüngst.
Gebühr ab 2026?
Die EU-Kommission fordert die Finanzminister der Staaten auf, ab nächstem Jahr eine Bearbeitungsgebühr für Bestellungen von Billig-Anbietern wie Temu und Shein einzuführen.
Es handele sich um einen „entscheidenden Schritt“, damit die EU ihre Position „angesichts der sich rasch verändernden Handelsrealitäten stärkt“, schrieb EU-Handelskommissar Maros Sefcovic am Mittwoch in einem Brief an die Minister, den die Nachrichtenagentur AFP einsehen konnte.
Kommissar Sefcovic fordert von den EU-Ländern eine Übergangslösung für kommendes Jahr. Der geplante Zeitrahmen sei „mit der Dringlichkeit der Situation unvereinbar“, schrieb er den Finanzministern. Diese „Wettbewerbsverzerrung“ müsse „unverzüglich beseitigt“ werden, betonte er.
Zoll auch für Waren unter 150 Euro
Derzeit gibt es in der EU eine Zollbefreiung für Pakete mit einem Wert von weniger als 150 Euro, die direkt an Konsumenten geliefert werden – häufig von Online-Plattformen chinesischen Ursprungs. Die EU hatte im Mai vorgeschlagen, diese Ausnahme abzuschaffen und eine Zwei-Euro-Pauschalgebühr auf kleine Pakete einzuführen, die ab 2028 gelten würde.
Laut EU-Kommission wird schätzungsweise bei 65 Prozent der in die EU geschickten Pakete bewusst ein zu niedriger Wert in der Zollanmeldung angegeben, um die Befreiung in Anspruch zu nehmen. Das benachteiligt EU-Unternehmen, die nicht mit den entsprechend niedrigeren Verkaufspreisen konkurrieren können – insbesondere kleine und mittlere Unternehmen.
Außerdem sei die Befreiung für Verkäufer ein Anreiz, größere Bestellungen beim Versand in die EU auf kleinere Pakete aufzuteilen, so die Kommission. Das trage weiter zu ungleichen Wettbewerbsbedingungen für die EU-Unternehmen bei und verursache darüber hinaus unter anderem Verpackungsmüll.
„Erster Baustein“ gegen Paketflut
Online-Handel hat in den vergangenen Jahren zu einem exponentiellen Anstieg bei Lieferungen kleiner Warenpakete mit geringem Wert in die EU geführt. Laut EU-Kommission waren 2024 täglich rund zwölf Millionen Pakete in der EU angekommen – deutlich mehr als in den beiden Vorjahren.
Von der Abgabe dürften Online-Shoppingportale wie auch Amazon oder Etsy sowie E-Commerce-Giganten wie Temu, AliExpress und Shein betroffen sein.
Der Handelsverband wirft der Bundesregierung Nichtstun bei Shein und Temu vor. Dies sei „unterlassene Hilfeleistung“ an Mittelstand, Handel und Herstellern, sagte der Präsident des Handelsverbandes, Alexander von Preen, beim Handelskongress in Berlin. Shein sowie Temu unterliefen täglich systematisch europäische Verbraucherschutz-, Steuer- und Umweltstandards. „Das ist Sabotage am Binnenmarkt.“ Es gebe kein Regelungsdefizit, sondern ein Versagen bei der Durchsetzung.
Nach Angaben des Handelsverbandes werden täglich etwa 400.000 Pakete von Shein und Temu an deutsche Kunden verschickt. Der Umsatz der beiden Portale in Deutschland lag 2024 demnach zwischen 2,7 und 3,3 Milliarden Euro. Laut HDE kauften im vergangenen Jahr mehr als 14 Millionen Menschen hierzulande bei Temu und Shein ein.
Verbraucherzentrale: Erst ab 2028 ist zu spät
Die Chefin des Verbraucherzentrale Bundesverbands, Ramona Pop, nennt die Abschaffung der Zollfreigrenze einen ersten Baustein, um die Paketflut einzudämmen. „Außerdem müssen Online-Marktplätze grundsätzlich zur Verantwortung gezogen werden, wenn sie unsichere oder gefährliche Produkte vertreiben“, forderte sie weiter.
Eine Untersuchung der Stiftung Warentest habe kürzlich wieder gezeigt, dass besonders Produkte im Preissegment unter 150 Euro häufig nicht den EU-Regelungen entsprächen. Auch sei der Start ab dem Jahr 2028 zu spät, mahnte Pop.
Die Abschaffung der 150-Euro-Freigrenze könne den europäischen Binnenmarkt spürbar fairer machen, heißt es vom Mittelstandsverbund. Sie sei ein überfälliger Schritt, sagte Präsident Günter Althaus.
„Wer in Europa verkauft, muss sich auch an europäische Regeln halten – egal ob aus Köln oder aus Shenzhen. Damit die Reform ihre Wirkung entfalten kann, müssen die Zollämter personell und digital so ausgestattet werden, dass sie den wachsenden Warenverkehr tatsächlich kontrollieren können“, mahnt er.
Pauschalabgabe von 2 Euro im Gespräch
Von Amazon heißt es, man unterstütze das Ziel, die Fähigkeiten der Zollkontrolle zu stärken, um Betrug und Nichteinhaltung zu bekämpfen und so für fairere Wettbewerbsbedingungen im internationalen Handel zu sorgen.
„Wir verpflichten uns, künftig mit der Europäischen Kommission und den Zollbehörden zusammenzuarbeiten, um moderne, effiziente und vereinfachte Zollverfahren für regelkonforme Händler sicherzustellen“, sagte eine Sprecherin auf Anfrage.
Neben der nun beschlossenen Zollpflicht auch für günstige Produkte erwägt die EU-Kommission Berichten zufolge angesichts der rasant steigenden Zahl von Paketen aus Drittstaaten eine Pauschalabgabe von bis zu zwei Euro auf entsprechende Bestellungen.
Temu und Shein sind umstritten
Temu ist ein Online-Marktplatz, auf dem zahlreiche Unternehmen verschiedene Waren verkaufen. Das chinesische Unternehmen ist seit Frühjahr 2023 in Deutschland aktiv. Der in China gegründete und heute in Singapur ansässige Modekonzern Shein ist sowohl Hersteller, Händler als auch Marktplatz.
Laut einem aktuellen Ranking des Handelsforschungsinstituts EHI war Shein 2024 bereits der siebtgrößte Onlineshop in Deutschland. Temu belegt bei den Marktplätzen den 4. Rang.
Beide Anbieter sind umstritten. Politiker, Handelsvertreter und Verbraucherschützer monieren unter anderem Produktqualität, mangelnde Kontrollen und unfaire Wettbewerbsbedingungen. Sie fordern eine strengere Regulierung und besseren Schutz beim Online-Einkauf.
In Frankreich geriet Shein zuletzt vermehrt ins Visier der Öffentlichkeit. Nachdem bekannt geworden war, dass bei dem Onlinehändler Sexpuppen mit kindlichem Aussehen angeboten wurden und Waffen vertrieben werden sollen, leitete die französische Regierung vergangene Woche ein Verfahren gegen die Plattform ein.
Im Zuge dessen kündigte die Regierung an, am Pariser Flughafen 200.000 Shein-Pakete zu kontrollieren. Shein kündigte an, mit den Behörden zusammenzuarbeiten. (dpa/afp/red)
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